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C. Thomas Mitchell

 

UNTERSCHIEDLICHE SICHTWEISEN VON DESIGN INTERAKTION

 

von C. Thomas Mitchell

(Übersetzung Wolfgang Jonas)

 

Zusammenfassung

In den Feldern des Designs hat es lange Zeit eine Betonung der Sicht auf das Ergebnis des Entwerfens als isoliertes Phänomen gegeben - ein im Raum gefrorenes Objekt. Ein Großteil der Designdiskussion konzentrierte sich auf die ästhetische Qualität und verwendete nur wenig tiefer gehende Aufmerksamkeit darauf, wie Menschen mit Designinterventionen über die Zeit interagieren. Die Sprache und die Methoden von Designern haben einen engeren Bezug zu denen des Bildhauers als zu denen des darstellenden Künstlers, obwohl die Erfahrung über die Zeit die entscheidende Dimension jeden Designs ist. Das grundlegende Paradox besteht darin, dass die Methoden der wichtigen / kommerziellen Designprofessionen wenig oder gar keinen Bezug zur Designerfahrung haben. In den vergangenen Jahren wurden besonders in den Bereichen Interface- und Software Design verstärkte Anstrengungen gemacht, Nutzerinteraktionen in den Mittelpunkt zu stellen, aber in den meistens traditionellen Disziplinen dominiert weiter die Geometrie, nicht die Benutzung. Östliches Denken bietet brauchbare Einsichten, wie Designer ihre Aufgaben besser angehen können.

 

Design Erfolg und Fehlschlag

Wenn professionelle Designer und Klienten über den Erfolg oder Misserfolg eines Entwurfs diskutieren, dann haben sie häufig sehr unterschiedliche Dinge im Sinn. Dies führt häufig zu Missverständnissen und, nachfolgend, Traurigkeit allerorten. Das größte Risiko im Design besteht nicht darin, dass ein Gebäude einstürzen könnte - was glücklicherweise selten geschieht, sondern dass es die Aktivitäten, welche in ihm stattfinden sollen, nicht vollständig unterstützt - was unglücklicherweise sehr viel häufiger vorkommt. Wenn ein Design "den Nutzungstest nicht besteht", dann werden die Klienten der Designleistungen und diejenigen, die mit dem Gebäude interagieren, unbefriedigt sein. Die Konsequenzen dieser Unzufriedenheit können variieren von Murren und schlechter Publicity bis hin zur Ablehnung der Anmietung von Räumen in einem Gebäude und gerichtlichen Klagen.

"Designerfolg" ist ein relativer Begriff - er bedeutet Unterschiedliches für verschiedene Leute. Für Designer ist Erfolg häufig als eine angenehme dreidimensionale formale Lösung definiert - eine Skulptur. Dies ist das "Gute Design", das so oft diskutiert und angestrebt wird. Für die vielen unterschiedlichen Typen von Nutzern ist die Erfahrung der Interaktion mit einer gebauten Umgebung über die Zeit jedoch von viel größerer Bedeutung. Eine Folge dieser unterschiedlichen Sichtweisen von Designerfolg besteht darin, dass, wie es in der Architektur häufig vorgekommen ist, preisgekrönte ästhetisch angenehme Entwürfe den Nutzungstest nicht bestehen.

Richard Meier and Associates' Entwurf für das Bronx Developmental Center in New York ist nur ein Beispiel dafür. Die Auftraggeber wollten ein "warmes, zuhause-ähnliches Gefühl" für die geistig behinderten Bewohner. Meiers Firma lieferte eine vierstöckige, spätmodernistische Kiste aus Aluminium und Glas. Das Ergebnis? Vier Architekturpreise von der Designprofession und ein Gerichtsverfahren von den Klienten. Diese sagten, das Gebäude erfülle nicht die Bedürfnisse der Nutzer, die Architekten antworteten, dass es ein guter Entwurf sei und dass sie die Preise hätten, um dies zu beweisen.

Wie kann so etwas passieren? Die meisten Designpreise beurteilen Gebäude ausschließlich auf der Basis ihrer äußeren Erscheinung. Nur sehr selten wird irgendeine weitergehende Einschätzung der Praxistauglichkeit des Gebäudes vorgenommen. Ebenso gibt es in den Architekturjournalen und Büchern kaum ein Zeichen von Leben. Viel "große Architektur" hat sich im Gebrauch als mangelhaft erwiesen - man denke nur an Frank Lloyd Wrights notorisch undichte Decken. Dennoch wird Wrights Werk immer noch verehrt. Also nochmals, wie kann das passieren? Designmethoden wie planning by drawings (auf Papier oder am Monitor) sind nicht in der Lage, die Nutzung von Gebäuden im Lauf der Zeit vollständig zu berücksichtigen. Diese Methoden beschränken das Fällen von Entscheidungen erfolgreich auf ästhetische Fragen und beruhen wesentlich auf der Intuition des individuellen Entwerfers.

 

Über das objektorientierte Denken hinausgehen

Einige Designer und Forscher haben begonnen, die Nutzung im Zeitverlauf ausdrücklich in Betracht zu ziehen und Nutzerinteraktionen anstelle formaler Eigenschaften in den Mittelpunkt ihrer Designanstrengungen zu stellen. Interfacedesigner haben die "situierte Forschung" (situated research) entwickelt, einen Ansatz, der einfach darin besteht, zu beobachten, was in realen Umgebungen passiert, um ein systematisches Verständnis dafür zu entwickeln, was Menschen tun und welcher Art ihre Erwartungen sind. Das Entwerfen geschieht dann auf der Grundlage dieser direkten Beobachtung, um die Erfahrungen von Menschen in einem gegebenen Kontext zu verbessern. Dies ist gewiss bescheidener als die Ziele von Designern wie etwa den Modernisten, aber es führt zu sehr viel effektiveren Interventionen.

Obwohl es scheinen mag, als könnten Umweltdesigner von solchen nicht anfassbaren / immateriellen Aufgaben wenig lernen, sind die Einsichten, die sie daraus gewonnen haben, unmittelbar von Vorteil. Einer der Hauptgründe dafür, dass Gebäude den Nutzungstest nicht bestehen, liegt darin, wie bereits früher erwähnt, dass sie als dreidimensionale, im Raum gefrorene Artefakte angesehen werden. Die Nutzung eines Gebäudes geschieht aber über die Zeit, deshalb ist es am besten, sie als Muster evolvierender Aktivität anzusehen - räumliche Arrangements sind dazu da, die Wahrnehmungen der Leute zu inspirieren und ihre Aktionen zu unterstützen.

 

Den Fokus des Entwerfens verändern

Selbst jene innovativen Designer, welche die Bedeutung des Designprozesses und der Interaktionen im Zeitverlauf ansprechen, tendieren dazu, ihre Anstrengungen auf äußerliche Zeichen zu richten, um bestimmte Erfahrungen hervorzurufen. Im Gegensatz dazu beginnen östliche Philosophien, wie etwa der Buddhismus, von einer anderen Grundlage. Anstatt in der äußeren Welt zu intervenieren, um einen bestimmten Effekt hervorzurufen, erkennen diese Philosophien ausdrücklich an, dass jegliche Erfahrung ihren Ursprung im Geist des Beobachters hat. Anstatt Formen oder andere Zeichen zu arrangieren, um bestimmte Reaktionen hervorzulocken, arbeiten diese Ansätze deshalb unmittelbar mit dem Geist des Beobachters.

Obwohl dies zunächst ziemlich abstrakt klingen mag, ist es doch tatsächlich von immensem praktischen Wert. Eins der Probleme mit vielen Produkten des "high-style" Design besteht darin, dass normale Menschen die exaltierte Sicht derjenigen, die diese Projekte herstellen und promoten, zumeist nicht teilen. Warum ist das so? Dieses Phänomen kann vielleicht am besten anhand eines konkreten Falls illustriert werden. In dem vorher erwähnten Beispiel - Richard Meiers Bronx Development Center - haben unterschiedliche Menschen unterschiedliche Sichten. Für den Architekten, die Architekturkritiker und die Architekturpresse ist es ein Erfolg. In ihrem Verständnis ist das Projekt gut - es erfüllt ihre Erwartungen und sie finden es angenehm. Dies ist ihre Erfahrung, und für sie ist ihre Erfahrung wahr. Für die Auftraggeber des Gebäudes ist die Erfahrung anders - sie erleben ein schlecht funktionierendes, teures, unsicheres Gebäude. Sie kommen zu diesem Schluss aufgrund ihrer Erfahrungen und Interessen, und sie haben auch recht. Es ist schwierig, die Ansichten der tatsächlichen Nutzer des Gebäudes hervorzulocken, der geistig behinderten Kinder. Aber es ist sicher richtig anzunehmen, dass - mit einem anderen Satz von Erfahrungen und einer anderen kognitiven Fähigkeit - ihre Wahrnehmung des Gebäudes wieder anders ist. Sie bilden ihre eigene Sicht, basierend auf ihrer Interaktion mit dem Gebäude, und für sie ist dies ebenfalls wahr.

Selbstverständlich sind es nicht nur diese drei Gruppen von Menschen, die unterschiedliche Sichtweisen besitzen - jede einzelne Person, die dieses oder jedes andere Gebäude trifft, wird ihre eigenen Sicht haben! Weil der Geist jedes Menschen verschieden ist, ist auch jede Erfahrung verschieden. Es ist wahr, dass gemeinsame Muster des Verstehens identifiziert werden können, aber die Idee, dass es eine bestimmte gemeinsame vorbestimmte Reaktion auf eine Umweltintervention gebe, würde in keiner anderen Kultur oder keinem anderen Glaubenssystem geteilt werden.

Dies ist das basic Paradox des westlichen Designs, und einer der Gründe, warum es niemals vollständig erfolgreich ist - Designer versuchen, die Erfahrungen der Menschen durch Interventionen in die Umwelt zu beeinflussen, aber dies kann bestenfalls teilweise gelingen. Westliches Design ist wie ein Versprechen, das niemals erfüllt werden kann. Wir sind, zum Beispiel, immer gerade einen oder zwei Schritte davon entfernt, "die Dinge richtig zu machen" - die richtige Kombination von Technik, der richtige Grad an Verständnis der Gründe des Leidens, die richtige Forschung um hocheffiziente Autos zu entwerfen, und so weiter. Wir sind auf allen diesen Gebieten immer gerade an der Schwelle des Erfolgs, aber wir kommen nie ganz bei diesen viel versprechenden Zielen an. Warum? Weil westliches Design letzten Endes fehlgeleitet ist. Es versucht Erfahrungen durch das Manipulieren externer Phänomene hervorzurufen, in der Hoffnung ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Wie wir alle aus unserer eigenen Erfahrung sehen können, lösen sich die Dinge nur sehr selten befriedigend oder erfüllen ihr Versprechen.

 

Alles hängt vom Geist ab

Eine der Schlüsselideen, die Buddha Shakyamuni, der Gründer des Buddhismus in dieser Welt, seinen Schülern vor 2500 Jahren vermittelt hat, lautete, dass "alles vom Geist abhängt". Es ist nicht notwendig Buddhist zu sein, um diese Wahrheit zu sehen. Wenn wir in guter Stimmung sind, dann erscheint uns alles schön, wenn wir zornig oder aufgebracht sind, dann haben Dinge, die uns normalerweise erfreuen, keinen positiven Einfluss auf uns. Mit anderen Worten, externe Objekte allein besitzen nicht die Macht, Erfahrungen hervorzurufen. Unser Erleben der Welt wird immer durch unseren Geist vermittelt. Da unsere Welterfahrung von unserem Geist vollständig abhängig ist, können wir zum Beispiel sagen, dass die Welt einer Person, deren Geist schwer gestört ist, sich buchstäblich von derjenigen unterscheidet, deren Geist sich in Frieden befindet. Externe Objekte können einen sekundären Effekt auf die Erfahrung dieser Menschen haben, aber der primäre Einfluss besteht in ihrem Geist.

Hier kann also der Unterschied zwischen Design - welches die Erfahrungen der Menschen durch Interventionen in der Außenwelt zu beeinflussen sucht - und dem von Buddha gelehrten spirituellen Weg klar gesehen werden. Wenn wir die menschliche Welterfahrung positiv beeinflussen wollen, dann wäre Buddhas Rat, unmittelbar mit dem Geist der Menschen zu arbeiten, um ihnen zu helfen, positive, friedliche Gedanken zu kultivieren. Das ist das Wesen von Buddhas Lehre - deshalb meditieren Buddhisten. Durch das Studium von Buddhas Lehren über das Kultivieren positiver und das Befrieden negativer Geisteshaltungen; durch die Kontemplation dieser Einsichten in den Begriffen ihrer eigenen Erfahrungen, um ein Verstehen des Herzens (nicht des Intellekts) zu erreichen; und schließlich durch das Vermischen ihres Geistes mit diesen positiven Bestimmungen durch Meditation, kultivieren buddhistische Praktiker direkt positive Geisteszustände. Auf diese Weise suchen sie ihren Geist zu reinigen - dann sieht alles was sie anschauen besser aus, weil ihr Geist, der die Welt sieht und erfährt, positiver ist.

In Buddhas fortgeschritteneren Lehren geht er weiter in der Herausforderung des Weltverständnisses seiner Jünger und ihrer Beziehung zur Welt, um ihnen dabei zu helfen, das Nirvana oder die Befreiung von weltlichen Problemen zu erreichen. Nirvana ist kein Ort, sondern vielmehr ein Geisteszustand. Durch das Kultivieren ihrer Weisheit - nicht einfach des Intellekts, sondern der inneren mentalen Kraft - durch richtige Meditation - verändern Buddhas Jünger ihr Verhältnis zur Alltagswelt grundsätzlich. Diese Transformation ist nicht etwas, was sich auf die Vergangenheit beschränkt, auf Asiaten oder Mönche und Nonnen. Alle, die sich entscheiden, diese Anweisungen zu befolgen, können auf diese Weise ihren Geist trainieren, um positive Erfahrungen zu kultivieren.

 

Schlussfolgerung

Buddha bestand darauf, dass seine Anhänger andere Menschen nicht bekehren - und dieses Papier ist kein Versuch, irgendjemanden zu ermutigen Buddhist zu werden. Stattdessen habe ich, einer Aufforderung folgend, versucht, einige eingebaute Beschränkungen des Designs, so wie es heute verstanden wird, kurz zu skizzieren und zu zeigen, wie ein vollständig anderer konzeptueller Ansatz einen Weg aus dem Paradox heraus bietet. Die Antwort auf die meisten Probleme der heutigen Designwelt sind bemerkenswert einfach - anstatt Konzentration auf externe Phänomene (hart oder weich) - direktes Ansprechen des Geistes, der Erfahrung derjenigen für die entworfen wird. Durch diesen Wechsel des Fokus im Design kann die Kluft zwischen Designhandeln und Designerfahrung geschlossen werden. Ein derartiger Ansatz, der die Designer von vielen ihrer einschränkenden, vorgefassten Meinungen befreit, wird den Weg für eine neue und radikal erfolgreiche Art von Designinteraktion öffnen.

 

Referenzen

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C. Thomas Mitchell

Contact Information:

C. Thomas Mitchell, Ph.D.

Associate Professor, Interior Design Program

Director, Center for Design Process

Indiana University

Memorial Hall East 233

Bloomington, IN 47405

USA

Tel: + 011 (812) 855-6425

Email: mitchelc@indiana.edu

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Resident Teacher,

Dromtonpa Buddhist Center at The Hermitage

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