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PARADOX Start

Horst Oehlke

 

DESIGN - EIN WEITES FELD. AUF UNGERADEN WEGEN VON ANSICHTEN ZU EINSICHTEN

von Horst Oehlke, Berlin, August/September 2001

 

Zum Anliegen des Projekts

Der vorgegebene Titel des Projektes führt auf Umwegen zum essentiellen Kern des Zustandes und der Zuständigkeit von Design.

Im engeren Verständnis zielt das Ganze auf eine Aufhellung dessen, was in einer relativ abgehobenen Ebene, sagen wir ruhig im Bereich theoretischer Reflexion, und wenn man will, im Bereich nicht einer, sondern von Designtheorie gedacht, gesagt und geschrieben wird.

Das sollte letztendlich in der Design konstituierenden und realisierenden Ebene von Belang sein.

Anders ausgedrückt, Designtheorie, die als selbstreferentielles System, als in sich geschlossener Denkhorizont agiert, ist relativ uninteressant, wenn auch oft hochkomplex.

Die folgenden Überlegungen zielen nicht auf die Höhen und Tiefen gestalterischer Metaphysik, sondern resultieren aus Tätigkeit und Einblick in das unspektakuläre real existierende Design, dessen industrielle Praxis und institutionalisierte Ausbildung.

Die Metapher Sumpf läßt sich positiv als Nährboden aber auch negativ als Verschlingendes interpretieren. Dem kann man folgen, denn beides kann zu- oder eintreffen.

Trotzdem würde ich im hier anstehenden Diskurs an Stelle von Sumpf lieber von einem "großen Feld" (Fontane) sprechen wollen.

Ein weites Feld besteht nicht nur aus Sumpf.

Das große sicher auch endlose Feld, ja Land Design mit Höhen und Tiefen, Nutzland und Urwald, Lichtungen und bereits bestellten Äckern, aber eben auch Unkraut und Dickicht, Gestrüpp, mit Sumpf und, wie könnte es anders sein, weggeworfenem Unrat, wenn man im Bild bleiben will.

Die metaphorischen Elemente als Entsprechungen von Design in der Gesamtheit dessen, was sich dort auffinden läßt und eingenistet hat sind dabei immer auch individuell zu entschlüsseln und zuordenbar. Was der eine als Unkraut ansieht mag einem anderen wert sein in einem angemessenen begrifflichen Behältnis präsentiert zu werden.

Das Projekt zielt sicher auch auf Entholzung, wenn ich das Anliegen recht verstanden habe. Aber Vorsicht mit dem Wegwerfen, es könnte sich als Verlorenes erweisen.

Offensichtlich kann man über Design, wenn es nicht um konkrete Sachverhalte anhand von Objekten, Systemen, Prozessen, Gestaltungsweisen, -methoden usw. geht, nur in Metaphern sprechen.

Könnte es sein, daß die mit den Metaphern "The Basic Paradox", der Unbekannten "X" und der "grundlosen Disziplin" einschließlich der Frage nach deren "Grundlagen" eine Pseudoproblematik ist, die ihren Ursprung nicht in der Sache selbst, dem Design hat, sondern darin, wie der je Einzelne sie für sich in Anspruch nimmt, und damit in der Art und Weise seiner Teilnahm. Um das so zu sehen, braucht man kein Radikaler Konstruktivist zu sein.

Die Frage ist dann immer noch, was die Topoi des Design wären, bei denen man auf einen hohen Grad an Verbindlichkeit hoffen könnte. Die mag ein Ziel sein, muß es aber nicht. Denn hinreichend verständlich formulierte Unterschiede oder Differenzen, was nicht das gleiche ist, sind in jedem Falle besser, als unklare Positionen. Damit schließt sich die Gedankenschleife.

X-Faktor oder Unbekannte X entschlüsselt kann heißen: Design als kultureller Prozeß in seiner Einbettung oder Umklammerung durch übergreifende globale wirtschaftliche, politische, kulturelle, soziale Entwicklungen und Rückwirkungen. Klingt fatal langweilig.

Oder, statt definitorischer Quälerei: Design das große Unbekannte, überall dazwischen, sich einmengend und aneckend.

Weniger verschlüsselt, aber dafür hinreichend zur Charakterisierung und Einkreisung der anstehenden Fragestellung, kann Design auch als das große Life-Experiment als übergreifendes Prinzip verstanden werden, mit allen Hoffnungen, Unsicherheiten, Rückschlägen und Ergebnissen, wenn auch nicht immer erwarteten.

Zunächst würde man wissen wollen, was mit Paradoxon gemeint ist oder was im Kern das Paradoxe von und im Design ausmachen soll? Widersprüchliches und nicht zu Vereinbarendes ist eine Art von Seinsbedingung, die in jeder Ebene, jedem Bereich und jedem Winkel der sogenannten Wirklichkeiten zu finden sind. Natürlich können Designer ein Lied davon singen.

Eine vermutete prinzipielle, vielleicht auch scheinbare oder nur terminologische Nichtverortbarkeit unterschiedlicher Komplexionsstufen, Bereiche und Gegenstände/Objekte von Design, machen dieses jedoch noch nicht zum Paradoxon.

Diverse, diffuse und auch divergente Sachverhalte wären so weit wie möglich zu ermitteln, aufzuzeigen und zu "begreifen". Damit im Design etwas "begriffen" wird, braucht es allerdings Designforschung, nicht etwa "Designphilosophie". Mit Wörtern kann man aneinander vorbeireden, weniger mit Begriffen.

Vielleicht besteht das Paradoxe im unlösbaren Gegensatz des Anspruchs auf Weltverbesserung und der Eintaktung in Strategien und Prozesse territorialer Marktsicherung und globaler Marktausweitungen ohne die heute von Design nicht so viel geredet würde.

Noch deutlicher ist es zu erkennen in der Teilhabe am sogenannten technischen Fortschritt, der sich nachträglich als zerstörerisch erweist. Die Beispiele müssen hier nicht erst aufgezählt werden.

 

Was unter Grundlagen verstanden werden kann

Von welchen Grundlagen wird jeweils gesprochen und geschrieben, wenn es um Design geht? Von professionell sachlichen, von durch Ausbildung vermittelbaren curricularen, von den existentiellen einer Disziplin oder, was in diesem Zusammenhang zu vermuten ist, von den Voraussetzungen zur Annäherung an die Aufklärung der Problematik, die zunächst als Paradoxon bezeichnet ist?

"Grundlagen für eine grundlose Disziplin" kann als Frage und als Feststellung aufgefasst werden. Nimmt man sie als letztere, liegt darin bereits eine Antwort. Der soll hier nicht zugestimmt werden, selbst auf die Gefahr hin, das in der Ausschreibung angedeutete Problembündel unaufgeschnürt zu umgehen.

Auch nicht alles, was sich wo auch immer so bezeichnet, gehört in den Topf Grundlagen.

Zu den mythenlosen Grundlagen von Design gehört Arbeitsteilung. Industrielle Produktion, daneben handwerkliche Industrie und jede Art komplexer gegenständlicher Organisation sind Grundlagen mit je ganz spezifischen Untersetzungen arbeitsteiliger Kooperation mit Design.

Arbeitsteilung in der Herstellung von Werkzeugen, gibt es schon in der Steinzeit. Das Handwerk des Mittelalters hat zünftig organisierte und spezialisierte Werkstätten gehabt. Bis zu Beginn der ersten industriellen Revolution und mit ihr noch eine geraume Zeit bis zum vollen Einsetzen arbeitsteiliger Spezialisierung kann man definitiv nicht von Design als Disziplin sprechen. Denn bis dahin liegen Konzept und Ausführung von Artefakten weitgehend noch in einer Hand. Engineering und Industrial Design, wenn auch nicht gleich so genannt, tauchen als kooperative Bereiche erst danach auf. Das kann und muß in diesem Rahmen nicht weiter ausgeführt werden, soll aber auf einen bestimmten Boden hinweisen der Grundlage für Design ist.

Es steckt im Terminus "Industrielles Design", neben weiteren Bereichen, die zu spezifizieren wären. Dabei ist es völlig unwichtig, ob es Designer gibt, die nahezu in allen Bereichen arbeiten oder ob die Mehrzahl sich in engeren Bereichen bewegt. Es geht dabei im Prinzip um eine der Grundlagen, komplex und nahezu unüberschaubar in ihren heutigen Einflüssen und ihren Strukturen.

Kritisch wird es, wenn Design als das Alles umfassende, koordinierende und realisierende Prinzip verstanden werden soll. Das funktioniert als "Glasperlenspiel" aber nicht "Wie im richtigen Leben".

Die digitale Revolutionierung brachte für die Arbeitsprozesse im Design eine Grund legende Wandlung durch Erweiterung und Potenzierung der gestalterischen Arbeitsmittel. Damit verbunden eine Verlagerung der kommunikativen Aktivitäten und der Nutzung virtueller Techniken zur Generierung und Veranschaulichung und in der Vernetzung mit definierenden technologisch-konstruktiven Strukturen.

Der Urgrund aus dem gestaltet wird und die gestalterische Findung bleibt im Rahmen dieser Bedingungen nach wie vor im Bereich individueller Potenz. Noch ist der Komputer der bequemste und detailgetreueste Plagiator.

Nicht zuletzt kann die hier anstehende Thematik in der Verklammerung von Grundlagen des Design und designbezogener theoretischer Reflexion gesehen werden.

Designwissenschaft, als Beobachten und Untersuchen von Design, und Designtheorie, als Nachdenken und Verallgemeinern, bilden keinen abgehobenen Überbau, sondern kommen als ein wesentlicher Teil der gesuchten Grundlage(n) in Betracht. Das kann in diesem Zusammenhang nicht weiter verfolgt werden.

Es gibt zum Design reichlich faktische und gedankliche Äußerungen, nicht unbedingt als Handlungsmuster und Anweisung, sondern eher im Sinne von Wahrnehmungs-, Erfahrungs- und Wissensprotokollen. Auf sie allein sich zu beziehen reicht weder praktizierend noch reflektierend. Sie heben auch nicht definitiv ab auf Design und sind nicht unbedingt neuesten Datums. Aber sie dürfen nicht ignoriert werden, wenn sachliche Auseinandersetzung zu dem was grundlegend für Design zutrifft, gewollt ist.

Sie alle aufzulisten sprengt diesen Rahmen

 

Zur Spezifik von Design

Design ist lehrbar in seinen Wissensbeständen und hinsichtlich erforderlicher Fertigkeiten.

Design zwingt zu Präferenzen und zu Entscheidungen. Dazu bedarf es professioneller Handlungsfähigkeit und sachgerechten Wissens. Die müssen nicht im Widerspruch stehen zu dem, was Design im Innersten zusammen hält, sind aber auch nicht deckungsgleich mit ihm.

Die besonderen Potenzen von Design sind weniger leicht zu beschreiben.

Fähigkeiten zur Lösung von Aufgaben formstrukturierenden und gestaltgebenden Charakters sind in diesem thematischen Zusammenhang von besonderem Interesse, da sie zur Eingrenzung der angeschnittenen Problematik wesentlich sind.

Gestalterisches Vermögen muß mitgebracht werden. Wobei zunächst unerheblich ist, ob es genetisch bedingt ist, lebensläufig vorgebildet wird oder vor allem im doppelten Wortsinn ausgebildet werden kann und muß. Vermutlich wirkt alles zusammen.

Was in der einen oder anderen Ausbildungstätte als Grundlagen (-fächer) des sogenannten Grundstudiums bezeichnet wird, ist hier nicht zu verhandeln. Diese Bereiche sind weder hinreichend Grund legend noch sind sie prinzipiell und in ihrer Art entbehrlich. Sich mit ihnen zu beschäftigen ist ein eigenes Projekt.

Das Feld der Grundlagen für und von Design ist weiter.

Mit der Andeutung, gestaltbezogen, handwerklich, technisch-industriell, ökonomisch-wirtschaftlich, historische, systematisch und systemisch usw., kann immer nur ein bestimmbarer Teil von Grundlegendem benannt werden, es bleibt Unerkanntes und Unbewustes dennoch wirkend offen...............

 

Zum diziplinären Umfang von Design

Ob man nach den "Grundlagen" von Design fragt oder ob man nach seinem Ort/Platz in den systemischen Ebenen und Bereichen menschlicher Gesellschaft, Industrie, Kultur, Forschung usw. sucht, die ohnehin sich durchdringen und vernetzt sind, es läuft zunächst immer darauf hinaus, was unter Design zu verstehen ist.

Ist es überhaupt und wenn, wie breit und wie tief wäre es zu erfassen, zu erklären, zu beschreiben, zu definieren oder gar festzulegen?

Das Wort Design wird im Exposee generalisierend benutzt. Zweifelsohne kann Design als ein generelles Phänomen der Menschlichen Spezies angesehen werden. Das bedeutet dann, daß Design im historischen und prähistorischen Rückblick alles bezeichnet, was Menschen an "Lebensmitteln" (Lothar Kühne) gemacht haben. In der gleichen Weise wird heute alles als Kunst bezeichnet, was bei der Höhlenmalerei angefangen darstellend auf uns gekommen ist.

In dieser Ebene bleibt man zwangsläufig im Allgemeinen, wenn man nach Orientierung sucht.

Denn es ist nicht gleichgültig, in welchen funktionalen und strukturellen Bereichen von Artefakten man sich bewegt.

Nicht nur Textilien und Bekleidung, Gebrauchsgerät,Werkzeuge, Maschinen, Bauwerke etc. sind Gegenstände von Gestaltung sondern ebenso Feste, Zeremonien, Riten, Pläne, Karten und Verzeichnisse, auch soziale wie wissenschaftliche Ordnungen. Aber nicht alles ist unter den gleichen Begriffen zu fassen und mit den gleichen Mitteln zu bearbeiten. Das klingt banal, das "wirkliche Leben" im Design und um Design herum differenziert heute nicht so gern.

Zu unterscheiden ist der disziplinär spezifische Gegenstand des Design, sowie die diversen Design-Objekte als Arbeitsgegenstände von Designern, von den zwecks Realisierungen zu konkretisierenden fertigungs- , vermarktungs- und gebrauchsreifen Produktkonzepten, ihren "Designs". Beide decken sich nicht, sie überschneiden sich nur in dem, was schließlich produktionsreif und marktreif umgesetzt werden kann.

Das Design nicht verkaufter und nicht gebrauchter Produkte ist praktisch virtuelles Design, ist nicht existierendes Design, ist bestenfalls Sammel- und Museumsobjekt.

Beide, Designgegenstand und gestaltetes Produkt, haben einen nicht überschaubaren Horizont im Funktionsumfang. Der Gegenstand von Design hat ihn hinsichtlich seiner funktionalen Präsenz im Bereich des technologisch-wirtschaftlichen und des soziokulturellen Umfeldes und in der Offenheit seiner ästhetisch-gestalterischen Entscheidungen, die Produkte und Systeme dagegen hinsichtlich ihrer forschungs- und entwicklungsbedingt begrenzten wie offenen Perspektive durch Obsoleszens.

Nichts im Design ist für die Ewigkeit gedacht noch getan.

Umsomehr stellte sich im Design ein Bedürfnis oder Bewußtsein ein, im Sinne von Nachhaltigkeit, Verträglichkeit zur Umwelt und alternativer Möglichkeiten zu denken und zu gestalten. Die Schranken und Widerstände dagegen in Folge von Globalisierung und des Zwanges zu Kapitalvermehrung können hier nicht einmal im Ansatz angedeutet werden. Das ist ein noch weiteres Feld.

Ein zweiter Fragenkomplex schließt daran an. Was sind Designer und wo kommen sie her? Wie beschreibt man ihre Tätigkeiten, Arbeitsweisen, professionellen und disziplinären Einbindungen und ihre Ausbildung? Damit nähern wir uns bereits schon beschreibbaren Sachverhalten, Fakten, Zahlen, Daten.

Diese nahezu überschaubare Ebene von Design kann mit dem Paradoxieverdacht/-verdikt doch wohl nicht gemeint sein. Also braucht man den stringenten Verdacht auf dieser Ebene auch nicht zu widerlegen.

Es sei denn, man verallgemeinert die Vorstellung und den Bereich von Design prinzipiell. Man könnte sagen, und das steckt wohl durchaus in dem englischen Wort, alles was vom Homo faber bewußt gemacht wird , materiell oder virtuell, gestisch oder literarisch, begrifflich oder planend, fällt unter Design, ist Design. Manches ist auch Findung weil es nicht bewußt planend entsteht, sondern durch Zufall oder durch nicht beschreibbare funktionale Ergebnisse von Denktätigkeit. In diese Kategorie fallen sowohl Designlösungen, wie wissenschaftliche Theorien

und schon ganz und gar wird diese Art der Schöpfung von den Künsten in Anspruch genommen. Nun kann man einschränken. Der aufblitzende Gedanke macht es noch nicht, sondern erst seine mitteilbare Präzisierung oder die koordinierte Arbeit von spontaner wie gezielter Handbewegung und reflektierendem Sehen.

Handelt es sich bei Design abgesehen von seiner bürokratisch gesetzlichen Einordnung in Ausbildungssysteme wirklich um eine Disziplin im stringenten Sinne? Oder geht es bei ihm eher um etwas Disziplinloses? Es ist, freundlicher ausgedrückt, etwas nicht völlig Durchschaubares, auch für die Insider. Außerdem sitzt es zwischen allen Lehr-Stühlen und bedient sich nach Bedarf bei allen.

Der Ausdruck Disziplin ist hilfreich, wenn es darum geht, Design gegenüber etablierten, gesetzlich anerkannten Disziplinen und potentiellen Kooperationspartnern zu vertreten. Designer, sollten ihre professionellen Argumente im doppelten Sinn diszipliniert vertreten.

Denn die existentielle Frage nach dem Grund, konkretisiert im Sinne einer Begründung für Design lautet vereinfacht: Was ist, was will, was kann Design, und was nicht? Das ist die pragmatische Ebene.

Gerade deshalb ist es sinnvoll und notwendig innerhalb der typologischen Breite und funktionalen Unterschiede der Bestände dieses nach allen Seiten und in seiner Tiefe endlosen Feldes jeweils praktikable Differenzierungen zu treffen und zwar aus funktionalen wie kognitiven Voraussetzungen, doch diese nicht für alle Zeit festschreiben zu wollen.

Versucht man tiefer zu gehen, gibt es für Design weder sichtbaren Anfang noch absehbares Ende, weder eindeutigen Ausgangspunkt noch definitives Ziel.

In diesem Sinn stimmt es schon, daß Design nach wie vor ein endlos Unbekanntes ist, wenn es seiner scheinbar äußerlichen Erscheinungen entkleidet wird.

 

Zur Terminologie im Design - Ein Nachtrag

Die Halbwertszeit von Wörtern, die im Zusammenhang mit designerischer Tätigkeit verwendet werden, wird immer kürzer. Hinzu kommt divergente Belegung von Begriffen, wenn man überhaupt im stringenten Sinne von solchen sprechen kann.

Immerhin ist die schlichte Bezeichnung eines Teils von Design als Formgebung genau so wenig obsolet geworden, wie man trotz sogenannter entwickelter Verkehrstechnik immer noch auch zu Fuß gehen kann und muß.

Flottierende Redeweise, beherrschtes Stilmittel in literarischen Äußerungen und nahezu Norm in journalistischer Berichterstattung, kann durchaus bereichernd und aufdeckend im Diskurs über Gegenstände und Bereiche des Design fungieren. Sie sollte sachliche Rede und objektivierende Beschreibung nicht ersetzen.

Das Wort Design wird da, wo es an begrifflicher Fassung und anschaulicher Vorstellung von Design fehlt, immer öfter als rhetorisches Versatzstück benutzt. Im, über und mit Design kann nur sinnvoll kommuniziert werden in der Entsprechung, oder besser, in der Verschränkung von "Sagen" und "Zeigen". Um das zu begreifen muß nicht erst Semiotik bemüht werden, sie hat aber dazu beigetragen, daß dieser Zusammenhang sinnfällig und bewußt genutzt werden kann.

Fragt man Designer danach, was Design ist, wird in der Regel zunächst einfach auf Industrieprodukte hingewiesen, wird auf sie gezeigt. Daran können sich Erklärungen mit Hilfe von Wörtern wie Form, Getalt, Ästhetik, Gebrauch, Nutzen, Marketing etc. anschließen.

Diese Art und Weise der "Erklärung" wird nun wieder in einer anderen Ebene zum Anlaß, Design auf Produktgestaltung im Sinne von Formgebung zu reduzieren oder auch auf nur Äußerliches bedacht zu denunzieren.

Diskussionen um die Erweiterung von Produktdesign auf zunächst Systemdesign und schließlich Prozessdesign sind keinesfalls frei von unsachlichen Vereinfachungen, da sie in der Regel ohne Bezug auf konkrete Gestaltungsobjekte geführt werden und viel gesagt aber wenig gezeigt wird.

Kein Designobjekt, gegenständlich-räumlich oder prozessual definiert, entbehrt gestaltstruktureller Eigenschaften, wie verlaufsstruktureller Merkmale. Sie haben in beiderlei Beziehung aktive wie schlummernde Potentiale als funktionalen Kern, in gegenseitiger Ergänzung, Überschneidung und Abhängigkeit.

Für die Bereiche gesellschaftlicher und professioneller Aktivitäten um die es hier geht, stehen die Wörter Gestaltung, Gestalter, Gestalten und design, designer, to design zur Verfügung. Nicht zufällig ist der Begriff Gestalt ob seiner Präzision aus dem Deutschen ins Englische übernommen worden und umgekehrt der anpassungsfähige Terminus design aus dem Englischen ins Deutsche. Grob formuliert umfassen die ersteren ein Kernstück des Tätigkeitsfeldes, die anderen dessen Umfang.

Um das zu untersetzten muß hier eine besondere Wertschätzung beider sprachlicher Ausdrücke hervorgehoben werden.

Der alte, nicht veraltende auszeichnende Begriff Gestalt ist in nahezu jedem Bereich menschlicher Tätigkeit und Orientierung von Belang, auch in der Feststellung des Fehlens von Gestalthaftem oder in seinem Gegenteil, dem Ungestalten und dem Gestaltlosen.

Gestalt ist und bleibt nach wie vor ein zentrierender Begriff für weite Bereiche der Erzeugung von industriellen Gütern der Einzel-, Serien- wie Massenfertigung, wie von unikalen Gegenständen gleich welcher Herstellungsart. Gestalt und Gestaltung, das heißt, die Erscheinungsweise wie ihr Entstehungsweg, beziehen sich auf wesentliche und prägnante Erscheinungstypen und die Prozesse ihrer Generierung bis hin zu deren formstrukturellen Merkmalen, digital generierten virtuellen und realisierten Objekten und Strukturen. Sie sind unabhängig von technischer, gebrauchsfunktionaler und marktabhängiger Obsoleszens auch nach Typik, Prägnanz und Reifegrad zu differenzieren. Das hat nichts mit Stilistik und kulturellen Präferenzen zu tun, sondern ist dafür offen.

Der Begriff Gestaltung fungiert als grundsätzliches Merkmal spezifischer Arbeitsvorgänge im Design. Daher konnte der ursprüngliche Terminus Formgebung nicht mithalten und hat nur noch historischen Wert.

Der symphatisch offene Ausdruck Design ist dagegen unentbehrlich, wenn keine definitiven Sachverhalte zur Debatte stehen, sondern die generellen des Artefaktischen und Artifiziellen. Reicht das zum Verständnis nicht aus, kann adjektivisch ergänzend deutlicher focussiert werden, worum es im Besonderen und Einzelnen geht. Man muß es aber dann auch konsequent tun, um offen zu legen, worüber man im konktreten Fall spricht: über Design als Weltprinzip, als formstrukturelle Ordnung von Werkzeugmaschinen, als saisonales Modeprinzip oder von Bierdeckelgrafik.

Das Wort Design kann lockerer gehandhabt werden, als der Begriff Gestalt. Dummerweise auch bis zu vulgärjournalistischem Blödsinn, wenn von Designerklamotten und vom Design eines Schäferhundes die Rede ist. Darin zeigt sich sprachliche Verwahrlosung ebenso wie ironischer Hinweis auf Tendenzen im Design selbst.

Die Verwendung der Wörter Design und Gestaltung in diesem Text ist deshalb weder zufällig, noch als stilistische Lockerung des Textverlaufs zu verstehen, sondern zielt auf erforderliche Differenzierung im Diskursfeld.

Auf dem Feld von Design sollte eindeutig aber nicht einwertig gesprochen werden, weder absolut zuordnend noch autoritär urteilend.

"Design / Gestaltung", "to design / gestalten", "designer / Gestalter" sind je eigene Felder, die sich überschneiden, weil sie ohne Grenzen sind.

 

 

Ende