Eine
sehr interessante und meines Erachtens auch völlig zutreffende
Antwort auf die Frage nach dem FUN-Tauchen, wurde von
Peter Rachow in de.rec.sport.tauchen gegeben
Betreff: Re: Fun
Diving Von:"Peter
Rachow" <peter.rachow@t-online.de> Datum:Tue,
18 Feb 2003 13:36:57 +0100 Diskussionsforen:de.rec.sport.tauchen Path:
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de.rec.sport.tauchen
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Xref: news.eusc.inter.net de.rec.sport.tauchen:179209
Hallo Oliver,
>Ich habe
lange überlegt, ob ich diesen Thread ('tschuldige
>Peter -
Gedankengang ;-)) beginnen soll.
Thread =
Diskussionsprozess ;-))
>Es interessiert
mich brennend: was ist so verwerflich an
>der Tatsache,
daß Leute die Möglichkeit haben, schnell
>und einfach
tauchen zu lernen (bzw. das, was nach
>Meinung
vieler nichts mit tauchen zu tun hat)?
Verwerflich
ist daran gar nichts. Abzulehnen ist daran eine ganze
Menge,
denn Tauchen
ist keine Freizeitbeschäftigung, die man mal eben so
zwischendurch
machen kann. Es ist eine komplexe, anspruchsvolle
Freizeitbeschäftigung
mit vielen Anforderungen an den Ausübenden:
- Physikalisches,
medizinisches, biologisches und ökologisches Wissen
(um
nur mal
die wichtigsten Fachgebiete zu ennen)
- Technische
Kenntnisse
- Körperliche
Leistungsfähigkeit
- Handlungskompetenzen
über und unter Wasser, die durch langes Training
erworben
werden müssen
- Psychologische
Eigenschaften (innere Ruhe, Selbstdisziplin, Reife)
- u.v.m.
All diese
Eigenschaften, Kenntnisse und Fähigkeiten erwirbt man
nicht in
einem oder
zwei Kursen (plus x "Specialties"), um dann
alle paar Monate mal
einige Tauchgänge
herunterzureißen. Dafür ist Tauchen m. E. nach nicht
die
richtige
Beschäftigung. Entweder, man macht es richtig, oder
man lässt es.
Willkommen
also in der Ecke mit den ernsthaften Sporttauchern.
Auf der
anderen Seite findest Du dann die Ecke der "Fun-Fraktion".
Dort wird
suggeriert:
- Recreational
Diving is easy.
- Recreational
Diving is fun.
- Tauch'
im Urlaub, dort ist warm und sicher.
Meine Meinung
dazu ist: Recreational Diving is BULLSHIT.
Warum? Es
funktioniert prima, solange Du ausschließlich "Recreational
Diving"
machst, also Tauchunternehmungen veranstaltest, die
in die
Kategorie:
"Kann-man-theoretisch-auch-Apnoe-machen" fallen.
Die Natur,
bzw. das Element, in das Du Dich hineinbegibst, fragt
aber nicht,
"Bist
Du 'Recreational Diver' oder kann ich Dich als richtigen
Sporttaucher
ansehen?"Denn
dummerweise stimmen Anforderungen der Natur und die
Kompetenzen
des Einzeltauchers manchmal nicht überein. Die entsprechenden
Fähigkeiten
muss nämlich jeder selber mitbringen, der sich in das
Element
"Freiwasser"
begibt. Damit die Anforderungen aber nicht zu hoch werden,
und
es schön
einfach zu lernenist, hat man eben weltweit das Niveau
der
tauchsportlichen
Anforderungen auf unterstes Niveau abgesenkt: Das von
PAID.
- Nur noch
Flachtauchen
- Keine
Deko
- Nix Anspruchsvolles
Denn solange
alles "unter gleichen oder besser Bedingungen wie
bei der
Ausbildung
ist", bleibt alles im grünen Bereich. Leider können
diese am Ende
eines TG
anders sein als am Anfang. Dann kann man leider nicht
aussteigen
und sagen
"Bin nur Rec-Diver, ichmache mich mal vom Acker,
mir wird's zu
heftig gerade!"
Die Agenturen
sagen natürlich die Einschränkung mit den "gleichen
Bedingungen
wie in der Ausbildung" aber sie sagen nicht, dass
in der
Ausbildung
immer eine Anweiser dabei war. Letztlich heißt das nämlich
dan,
dass der
solcherart ausgebildete Hobbytaucher auch nur mit Anweiser
tauchen
darf. Eine
nackte Horrorvorstellung. Dieser Satz mit den "gleichen
Bedingungen"
ist m. E. nach der Offenbarungseid der modernen
Tauchausbildung.
Außerdem spricht er dem Taucher sämtliche
Selbstlernkompetenzen
ab. Der Satz bedeutet nämlich genau genommen: "Du
warst PAID-,
bist PAID- und wirst immer nur PAID-Diver sein."
Mit einer
Einschränkung
allerdings: "Machst Du einen Advanced-Kurs oder
ein Specialty
wirst Du
aufsteigen." PAID-Ausbildung sit wie Scientology:
Für jeden
"Erkenntnisgewinn"
wirst Du zur Kasse gebeten.
Modernes
Hobbytauchen ist also summa summarum von Inhalt und
Struktur nichts
anderes
als eine konsequente Antwort des Marktes auf die Bedürfnisse
von
zahlungskräftigen
Menschen, die im Urlaub etwas besonderes erleben wollen.
Das ist
aber kein Sporttauchen mehr, das ist Freizeitblubbern.
>Viele von
denen, die ich kennen gelernt habe, würden *niemals*
>ohne Guide
tauchen wollen. Sie akzeptieren ihn nicht nur -
>nein sie
fordern ihn!
Klar. Es
sind Konsumenten, die nichts anderes kennen gelernt
haben. Diese
Problematik
ich ähnlich neulich in einer Diksussion anlässlich der
Behandlung
des Textes "Schöne neue Welt" von Aldous Huxley
erlebt. Die Frage
war letztlich
die, ob diejenigen, die in der neuen Zeit dieses
antiutopischen
Romans leben, den völligen Verlust ihrer Individualität
überhaupt
als Sklaverei empfinden, weil sie ja nie etwas anderes
gehabt
haben.
>Nach dem
Motto: Rein ins warme, klare Wasser - Fische gucken
>(möglichst
nirgends ankommen) - raus aus dem Wasser.
>Nächster
Programmpunkt: was auch immer. Trifft das nicht
>den Kern
des "Fun Diving", ja der Spaßgesellschaft?
Doch, genau
das ist "Fun Diving". Der intensive, schnelle,
emotional-affektive
Genuss für den modernen Wohlstandsbürger, der dann
gleich zum
nächsten Trend weiter muss. Was können wir sonst noch
anbieten?
Mega-Mountain-Trekking?
Extreme-Wassertreting? Was kommt noch?
>Und wenn
90% das so wollen, dann sind übertriebene, einfach
>zu verstehende
bzw. zu merkende Regeln doch OK! Und wo
>ein Markt,
da finden sich auch Anbieter.
Es kann
aber nicht die Frage, sein, was der Markt erfordert.
Wenn es danach
ginge, müsste
man allerlei Schwachsinn verkaufen. Die Frage beim
Sporttauchen
ist aber, was muss jemand leisten können, um unter den
allermeisten
Umgebungsvariablen sicher Tauchen zu können und dabei
Tauchprofile
zu erzielen, die man auch als "Tauchgänge"
bezeichnen kann?
>Das Problem
sind aber genau diese Massen. Damit nur ja nichts
>passiert
werden die allgemeinen Grenzen sehr eng gesteckt.
Du hast
es verstanden.
>Und "ein
Checkdive ist obligatorisch unabhängig vom Ausbildungsstand".
>Glaubt wirklich
jemand, daß ein Guide nach dem Ausblasen der Maske
>und zweimaliger
Wechselatmung die Fähigkeiten eines Tauchers
>beurteilen
kann (mein letzter Checkdive)?
Ich glaube
es nicht und habe es nie geglaubt, denn es ist absoluter
Blödsinn.
Allerdings soll es Leute geben, die machen sich schon
vor dem
Fluten der
Maske (im warmen Wasser) in die Hosen. Damit filterst
Du also
genau die
3% absolut Unfähigen heraus. Die restlichen 97% dürfen
dann
"tauchen"
gehen.
>Die Fragen
bleiben nur: wo können die "Dauertaucher"
noch
>ungestört
tauchen? Habt ihr Ideen, wie das zu beherrschen ist?
Ja, es gibt
immer noch Refugien. Die großen Taucherverschiebebahnhöfe
wie
bei den
Herren Hof und Kühnelt (J&M) und "Moni Gelb"
in HRG, etc. gehören
garantiert
nicht dazu. Die haben sich voll auf "Fun-Diver"
und Massenbetrieb
eingestellt.
Ansonsten empfehle ich das Mittelmeer (insbesondere
Frankreich,
Malta&Gozo,
aber nicht Griechenland).
>Kann man
z.B. im Roten Meer oder auf den Malediven ohne Guide
>tauchen?
Im Roten
Meer ja, wenn Du entsprechend auftrittst und Erfahrung
vorweisen
kannst.
Auf den Malediven war ich nie und werde auch nie hinfahren.
Ein Land
mit einer
gesetzlichen Tiefenbegrenzung auf 30 m verletzt m. E.
nach die
Menschenwürde
in erheblichem Umfange. ;-)
>Welchen
Befähigungsnachweis verlangt man dann (den Ausdruck
>"Lügbuch"
habe ich erst beim Tauchen kennen gelernt und
>Kärtchen
kann man vergessen)?
- Brevet
(CMAS*** wird immer noch gerne genommen, besonders in
F)
- Taucherfahrung.
(Anzahl TG im Logbuch, ich schreibe absichtlich nicht
"Lügbuch",
weil ich keinen Scheiss da reinschreiben muss)
- Tauchverhalten
(Nur-Urlaubs- oder Ganzjahrestaucher?)
- persönliches
Auftreten (Man muss den Leuten 'rüberbrigen, dass man
weiß,
was man
kann und will und dass man sich von einem DM mit 300
TG nicht auf
der Nase
'rumtanzen lässt. Ich z. B. hänge bei dieser Gelegenheit
gerne das
arrogante
Arschloch raus ;-)))
vg Peter
--
http://www.peter-rachow.de