Start

PARADOX Start

Siegfried Maser

 

DENKEN UND HANDELN VOM KALKÜL ZUM FRAKTAL

von Siegfried Maser

 

Schon bei ARISTOTELES (384 - 322) lesen wir, daß wir Menschen sowohl denkende, als auch handelnde Wesen sind und daß diese beiden Aktivitäten typisch für menschliches Leben sind. In der Natur, im Kosmos gibt es eine Entwicklung = Evolution, dies können wir beobachten, und zwar bei den einzelnen Organismen selbst (=Ontogenese) und im Ganzen der organischen Welt (=Phylogenese). Als Prinzip für diese Entwicklung in der Natur postuliert er die Entelechie = was sein Ziel selbst in sich hat! Jeder Stoff und jeder Organismus (als zusammengesetzter Stoff) besitzt seiner Überzeugung nach in sich eine Kraft, die ihn von innen her zielstrebig zur Selbstentwicklung und Selbstvollendung bringt. Das innere Ziel, speziell von uns Menschen sei, daß wir uns - durch Denken und Handeln - zum kreativen, zum schöpferischen Wesen entwickeln. Letzteres findet auch heute noch viel Über-zeugungskraft und Sympathie, gleichgültig, ob wir als Ursache dafür Materielles/ Strukturelles oder Kräfte/Funktionelles oder beides konstatieren.

"Denken" und "Handeln" sind jedenfalls menschliche Aktivitäten und wir wissen alle aus eigener Erfahrung, daß es beim Denken und Handeln unterschiedliche Qualitäten gibt, ja daß wir sogar Fehler machen, denn irren ist bekanntlich menschlich! Es gibt richtiges und falsches Denken, gründliches und oberflächliches Denken, einfaches und kompliziertes Denken, geradliniges/zielstrebiges und umher-schweifendes Denken, aporetisches und systematisches Denken, beweisbares/ allgemeingültiges und subjektives/individuelles Denken, analoges und digitales Denken, konvergierendes und divergierendes Denken u.a.m. Es gibt gutes und schlechtes Handeln, geschicktes und ungeschicktes Handeln, sorgfältiges und schlampiges Handeln, soziales und egoistisches Handeln, bewußtes/absichtliches und instinktives Handeln, geplantes und spontanes Handeln u.a.m.

Im alltäglichen Leben lernen und gebrauchen wir bekanntlich alle diese Denk- und Handlungsweisen in unterschiedlicher Qualität und die jeweilige Situation im konkreten Einzelfall zeigt uns dann - meistens zeitlich erst danach, wenn wir nämlich auch die Folgen unseres Denkens und Handelns erkennen - ob wir richtig oder falsch gedacht haben, ob wir recht oder unrecht gehandelt haben, ob uns das erlösende Wort oder die errettende Tat gelungen ist.

"Denken" und "Handeln" werden von uns im alltäglichen Gebrauch zunächst von-einander unterschieden und dann strikt voneinander getrennt: Theorie oder Praxis, theoretisieren oder praktizieren, reden oder machen, Mundwerk oder Handwerk, Kopf oder Hand, argumentieren oder anpacken, Theoretiker oder Praktiker. Natürlich wäre es auch hier richtiger, das "entweder/oder" durch ein "sowohl/als auch" zu ersetzen, da wir ja in der Regel immer beides zusammen machen, teils miteinander, teils nacheinander, teils übereinstimmend, teils widersprüchlich: Wir überlegen in der Regel bevor wir etwas machen; wir denken nach über das was wir gemacht haben. Wir überlegen i.d.R. vorher, wozu und wie wir etwas machen; und wir überlegen uns, wenn wir etwas gemacht haben, ob wir damit unsere Absichten erreicht haben, ob es einfacher, billiger, schneller, besser zu machen gewesen wäre. So entsteht schließ-lich Erfahrung, die gerade jeder Praktiker für sich in Anspruch nimmt. Learning by doing heißt ja auch, aus Fehlern zu lernen: Fehler machen sei nicht schlimm, sie aber zu wiederholen wäre dumm! Und weil schließlich bloß gedachte Fehler leichter und billiger zu korrigieren sind, als bereits gemachte Fehler, deshalb lernen wir gerade aus Erfahrung die Faustregel: Erst denken, dann handeln! Daraus folgt wahrscheinlich auch, daß die Struktur unseres Denkens wesentlich die Struktur unseres Handelns mitbestimmt.

Bereits ARISTOTELES bemerkte übrigens schon, daß es neben dem "reinen Denken" und dem "reinen Handeln" einen wichtigen dritten Bereich menschlicher Aktivitäten gibt, nämlich einen Bereich, wo sich Denken und Handeln stets über-lappen und daher nicht voneinander getrennt werden können. Er nannte diesen Bereich poiesis = eine etwas herstellende Tätigkeit. Gestalten und Entwerfen sind sicherlich solche herstellende Tätigkeiten.

Es gibt somit drei typische, menschliche Aktivitäten: (reines) denken, gestalten und (reines) handeln. Da "gestalten" als Wechselwirkung zwischen denken und handeln verstanden wird, ist es notwendig, erst "denken" und "handeln" zu verstehen.

Beginnen wir beim Nachdenken über "denken", dies hat übrigens auch eine längere Tradition als das Nachdenken über "handeln". Bei ARISTOTELES finden wir bei-spielsweise die folgende These: Das Denken findet seine höchste Qualität in der Wissenschaft und diese folgt den Gesetzen der Logik (= Organon/Handwerkzeug des Denkens).

Insbesondere dann im Rationalismus wurde das Ideal der Wissenschaft als Kalkül bestimmt: René DESCARTES (1596 - 1650), Blaise PASCAL (1623 - 1662) und Gottfried Wilhelm LEIBNIZ (1646 - 1716). Für jeden Rationalisten ist die oberste Erkenntnisquelle die ratio, die Vernunft. Wahrheit wird mit Widerspruchsfreiheit gleichgesetzt. Man denkt sich das Denken wie folgt:

Die Elemente des Denkens sind zunächst die Begriffe, ihre Bedeutung wird durch Definition eindeutig festgelegt. Dabei haben Allgemeinbegfiffe eine "allgemeine" Bedeutung, d.h. sie haben ein großes Anwendungsgebiet, aber einen kleinen Inhalt/ Information (z.B.Ding); spezielle Begriffe haben eine "spezielle" Bedeutung, d.h. sie haben ein kleines Anwendungsgebiet und einen großen Inhalt/Information (z.B. Eigennamen). "Allgemein" und "speziell" sind graduelle Begriffe, d.h. es gibt je einen Grad, ein Mehr oder Weniger. Als Regel für das Definieren gilt das folgende: Die Bedeutung eines Begriffes wird bestimmt durch die Bedeutung seines nächst allge-meineren Begriffes plus seine spezifische Eigenschaft (=genus proximum et diffenentiam specificam). Beispiele: Parallelogramm = Viereck mit paarweise parallelen Seiten. Rechteck = Parallelogramm mit rechten Winkeln. Quadrat = Recht-eck mit gleichlangen Seiten. ... Durch solches Definieren ordnen sich die Begriffe im Idealfall alle zu einer Begriffspyramide, an deren Spitze die Allgemeinbegriffe und an deren Basis die speziellen Begriffe zu finden sind. Die entstehende Hierarchie ist durch den Grad an Allgemeinheit bestimmt.

Durch die Verknüpfung elementarer Begriffe - z.B. durch und/Konjunktion, oder/Dis-junktion,wenn-dann/Implikation u.a. - entstehen Aussagen: Rose ist rot; Stuhl ist bequem; Heute ist nicht Morgen u.a.m. Um die Gesetze solcher Begriffsverknüpf-ungen kümmert sich die Begriffslogik; als "Klassenlogik"/Mengenlehre, wenn sie nur die Anwendungsgebiete (extensional) betrachtet; als "Prädikatenlogik", wenn sie auch Inhaltliches (intensional) berücksichtigt.

Durch die Verknüpfung von Aussagen entstehen Schlußfolgerungen: Wenn alle Menschen sterblich sind und wenn Platon ein Mensch ist, dann ist Platon sterblich. Um die Gesetze solcher Aussagenverknüpfungen kümmert sich die Aussagenlogik; als "Zweiwertige, formale Logik", wenn sie nur wahre und falsche Aussagen unter-scheidet; als "modale Logik", wenn sie Modalitäten (möglich, wirklich, notwendig, unmöglich,..) mit berücksichtigt; als "Wahrscheinlichkeitslogik", wenn sie In-formationen als Funktion ihrer Unwahrscheinlichkeit berücksichtigt (vgl. dazu Ereignisalgebra und Informationstheorie).

Durch die Verknüpfung von Schlußfolgerungen entstehen schließlich Beweise/ Beweisketten. Um die Gesetze solcher Beweise kümmert sich letztlich die "Beweis-logik/Wissenschaftstheorie (z.B. Deduktion, Induktion, Reduktion u.a.).

Wenn also das menschliche Denken in der Wissenschaft seine höchste Qualitäts-stufe erreicht und dabei allein die Regeln und Gesetze der Logik verwendet (vgl. Aristoteles), so heißt das jetzt genauer: In einer Wissenschaft sind alle Begriffe/Ele- mente zu definieren und alle Aussagen zu beweisen!

Begriffe definieren bedeutet aber, sie über die Definitionsregel auf andere Begriffe zurückzuführen. Diese Begriffe sind dann wieder zu definieren/zurückzuführen ... ohne Ende! Irgendwann muß dieser endlose Prozeß faktisch abgebrochen werden und es bleiben sogenannte Grundbegriffe übrig, die selbst nicht definiert werden, aus denen aber alle anderen Begriffe definiert werden können: Die "Spitze" der Begriffspyramide bleibt also offen, die damit verbundenen Probleme werden "ausgeklammert". Grundbegriffe seien evident, unmittelbar (also ohne explizite Definition!) verständlich.

Aussagen beweisen heißt analog, sie über Beweisregeln auf andere Aussagen zurückzuführen. Diese Aussagen sind dann wieder zu beweisen/zurückzuführen ... ohne Ende! Auch dieser endlose Prozeß muß irgendwann faktisch abgebrochen werden und es bleiben sogenannte Grundsätze (=Axiome) übrig, die selbst nicht bewiesen werden können, aber aus denen alle anderen Aussagen bewiesen werden können. Der Anfang aller Beweisketten beginnt somit beim Unbeweisbaren, die damit verbundenen Probleme werden wieder "ausgeklammert". Axiome seien evident, unmittelbar einsichtig.

Auf der Grundlage dieser Kenntnisse definiert schließlich G.W.LEIBNIZ das Ideal der Wissenschaften als Kalkül, als axiomatisches System und zwar wie folgt:

Eine Wissenschaft

1. definiert möglichst alle ihre Begriffe mit Hilfe der Definitionsregel. Die (möglichst wenigen!) nicht-definierten Grundbegriffe müssen einfach, voneinander unabhängig und evedent sein;

2. beweist möglichst alle ihre Aussagen mit Hilfe expliziter Beweisregeln. Die (möglichst wenigen!) nicht-bewiesenen Grundsätze = Axiome müssen einfach, voneinander unabhängig und evident sein;

3. formuliert ihre Regeln zur Definition und zum Beweisen so, daß das Gesamtsystem von Aussagen (=Theorie = Wissenschaft) widerspruchsfrei (=wahr!) und vollständig ist.

Beispiele, die diesem Ideal der Wissenschaften am besten entsprechen, die also die höchste Qualitätsstufe menschlichen Denkens erreichen, sind einmal die Logik selbst, die ARISTOTELES in seiner "Syllogistik" in diese Form gebracht hat; ferner die Geometrie, die EUKLID in seinen "Elementen" in diese Form gebracht hat; die Mechanik von Isaac NEWTON und inzwischen eine ganze Reihe von Kalkülen in der Mathematik, in der Informatik und in den Naturwissenschaften. Die Probleme der Widerspruchsfreiheit und der Vollständigkeit, die Probleme der Einfachheit, der Unabhängigkeit und der Evidenz werden im 20. Jahrhundert Thema in der Meta-Mathematik.

Diese System - Denkweise wird auch auf den Bereich menschlichen Handelns übertragen: Wir denken uns menschliches Handeln als System, d.h. es gibt elementare Handlungen (Handgriffe) die wir zu einfachen und komplizierten Handlungen zusammenfassen. Der "Taylorismus" zerlegt beispielsweise umgekehrt komplexe Handlungsabläufe in elementare Arbeitsschritte und organisiert so die produktiven Bereiche (mit allen Vor- und Nachteilen).

Natürlich gab und gibt es auch Kritik an diesem Ideal aller Wissenschaft: Einmal schon sehr früh aus dem Bereich der Geisteswissenschaften, dann aber auch aus dem Bereich der Naturwissenschaften, z.B. der Biologie. Die im Rationalismus akzeptierten Grundvoraussetzungen über die Inhalte der Wissenschaften treffen in bestimmten Bereichen überhaupt nicht zu: Neben Differenzierung gibt es Ganz-heitlichkeit, neben Isolierung Vernetzung, neben Einfachheit Komplexität, neben Einheit Mannigfaltigkeit, neben Gleichheit Individualität, neben Stabilität Instabilität, neben Beständigkeit Entstehen und Vergehen, neben Notwendigkeit Zufälligkeit, neben Kausalität Geschichte, neben reversibel irreversibel, neben Wiederholbarkeit Einmaligkeit, neben Mechanik Selbstorganisation u.a. Neue Begriffe treten in den Vordergrund des Interesses: Evolution, Interaktivität, Selbstorganisation, Chaos und Katastrophen (kleine Ursachen haben riesige Wirkungen!). Alles, was traditionell "ausgeklammert" wurde, weckt plötzlich besonderes Interesse. Als Paradigma hierfür dienen die zunächst in der Mathematik definierten, dann aber in der Natur gefundenen Fraktale, die inzwischen längst zum Symbol geworden sind.

In der Mathematik beispielsweise untersucht man normalerweise reguläre, stetige, also "anständige" Funktionen, d.h. solche, die berechenbar, die differenzierbar, die integrierbar etc. sind. Treppen, Sprünge, Spitzen u.ä. sind "unanständige" Probleme, Berechnungen werden schwierig und können in jedem Einzelfall anders sein, Tangenten sind nicht bestimmbar etc. Solche Probleme werden daher als chaotisch ausgeschlossen (Die Natur macht angeblich keine Sprünge!). Benoit MANDELBROT interessierte sich gerade für solche "unanständigen" Fälle: Ausgehend von einer einfachen Strecke drittelt er diese und verändert das Mittelstück zur Spitze. Die hier-durch entstehenden (vier) Teilstrecken drittelt er je wieder und verändert das Mittelstück zur Spitze. Die hierdurch entstehenden (sechzehn) Teilstrecken drittelt er je wieder und ....Ein Rechner, der diesen einfachen Algorithmus eine Nacht lang durchrechnet produziert dann eine Kurve, die überall Spitzen hat, die nicht mehr differenzierbar und integrierbar ist, eine Kurve, die überall "unanständig", irregulär, unstetig ist. B. MANDELBROT nannte das höchst ästhetische Ergebnis Fraktal, von 'fractus' (lat.)= "gebrochen, fragmentiert", wir sprechen heute oft von Mandelbrot-Männchen.

Bei der Untersuchung solcher fraktaler Strukturen (fraktale Geometrie) erhalten die folgenden Begriffe zentrale Bedeutung:

Selbstähnlichkeit: Bei fraktalen Strukturen spiegelt sich im Detail die Gesamt-struktur wieder (bei regulären, stetigen Strukturen wird das Detail dagegen immer einfacher!); jedes Detail enthält die Gesamtstruktur; ähnlich, nicht gleich!

Selbstorganisation: Komplexe, dynamische Systeme organisieren sich selbst durch ständigen, inneren, dynamischen Aufbau (Vernetzung) von Ordnungsgefügen und deren Zerfall. Dabei gibt es Ordnungsparameter, die durch Analyse erkannt werden können.

Dynamik: Durch vielfältige Rückkopplungsprozesse und Interaktionen innerhalb der Selbstorganisation bleibt die Dynamik und Vitalität des Ganzen stets erhalten.

Hans-Jürgen WARNECKE hat in seinem Buch "Die fraktale Fabrik - Revolution der Unternehmenskultur" (Springer, Berlin 1992) auf der Suche nach neuen Organi-sationsformen in Unterhehmen solche fraktalen Strukturen modellhaft übertragen. Es ist naheliegend, diese Modelle auch (zunächst wörtlich!) auf den Produktionbereich von Wissen und damit auf Denken und Handeln zu übertragen. Dies erfolgt hier sehr kurz analog der Thesen von WARNECKE (S.142 ff):

Definition: Ein Fraktal ist eine selbständig agierende Wissenschaftseinheit, deren Ziele und Leistung eindeutig beschreibbar sind.

Fraktale sind selbstähnlich, jedes leistet Dienste.

Fraktale betreiben Selbstorganisation:

Operativ: Die Abläufe werden mittels angepaßter Methoden optimal organisiert (Selbstorganisation).

Taktisch und strategisch: In einem dynamischen Prozeß erkennen und formulieren die Fraktale ihre Ziele sowie die internen und externen Beziehungen. Fraktale bilden sich um, entstehen neu und lösen sich auf (Selbstoptimierung).

Das Zielsystem, das sich aus den Zielen der Fraktale ergibt, muß der Erreichung der Wissenschaftsziele dienen: Erkenntnis- und Verwertungsinteresse (Zielorientierung).

Fraktale sind über ein leistungsfähiges Informations- und Kommunikationssystem vernetzt. Sie bestimmen selbst Art und Umfang ihres Zugriffs auf die Daten. Die Leistung des Fraktals wird ständig gemessen und bewertet (Dynamik).

Fazit (nach H.-J. WARNECKE).:

Jeder Wissenschaftler muß seine Aufgabe umfassend erfüllen wie die gesamte Wissenschaft selbst.

Selbstorganisation erfordert Autonomie: Selbstverwaltung und Selbstbestimmung.

Der Strukturierungsprozeß ist nur teilweise objektivierbar: Es gibt kein Ideal der Wissenschaft, höchstens Optimale.

Vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen!

Noch ist das "Unternehmen Wissenschaft" (Beispiel Universität, speziell auch Design/Theorie und Praxis) so nicht verstanden und organisiert: Vielleicht finden sich hier tatsächlich Ansätze zu wirklichen Reformen, mindestens eine Diskussion darüber ist sinnvoll, gerade im Design.

 

Biografisches

Siegfried MASER

 

3o.11.1938 geboren in Stuttgart, aufgewachsen in Korntal bei Stuttgart. Vater: Schreinermeister. Mutter: Hausfrau. Zwei Brüder.

1945 - 1958 Schulzeit in Korntal. Abitur.

1958 - 1965 Studium in Stuttgart und Tübingen: Philosophie (mit den Schwerpunkten Wissenschaftstheorie, Erkenntnistheorie, Logik und Ästhetik), Mathematik (Geometrie, Topologie und Algebra) und Physik (Atomphysik und Elektrodynamik).

1965 Promotion zum Dr. phil. bei Professor Dr. Max Bense am Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie der Technischen Hochschule Stuttgart mit einer Arbeit über die Grundlagen der Mathematik (über Gottlob Frege: Logizismus).

1965 Heirat mit Helga Federmann. Zwei Töchter.

1965 - 1968 Wissenschaftlicher Assistent bei Max Bense.

1968 Habilitation in Stuttgart mit einer Arbeit über Numerische Ästhetik. Venia legendi für "Logik und Logistik mit besonderer Berücksichtigung der Kommunikationsforschung".

1969 Universitätsdozent in Stuttgart.

seit 1969 Weiterbildungsseminare für Bausachverständige, insbesondere über Ästhetische Wertminderungen.

1969 - 1971 Dozent für "Allgemeine Kommunikationstheorie" am Institut für Umweltplanung in Ulm (ehemals hfg Ulm). Hauptarbeitsgebiete: Zeichen-, Informations- und Kommunikationstheorie, Kybernetik.

seit 1970 Mitglied im Deutschen Werkbund

1971 - 1978 Professor für "Systemforschung und Planungstheorie" im Fachbereich Experimentelle Umweltgestaltung der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Hauptarbeitsgebiete: Theoretische (methodische, organisatorische, normative und faktische) Grundlagen in interdisziplinären Projektgruppen.

seit 1972 Mitglied im VDID

In Braunschweig gelingt es, den ersten universitären Abschluß für Designer einzurichten.

seit 1976 Kooperation mit der Helwan Universität in Kairo: Hochschullehreraustausch und gemeinsame Promotionen.

1976 - 1978 Rektor der SHfBK in Braunschweig.

seit 1978 Professor für "Designtheorie" im Fachbereich Design der Bergischen Universität - Gesamthochschule Wuppertal. Hauptarbeitsgebiete: Designphilosophie, Planungs- und Systemtheorie, Kommunikationstheorie, Ästhetik und Ökologie.

1983 - 1987 Prorektor für Studium, Lehre und Studienreform der BUGH- Wuppertal

seit 1983 In Wuppertal gelingt es, die Möglichkeit zur Promotion von Designern (zum Dr. phil) und zur Habilitation in Designtheorie einzurichten.

seit 1987 Kooperation mit der Technischen Universität in Kosice/Slowakei: Aufbau vom "Nebenfach" Design im Machinenbaustudium über Studienschwerpunkt und eigenständigen Studiengang zur eigenständigen Fakultät.

1987 - 1991 Rektor der BUGH - Wuppertal.

1991 Ehrenpromotion durch die Technische Universität in Kosice (Slowakei).

 

Publikationen:

Numerische Ästhetik (1970)

Grundlagen der allgemeinen Kommunikationstheorie (1971)

Zur Planung gestalterischer Projekte (1993)

Zahlreiche Aufsätze zur Wissenschaftstheorie, Ästhetik, Kommunikationstheorie und zur Designtheorie sowie Katalogtexte, Vorworte und Reden aus meiner kulturellen und hochschulpolitischen Arbeit.

 

 

 

Forschungsaktivitäten

Mein ursprüngliches Interesse galt der Mathematik, ihre Gründlichkeit und Genauigkeit faszinierte mich. Auf der Suche nach dem Wesen und den Ursachen für diese Exaktheit verschob sich mein Interesse vom anfänglichen Studium abstrakter, mathematischer Kalküle über die mathematische Logik und allgemeine Axiomatik hin zur philosophischen Grundlagenforschung. Dabei gelangte ich zu folgenden grundsätzlichen Einsichten:

1. In den reinen, theoretischen Wissenschaften wird der Fortschritt wissenschaftlicher Entwicklung mit einer zunehmenden Genauigkeit ihrer Erkenntnisse identifiziert. Hieraus folgt historisch die Ausdifferenzierung in viele, autonome Einzeldisziplinen, in denen wir jeweils die Probleme immer komplexer und komplizierter definieren mit entsprechenden Folgen für die dabei gewonnenen Erkenntnisse, für ihren Wahrheitsbeweis und für deren zwischenmenschliche Kommunikation. Gemeinsamkeit besteht dabei nur noch in den wissenschaftstheoretischen Zielen: Zunehmende Genauigkeit der Erkenntnisse, also Wissenschaft um ihrer selbst willen (vgl. in der Kunst: l´art pour l´art!).

2. In den angewandten, praktischen Wissenschaften wird der Fortschritt wissenschaftlicher Entwicklung mit einer zunehmenden Vervollkommnung und Perfektionierung von Technik, Zivilisation und Kultur identifiziert. Hieraus folgt historisch die Entwicklung von handwerklichen über industrielle zu automatisierten Produktionsweisen von "Lebensmitteln", d.h. Wissenschaft ist Mittel zum Zweck, Wissenschaft dient menschlicher Lebensqualität.

3. Zwischen diesen beiden idealisierten Grundpositionen existiert in Realität häufig eine tiefe Kluft, die Kluft zwischen Theoretikern und Praktikern, zwischen Idealisten und Pragmatikern.

Diese Kluft wollte ich überbrücken. Als exemplarisches Feld diente mir dazu der Gestaltungsbereich: Städtebau, Architektur, Design, Kunst. Mein Prinzip ist dabei interdisziplinäres Vorgehen im Team von Experten. Meine Hilfsmittel dazu sind Systemtheorie, Planungstheorie, Kommunikationstheorie, Kybernetik und Ökologie. Mein Ziel liegt in der Verbesserung von Lebensqualität, insbesondere dort, wo Menschen der Hilfe anderer bedürfen. Dies führte zu meinem Engagement für die "sogenannten" Entwicklungsländer einschließlich meiner hochschulpolitischen Tätigkeiten, insbesondere im Bereich Studienreform.

 

Siegfried Maser