Erlaßjahr 2000


von Thomas Klatt


Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) in Genf ist so alt wie die D-Mark. Genau vor 50 Jahren haben sich die Christen interkonfessionell zusammengeschlossen. Heute gehören dem ÖRK über 330 Kirchen und Gemeinschaften an. Die Römisch-Katholische Kirche besitzt nur Beobachterstatus. Dennoch hielt der Katholik und Ökumeneexperte Dr. Horst Goldstein das Einführungsreferat beim Ökumenetag in der Berliner Marienkirche, zu dem der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg eingeladen hatte.

Etwa 120 Gäste stimmten der Forderung zu, daß das Jubeljahr zum Erlaßjahr 2000 für die armen Länder werden müsse. Denn schon das Alte Testament ruft in Leviticus 25 zum Jubel- und Erlaßjahr auf: alle 50 Jahre sollen Schulden erlassen und Schuldsklaven freigelassen werden. Kleinbauern soll ihre Lebensgrundlage zurückgegeben werden, indem sie auf ihr vorher gepfändetes Land zur freien Arbeit zurückkehren können. "Der Schraubstock der Zinssklaverei muß für die verschuldeten Länder des Südens abgeschafft werden." sagte Horst Goldstein. Doch schon im alten Israel wurde nach heutiger Kenntnis dieses Erlaßjahr nie durchgeführt. Jeglicher Kapitalismus funktioniert auf der Basis von Zins und Rendite. Ist die Schuldenamnestie also reine Utopie und wirtschaftskapitalistischer Nonsens? "Das Problem ist weniger ein wirtschaftliches als ein menschliches. Wie lange soll das noch gut gehen?" fragte Goldstein.

In Sambia zum Beispiel behindert der Schuldendienst die Gesundheitsversorgung. Die Lebenserwartung sank und die Kindersterblichkeit stieg in den letzten 10 Jahren dramatisch. "Wo ist heute die Menschenfreundlichkeit Gottes zu finden? Christus ist ein Messias der Armen. Sowohl Luther als auch die katholische Soziallehre wehren sich gegen den Zins und Wucher wider Christi." Die Würde des menschlichen Lebens und die Solidarität der Gemeinschaft müssen gegen eine pure Leistungs- und Wettbewerbsgesellschaft stehen. Die Weltgesellschaft bete nicht Gott, sondern den Mammon an. Der homo oeconomicus stehe im Widerstreit zur Ebenbildlichkeit des biblischen Gottes.

Der ÖRK fordert daher schon seit Jahren konkrete Entschuldungsprogramme für die armen Regionen dieser Welt ein. Zwischen Gläubigern und Schuldnern sollten neutrale Schiedsstellen eingerichtet werden. "Die Kirchen und Banken verhandeln derzeit mit Tony Blair über das internationale Schuldenproblem. Auch in Deutschland sollte nach der Bundestagswahl ein Gespräch zwischen Regierung und Kirchen über die Schuldentilgung möglich sein." forderte Horst Goldstein. Nach deutscher Insolvenzverordnung kann sich kein Bürger zum Hungertode verschulden, denn ein Existenzminimum muß gewahrt bleiben. International existiert solch ein Lebensschutz für die Schuldnerländer nicht. Ein Land kann keinen Konkurs anmelden. Bis heute haben die Grundversorgung der Bevölkerung und der schonende Umgang mit den Landesressourcen zurückzustehen hinter einem unbegrenzten Schuldendienst. Mit der Idee des "Erlaßjahr 2000" geht es um einen Neuanfang für ca. 1 Milliarde Menschen, die in lebensbedrohender Armut leben. Auch Deutschland wurde 1953 im Londoner Schuldenabkommen ein großer Teil seiner Vor- und Nachkriegsschulden erlassen, damit die D-Mark eine starke Währung werden konnte. "In God we trust" und "God met ons" stehen auf den amerikanischen und niederländischen Münzen. Die Deutschen trauern ihrer alten Währung nach. Ob die neue Euro-Währung ohne den lieben Gott auskommen wird?

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