Frantz Fanon: Black Skin, White Mask
Außergewöhnliche Biographie des 1961 jung verstorbenen Anti-Kolonisten Frantz Fanon, der sich mit psychologischer Theorie und Unterstützung der algerischen Freiheitsbewegung FLN zu einem der wichtigsten VertreterInnen schwarzer Dritte-Welt-Befreier katapultierte.
1925
als Sohn eines gemischten Paares auf Martinique geboren, brach Frantz
Fanon als junger Erwachsener nach Frankreich auf, um der Resistance
beizutreten und sich in der Psychiatrie ausbilden zu lassen. Ernüchtert
vom Rassismus der Großstädte hinterfragte er seine kolonialistische
Schulbildung und verfasste 1952 seine Psychiatrie-These An Essay for
the Disalienation of Blacks, später umgetitelt in Black Skin,
White Masks. Darin befasste er sich mit der psychologischen, gegenseitigen
Abhängigkeit zwischen Kolonisierten und KolonialistInnen.
Fanon ließ sich von einer Psychiatrie in Blinda-Joinville anwerben. Im von Frankreich besetzten Algerien wollte er einen unmittelbaren Eindruck seiner Erkenntnisse gewinnen und behandelte psychisch erkrankte Menschen beider Seiten mit gleicher Leidenschaft. 1956 allerdings hängte er seinen Posten an den Nagel, um sich der Befreiungsbewegung Front National pour Libération (FLN) anzuschließen. Bei den FranzösInnen längst in Ungnade gefallen, unterstütze er die radikalste der Gruppierungen. Später gewann er die Position des Informationsministers für das Afrika der Sub-Sahara der algerischen Exil-Regierung und schrieb sein einflussreiches The Wretched of the Earth, dessen Veröffentlichung er 1961 aufgrund seiner Leukämie-Erkrankung nicht mehr erlebte.
Isaac Julien schuf nun einen politischen Meilenstein, indem er den facettenreichen Kämpfer erstmals einer filmischen Verarbeitung unterzog. Dabei fügte er Interviews mit Verwandten, Polit-Professoren und PsychoanalytekerInnen mit Archivmaterial Fanons und der Stationen seines Lebens zusammen, immer wieder umrahmt mit Verfilmungen bedeutungsvoller Momente und Erkenntnisse Fanons.
Dabei erweckt Julien gekonnt eine tiefgehende Erotik, überwiegend sehr maskuliner Natur. Frantz Fanon wird dadurch nicht zum Schwulenfilm, auch wenn die Anziehungskräfte des schwarzen Mannes auf weiße Frauen und Homosexuelle nicht unerwähnt bleiben. Vielmehr, als um die Gleichgeschlechtlichkeit, geht es um die Ambivalenz zwischen schwarz und weiß, ein zentrales Thema in Fanons Leben, Arbeit und Theorie. Die Entscheidung, die psychischen Auseinandersetzungen auch im Film zwischen Männern austragen zu lassen und sich dabei vor einer intensiven Körperlichkeit nicht zu verstecken, erweist sich als gelungen.
Insgesamt bleibt es schwierig einzuschätzen, was mehr zum filmischen Erfolg von Frantz Fanon: Black Skin, White Mask beiträgt: die Auswahl des interessanten Subjekts des Films oder Juliens meisterliche Inszenierung. Geschichtsfakten, vergangene Theorien mit aktueller Brisanz und erotische Anspielungen: in den richtigen Händen eine höchst ansprechende Dokumentationsform.
ki, Park City – Berlin
Foto ©: Arts Council Films MCMXCV
Gesehen während des:
Sundance Film Festival 1997
Außerdem gelaufen während der:
47. Internationalen Filmfestspiele Berlin
copyright: Queer View, 28. Juni 1997