Kramkiste


Aus dem Seelenleben eines Bikers

Eingesandt von Danny Czoczek, der die Story in der Jokes.ger (Fido-Net) gefunden hat:


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Empfaenger : /JOKES.GER ( ALLE )
Absender : Jan Neumann @ 2:240/5100.2
Betreff : Aus dem Seelenleben eines Bikers
Datum : Fr 04.04.97, 17:57 (erhalten: 05.04.97)
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-->> Halloechen *alle*!

Passend zum Saisonanfang (waer' nett, wenn Ihr ab jetzt Eure Kippen nicht mehr aus dem Autofenster werft) habe ich mal kurz folgendes aus einem 93er Louis eigenhaendig fuer Euch abgetippelt:

Aus dem Seelenleben eines Bikers
von Uli Boeckmann

Jeder Motorradfahrer kennt sie, die Situationen, die sich unausloeslich im Gehirn festbrennen. Sie sind gefaehrlich oder komisch, meist aber fuerchterlich peinlich.
Derjenige, der sich schonmal vor versammelter Mannschaft sein Maschinchen umgeschmissen hat (warum weiss keiner, er selbst am wenigsten), wird sich noch gut daran erinnern, dass er sich in jenem Moment an jeden anderen Ort des Planeten gewuenscht haette, nur um dem unausweichlichen Hohn und Spott der feixenden Menge zu entgehen. Standardsituationen, immer wieder sehr beliebt bei den Nichtbetroffenen.

Auch nicht schlecht folgendes:
Auf dem sonntaeglichen Treff hast Du stundenlang die Zuverlaessigkeit Deiner Maschine gelobt, die selbsterstaendlich einzig und allein auf Deine hervor- ragende Sachkenntnis bei den Wartungsarbeiten zurueckzufuehren ist.
Dann kommt der Moment des Aufbruchs. Du schaelst Dich wieder in all Deine Lederbrocken, die Sonne lacht vom Himmel (26 Grad im Schatten), Du klappst laessig den Kickstarter zu Seite, vergewisserst Dich noch kurz, ob auch alle Blicke auf Dich gerichtet sind und gibst Deinem Baby einen kraeftigen Tritt (mit Baby ist das Moped gemeint).

Nichts.
Ein zweiter Tritt.
Nichts.
Ein dritter und vierter.
Nichts.

Die Menge wird unruhig.

Du knickst kurz in der Huefte ab, um einen Blick auf den Motor zu werfen. Das hilft zwar auch nichts, macht aber immer einen guten Eindruck. In der Regel fuehlst Du Dich auch dazu veranlasst, irgendein Teil wenigstens mal anzufassen. Irgendein Teil, egal welches. Es muss nur so aussehen, als ob Du - souveraen, wie es ohnehin Deine Art ist - mit einem kurzen Griff die Situation zu Deinen Gunsten entscheiden koenntest.

In dem Moment, wo Du zum fuenften Mal Dein Bein hebst, weisst Du, dass es ohnehin Deine letzte Chance ist.
Springt sie an, hast Du gewonnen.
Alle wuerden glauben, dass der zuendende Funke durch Dein unmotiviertes Gefummel zustande kam.

Du setzt zum Kick an.
Mitterweile ist es Dir schon gar nicht mehr so recht, dass Du ein staendig wachsendes Publikum unterhaeltst. Mit aller Kraft saust Dein staehlernder Schenkel nach unten...
Nichts.

In Deinen Ohren saust es, unter dem Helm herrschen cirka 42 Grad Celsius. Trotzdem dringen die ersten Wortfetzen an Dein Ohr: "Was'n das fuer'ne Graupe? - Wat nimmt der fuer die Show oder is dat fuer lau? - Kumma, der schwitzt! - Hat der noch andere Hobbys? - Schonma mit Sprit versucht? Soll manchmal Wunder wirken!"
Es ist das alte Spielchen - wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung.

Es hilft nichts.
Helm ab, Jacke auf, nur laessig bleiben. Auch die Kumpels, die natuerlich schon laengst auf ihren laufenden Maschinen sitzen, drehen murrend den Zuendschluessel wieder herum. Nun kommen auch die ersten persoenlichen Attacken.
"Echt klasse eingestellt, Hochachtung."

Du kontrollierst Benzinschlaeuche, die Sprithaehne, Kerzenstecker, Zuendkabel.
Alles okay.
Spaetestens zu diesem Zeitpunkt kommen die ersten guten Ratschlaege aus der immernoch anonymen Masse. Mittlerweile hast Du natuerlich auch Deine Joppe ausgezogen, die Hitze wirkt in dieser peinlichen Situation doppelt schlimm.

Die ersten Kollegen schleppen ihr Werkzeug an, Du richtest Dich in Gedanken auf eine laengere Aktion ein.
Ploetzlich bleibt Dein Blick am rechten Lenkerende kleben, es durchlaeuft Dich heiss und kalt.
Mit einem Schlag hast Du naemlich die Fehlerquelle entdeckt und Dir wird blitzartig klar, dass die ganze Blamage wirklich restlos ueberfluessig war. Gleichzeitig durchzuckt Dich jedoch die Erkenntnis, dass Du mit einem Geniestreich immer- noch die Situation retten kannst.
Ausser Dir scheint naemlich noch niemand bemerkt zu haben, dass dieser verfluchte Killschalter in der Position "OFF" verharrt.

Waehrend also schaetzungsweise sechs Personen damit begonnen haben, Dein Motorrad zu zerlegen, beugst Du Dich aus Gruenden der Tarnung ueber besagtes Lenkerende, halt um nachzusehen, ob das Vorderrad noch da ist. Dabei legst Du mit einer ungehnten Fingerfertigkeit den Schalter auf die richtige Stellung um.
Ein kurzer Blick in die Runde - scheinbar hat niemand etwas gemerkt.
Klasse!

Das Blatt wendet sich. Du leitest den naechsten Schachzug ein, indem Du die hilfreichen Geister mit forschen Worten von Deinem Gefaehrt vertreibst. Mit einem vielsagendem Blick drehst Du dem Volk den Ruecken zu, gehst vor Deinem Triebwerk in die Hocke, den Koerper moeglichst nahe am Fahrzeug. Nun fuehrst Du die geuebte Hand an eine Stelle unterm Tank, wo nun wirklich niemand sehen kann, was Du da eigentlich machst. Tatsaechlich machst Du ja auch, von einem angestrengtem Gesicht einmal abgesehen, wirklich effektiv gar nichts. Nach cirka zwanzig Sekunden theatralisch hoechst wirkungsvollen Sekunden richtest Du Dich langsam wieder auf, jedoch nicht ohne darauf zu achten, dass sich Dein angestrengtes Gesicht langsam in ein nachdenkliches verwandelt. Es muss der Eindruck entstehen, als wenn Du vor Deinem geistigen Auge einen wahrlich hoechst komplizierten, technischen Vorgang Revue passieren laesst.

Auch hier sind zwanzig Sekunden ein guter Richtwert.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehst Du den Zuendschluessel, oeffnest erneut die Sprithaehne und klappst den Kickstarter heraus.
Die Situation ist hoechst spannungsgeladen, niemand spricht ein Wort. Du setzt an, kickst und zur Verblueffung aller faengt die Muehle an zu klappern. In aller Ruhe beginnst Du wieder mit dem Ankleiden, waehrend die Maschine ruhig bei 800 Touren vor sich hin poeppelt.

Sollte irgendein dreister Wicht es wagen, Dich auf die Fehlerquelle anzu- sprechen oder nach der eigentlichen Ursache zu fragen, so gibst Du ihm lapidar zu verstehen: "Entweder man kennt sein Moped oder man kennt es nicht." Daraufhin werden keine Fragen mehr kommen.
Du nimmst auf Deinem Lederbroetchen Platz - erhaben wie selten zuvor - schickst noch kurz einen weltmaennischen Gruss in die Runde und machst Dich in aller Ruhe vom Hof.

Du hinterlaesst eine nachdenkliche Menge, der Du wieder mal gezeigt hast, dass man wirklich nicht davor zurueckschrecken muss, ein klassisches Motorrad mit all seinen kleinen Mucken zu fahren.
Vorausgesetzt, man hat den noetigen Sachverstand...

Bis denne...

Jan


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Frank Schmidt

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