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Ortsbegehung 4
- body of the message
4. Juli - 16. August 1998 Zum vierten Mal trägt eine Ausstellung des Neuen Berliner Kunstvereins die Überschrift Ortsbegehung. Sie steht für eine Reihe, die in jährlichem Rhythmus zeitgenössische Positionen junger Kunst mit jeweils drei Vertretern aus Berlin präsentiert. Die Überantwortung dieser Projekte an wechselnde Kuratoren soll den notwendigen Meinungspluralismus gewährleisten und der Vielfalt der Möglichkeiten gerecht werden, die durch die unterschiedlichen Beobachtungen, Erfahrungen und die daraus resultierenden Beurteilungen entsteht. Nach drei gleichnamigen Ausstellungen in den vergangenen Jahren folgt nun die vierte Präsentation, in der die Kuratorin Inke Arns unter dem Titel body of the message drei Positionen junger Berliner Kunst vorstellt, die sich neuer Medien - Video, Computer, Internet - bedienen. Sandra Becker, Joachim Blank & Karl Heinz Jeron und Daniel Pflumm thematisieren in den eigens für diese Ausstellung entstandenen Arbeiten die gegenwärtig sich vollziehende radikale Neu- und Umstrukturierung des öffentlichen Raumes, die, obgleich unsichtbar für das menschliche Auge, von weitreichender Bedeutung ist. Es geht um jene neuartigen medialen Strukturen, die als nomadische und ephemere Extensionen auf unseren öffentlichen Räumen aufsetzen und diese - auch in einem politischen Sinn - qualitativ verändern. Sie widmen sich der Sichtbarmachung dessen, was in diesen neuartigen urbanen Transiträumen sich bewegt; Flüsse von Zeichen, Waren, Körpern und Informationen, jener mobilen Einheiten, die eben diese medialen Räume durchqueren. Der Ausdruck body of the message, unvollkommen übersetzt mit "Nachrichtenkörper", stammt aus dem Bereich der e-mail Kommunikation und bezeichnet hier - im Gegensatz zu dem an Maschinen adressierten Programmcode - den Teil einer elektronischen Nachricht, der sich an einen menschlichen Leser richtet. Die künstlerischen Ansätze von Becker, Pflumm und Blank & Jeron beleuchten verschiedene Aspekte von "Nachrichtenkörpern" in gegenwärtigen medialen urbanen Räumen: die Bewegung von Menschen in diesen Räumen; die Fluktuation von Zeichenkörpern sowie die zunehmende Digitalisierung von bis dato analogen Körpern und deren sukzessiven Übergang in den "informationellen" Raum. Sie sind Teil einer Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die sich neuer Medien als Teil ihrer quasi "natürlichen" Umgebung bedienen, folglich auch den Begriff der "Medienkunst" nicht explizit bemühen müssen, diesen teilweise sogar ablehnen. Sie arbeiten mit minimalem technischen Aufwand (consumer technology) und benötigen keinen großen Maschinenpark - im Gegensatz zur inzwischen musealisierten spektakulären Medienkunst. Sandra Becker verwendet in ihrer Arbeit metro scan (4 Videos, kombiniert mit großformatigen Photographien, 1998) Aufnahmen von Passanten in den U-Bahnen von New York, Berlin, Moskau und Tokio. Hier sind die "Nachrichten- körper" ganz offensichtlich noch "reale", in Bewegung befindliche menschliche Körper, die zu Hunderten durch U-Bahn Gänge hasten, auf Rolltreppen stehen, in Bewegung sind. Becker zitiert die Ästhetik von im öffentlichen Raum installierten Überwachungskameras, unterläuft jedoch gleichzeitig die normative Totale dieses Blickes indem sie ihr eine Vielzahl von Standpunkten entgegenstellt. Es ist de Certeaus metaphorische oder herumwandernde Stadt, der man in dieser Arbeit begegnet. Der ‘Minimalist’ Daniel Pflumm reduziert in seinem Video (1998) die "Nachrichtenkörper" auf reine Oberflächen: bunte Logos, Corporate Identities und Markenzeichen lösen einander in rasendem Tempo ab. Diese "Nachrichten- körper" sind Zeichen für Waren, die in unserer globalisierten Ökonomie weltweit abgesetzt und deren "Images" daher auch weltweit wiedererkennbar sein müssen. Diese Zeichen durchqueren den urbanen Raum und das globale Unterbewußtsein, und verweisen somit auf die Geschwindigkeit einer fast instantanen weltweiten Präsenz. Gleichzeitig haftet - besonders den vom Künstler eigenhändig "zensierten" Logos, aus denen jeglicher Text entfernt wurde und nur noch die minimale grafische Form für sich steht - etwas Fragiles und sehr Vergängliches an: Pflumms Videos sind Archive einer sich rasch wandelnden Medienästhetik. Mit ihrem hybriden Projekt Scanner++ (12 Scanner, Computer, Videoprojektion, Internet, 1998), das das Internet miteinbezieht, sich jedoch als interaktive Installation auch auf den "realen" Raum ausdehnt, vollziehen Joachim Blank & Karl Heinz Jeron den Übergang zu einer letzten Stufe: hier werden "reale" Körper von einem begehbaren Scanner erfaßt und in "reine" Information umgerechnet; kompatibel, sauber und - archivierbar <http://sero.org/>. Das Prinzip Suchmaschine, eigentlich eine unsichtbare fleißige Software im Internet, materialisiert sich hier in schon fast obszöner Weise in einem symptomatischen Objekt, das als solches nun auf den Realraum aufgesetzt wird und diesen systematisch einliest. Blank & Jeron verwischen ironisch den schmalen Grat zwischen Information / Desinformation und führen mit ihrem Beitrag den "wahren Wert von Information in unserer Gesellschaft" ad absurdum. Zur Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog (dt. / engl.) zum Preis von 18.- DM (64 S., durchgehend vierfarbig, zahlr. Abbildungen; mit Texten von Inke Arns, Ralph Lindner, Gerrit Gohlke, Thilo Wermke). Wir laden Sie zu einer Vorbesichtigung
am Eröffnungstag (3. Juli 1998) ab 11 Uhr herzlich ein. Die Künstler
und die Kuratorin der Ausstellung sind zwischen 11 und 13 Uhr anwesend.
Mit freundlicher
Unterstützung von
ORTSBEGEHUNG 4 - body of
the message
4. Juli - 16. August 1998 Eröffnung: Freitag, 3. Juli 1998, 19 Uhr Öffnungszeiten:
Neuer Berliner Kunstverein
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