NBK Neuer Berliner Kunstverein 

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'body of the message'
Ortsbegehung No. 4
NBK Berlin 1998
curated by Inke Arns

corporate take-over  

Thilo Wermke zu Daniel Pflumm 
 

Kunst im traditionellen Sinn ist bei Daniel Pflumm nicht zu finden; die Präsentation seiner Arbeiten außerhalb des Kunstkontextes würde viel eher auf eine ausgefeilte Firmenstrategie mit angeschlossenem merchandising schließen lassen. Und in der Tat, es gibt das eigene Unternehmen, für das Pflumm tätig ist, mit und in dem er seine Kunst entwirft. Das Erscheinungsbild dieses Unternehmens, mitgeteilt über Grafik, Layout, Leuchtreklame, Videos und Installationen weist in seinem Purismus, seinem Verzicht auf allen Dekor, frei nach Mies van der Rohes „less is more" einen Stil auf, der einen hohen Wiedererkennungswert garantiert. Stellt sich nur noch die Frage, was Pflumm in seiner Firma produziert, welche Produkte er mit seinen Werbestrategien vermarktet. An dieser Stelle wird es kompliziert, hier fängt die Kunst an und würde sie nicht anfangen, so wäre nicht auszuschließen, daß Pflumm bereits Aktien an der Börse plaziert.  

Pflumms Firma fungiert unter verschiedenen Namen, mal heißt sie Elektro, mal Panasonic, zur Zeit tüftelt er wohl an einem neuen Namen. Das Paradoxe an seiner Firma ist, daß sie nichts produziert, sondern über Logos und Symbole nur sich selbst präsentiert. Das hat zu tun mit der Faszination, die von Werbung und Produktvermarktung heute ausgeht und die auch auf Pflumm Wirkung erzielt. Zugegebenermaßen hat ein Werbespot oftmals mehr zu bieten als eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst, ein Problem, unter dem die Kunst leidet, auf das sie jedoch Antworten finden muß. Die Optionen weisen in zwei entgegengesetzte Richtungen: mit der neuen Technik und ohne sie. Wege in beide Richtungen werden beschritten. Möglicherweise ist der erste Weg der schwierigere, zumal er dem avantgardistischen Paradigma des Voranschreitens unterworfen ist, das auf dem Beipackzettel kurze Verfallszeiten vermerkt.  

Daniel Pflumm geht diesen Weg, und er geht ihn ohne zu stolpern. Technik ist Mittel zum Zweck, der Computer ist ihm Werkzeug bei der Formulierung von Fragestellungen. Daran schließt die Frage nach der Kritikfähigkeit dieser Kunst an, die in ihrer kühlen Abstraktion zunächst viel Eleganz ausstrahlt. Kritik im Sinne volkspädagogischer Konzern- und Medienschelte äußern diese Arbeiten mit Sicherheit nicht. Diese versteckt sich eher hinter einer überaffirmativen Subversion, die ihre Faszination für das Gegenüber nicht ganz verbergen kann. Bewußt greifen Pflumms Arbeiten Firmenstrategien auf (und wollen sich hierbei wirklich nur mit den ganz Großen messen), die im Zeitalter der Globalisierungsfalle unser visuelles Verhalten konditionieren. Das einheitliche Erscheinungsbild der von Daniel Pflumm geschaffenen Produkte setzt hier an, über eine vorhandene corporate identity zieht er den Betrachter in seinen Bann. Ob Promotion T-Shirts, Schallplatten oder strahlende Leuchtkästen, bekannt geworden ist er über seine Videoinstallationen. Hier wird der Monitor in die Wand eingelassen, so daß die Bildfläche glatt mit der Wand abschließt, um die Videos möglichst pur, ohne störende Technik präsentieren zu können. 

Bei den von Daniel Pflumm entwickelten Computeranimationen handelt es sich um Videoloops mit unterschiedlichen Wiederholungsintervallen. Durch eine von konventionellen Animationen abweichende Beschleunigung der Wiederholungsfrequenz werden jedoch die bekannten Wahrnehmungsmuster durchbrochen. Ein oft auftauchendes Motiv der Loops sind die Logos bekannter Firmen, die uns täglich, ob in der Werbung, den Medien oder im Stadtbild als Abbild von Unternehmensstrategien begegnen. Pflumm gestaltet diese Labels am Computer nach und dekonstruiert sie anschließend in ihre strukturellen und farblichen Einzelteile. Aus diesen Fragmenten stellt er dann seine Loops zusammen: So werden wir etwa bei einer Animation Zeuge, wie sich aus Einzelteilen das Signet des amerikanischen Telekommunikationskonzerns AT&T aufbaut. In der Monotonie dieser Bilder zeigt sich der Symbolcharakter von scheinbar nur nebensächlich aufgenommenen Bildformen. Ein anderes Loop konfrontiert uns mit einer in maximaler Geschwindigkeit ablaufenden Folge von verschiedenen Logos. Die Maximierung von Geschwindigkeit, als ein der Moderne innewohnendes Motiv wird so übertrieben; das im MTV-Zeitalter an schnellen Schnittfolgen geschulte Auge strapaziert. Möglicherweise ist eine solche Abfolge nur Training und Vorschau auf kommende Mediennormen, auf Fernsehstandards in 100 Jahren, denn die evolutionäre Anpassung des Menschen an die Technikentwicklung kann als bewiesen gelten. 

Pflumm möchte mit seinen Videos nicht werten, er stellt Fragen. Seine Arbeit vollzieht er nach eigenen Aussagen eher intuitiv, ihn interessiert der (möglicherweise falsche) „schöne Schein" von Formen und Farben. Der intensive Blick auf die mitunter auch sehr monoton daherkommenden Bildabfolgen stellt die Wahrnehmung des Betrachters in Frage. Der menschliche Hunger nach Bildern wird durch moderne Werbeästhetiken umfassend gestillt; möglicherweise ein Grund für den anhaltenden Bedeutungsverlust von Kunst. Pflumm geht es jedoch nicht um ein mediales höher, schneller, weiter, was leider allzuoft in künstlerischen Auseinandersetzungen mit technischen Medien festzustellen ist. Pflumm steckt einen relativ eng umrissenen Claim ab, im dem er sich bewegt, definiert etwa durch die Festlegung auf klare Formen und reine Farben. Künstlerischen Allmachtsphantasien erteilt er so eine Absage. Und doch ist seine Arbeit nicht nur reaktiv. Er entwickelt eigene Logos von teils fiktiv, teils wirklich existierenden eigenen Unternehmungen. Letztere, wie der von ihm mitbetriebene Fernsehsender Hallo TV, das auf avancierte elektronische Musik spezialisierte Label Elektro oder der Club Panasonic stellen eigene Praxisformen dar, die dazugehörigen Logos werden in seinen Videos entsprechend eingebunden.