Jiddische Musik aus Berlin




Aufwind - Jiddische Musik aus Berlin


Können Weiße den Blues spielen? Und dürfen Japaner Beethoven spielen? Mit Sicherheit ja! Aber dürfen Nicht-Juden jiddische Musik spielen?

"Wir glauben schon, daß wir das dürfen. Nur als wir in Zefat, der Stadt der Kabbala in Israel, einen Auftritt hatten, sind mehrere Ultra-Orthodoxe unter Protest gegangen, weil eine Frau auf der Bühne stand und sang." berichtet Andreas Rohde von der Ostberliner Klesmerband "Aufwind". Als erste ausländische Klesmer-Gruppe wurde "Aufwind" 1990 zum Klesmermusikfestival ins Heilige Land eingeladen. Aufwind entstand 1983 als Trio. Claudia Koch (Gesang, Violine), Hardy Reich (Gesang, Mandoline) und Andreas Rohde (Gesang, Bandoneon, Gitarre, Percussion) fingen vor 15 Jahren mit jiddischen Antikriegsliedern an. Obwohl die drei Musiker die Friedensproblematik nicht-sozialistisch bearbeiteten, durfte die Gruppe als "Volkskunstkollektiv" in der DDR auftreten. 1988 kamen der Klarinettist Jan Hermerschmidt und der Bassist Heiko Lehmann zur Band hinzu. Seither setzten sie sich intensiv mit der jiddischen Sprache und Liedkultur auseinander.

Die jiddische Sprache entwickelte sich aus dem Mittelhochdeutschen. Im 15. Jahrhundert wurden Juden nach Osteuropa verdrängt. Das Deutsch-Hebräische wurde mit slawischen und romanischen Elementen durchsetzt. Wenn man zum Beispiel "meschugge" ist, wenn man "maloochen" geht, so denkt man jiddisch. Klesmer ist die Instrumentalmusik der osteuropäischen Juden, deren Stil sich über Jahrhunderte entwickelt hatte. Klesmer war immer Alltagsmusik: Musikanten zogen allein mit ihren Instrumenten über die Dörfer und spielten, wo man sie hören wollte, auf Festen, Hochzeiten und Feiertagen außerhalb der Synagogen. Marc Chagall hat dieses Leben in seinen Bildern unvergeßlich festgehalten. Doch die Deutschen haben diese europäische Kultur praktisch ausgerottet. Die jiddischen Volkslieder waren bis 1945 kaum auf Platten oder Partituren dokumentiert. Nach dem Schock der Shoa begannen weltweit Musiker, mühsam die schlagartig verstummte Klesmermusik zu rekonstruieren und wiederzubeleben. Sie müssen dabei bis heute immer wieder die Gradwanderung zwischen Authentizität und Neuinterpretation gehen. Bei den amerikanischen Musikern wie dem "New Klezmer Trio" oder "John Zorn's Masada" ist die Verwandtschaft zum Jazz unüberhörbar. Alan Bern von "Brave old world" ist auch als Jazz-Pianist bekannt. Die amerikanischen Klesmermusiker kommen oft nach Deutschland. "Auch in den USA kann man nicht von Klesmer leben. Das können vielleicht nur die berühmten Epstein Brothers." sagt Andreas Rohde. Es klingt paradox: Heute gibt es für jiddische Musik gute Bedingungen gerade in dem Land, von dem die Vernichtung dieser Musik ausging. Die Stadt der Wannsee-Konferenz hat sich zu einem Mikrokosmos jiddischer Musik entwickelt. In Berlin wird regelmäßig Klesmer gespielt. Im Hackeschen Hoftheater kann man jede Woche der jiddischen Musik lauschen. "Es gibt hier etwa 10 ernstzunehmende Sets. Und das Verhältnis der Musiker untereinander, zum Beispiel zu Karsten Troyke oder Jalda Rebling, ist gut." sagt Andreas Rohde.



"Aufwind" kommt gerade von einer 11-tägigen Ostsee-Tournee zurück. Fast die Hälfte ihrer Auftritte machen sie in Kirchengemeinden. Manchmal werden sie auch zu Symposien als Kulturbeitrag eingeladen. Von 1992 bis 1995 wirkte die Gruppe bei der erfolgreichen Inszenierung von "Ghetto" und 1994/95 bei "Schneider und Schuster", beide von Joshua Sobol, am Berliner Maxim Gorki Theater mit. Schon vier CDs sind von "Aufwind" erschienen. "Zur Zeit erarbeiten wir ein neues Programm. Wir müssen immer weiter forschen und jiddische Lieder finden. Eventuell wollen wir dann auch ein Kinderstück mit jiddischen Kinderliedern aufführen." berichtet Andreas Rohde über die weiteren Pläne der Klezmer-Gruppe. Die Berliner Gruppe "Aufwind" ist der hörbare Beweis, daß auch "Gojim" Klezmer spielen können.

"Aufwind", Andreas Rohde, Tel.+Fax: 030/ 443 45 18, E-mail: Aufwind@bigfoot.de


Seit kurzer Zeit hat Aufwind auch eine eigene Homepage unter http://aufwind.freepage.de



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