Australien im Wohnzimmer


Rezension

von Thomas Klatt

Am Anfang war der Traum und in diesem Traum haben Ahnen und Götter die Erde geformt und ihre inneren Kräfte in sie hineingelegt. Und der Mensch wurde erschaffen, um die natürliche Umwelt zu erhalten und sich ihr anzupassen. Denn die Erde schenkt einem Menschen das Leben, gibt ihm seine Nahrung, seine Sprache und Intelligenz; und die Erde nimmt ihn zurück, wenn er stirbt. Die Aborigines sagen: " Und wenn man die Erde verwundet, verwundet man sich selbst - wenn andere die Erde verwunden, verwunden sie Dich."

Der deutsche Photograph Helfried Weyer hat ein Buch über Australien gemacht und dabei den Zusammenprall zweier Welten in über 160 Photos großformatig dokumentiert. "Wir Menschen aus dem Abendland, ganz der modernen Wissenschaft verfallen, haben natürliche Wälder gerodet und die Erde aufgerissen, um sie zu bepflanzen. Wir haben Tiere gehalten, um sie zu schlachten und Häuser gebaut, um uns von der eigenen Umwelt zu isolieren. Wir nennen das Zivilisation. Aborigines dachten und handelten anders. Sie betrieben keine Landwirtschaft, bauten keine Häuser und waren auch keine Kaufleute. Für die Anhäufung von Besitz gibt es in der Sprache der Aborigines keine Vokabel und in unserer importierten und ihnen aufgezwungenen Zivilisation sehen die Ureinwohner Australiens nichts anderes als eine Verwandlung der Traumzeit der Erde in einen Alptraum, der eines Tages zum Chaos und dann zum Untergang führen wird." schreibt Helfried Weyer in seiner Einleitung. Der Beginn der Geschichte der Aborigines (ab origine = "von Anfang an da") liegt im Dunkeln. Zu Beginn der Kolonialzeit 1788 lebten etwa 300.000 Ureinwohner in etwa 600 Stämmen auf dem Kontinent. Heute machen etwa 180.000 Aborigines noch 1% der australischen Gesamtbevölkerung aus. Lange Jahre wurden Aborigines von den Weißen wie Freiwild behandelt. Erst in letzter Zeit wurde ihre Lebensart geschützt. 1976 trat der "Aboriginal Land Rights Act" in Kraft. 1985 wurde ihnen ein großes Reservat um Uluru (Ayers Rock) zugestanden. In beiden Fällen haben sich Weiße und die Ureinwohner darauf verständigt, daß alle touristisch genutzten Gebiete im Land der Aborigines für 99 Jahre der Weltöffentlichkeit als Nationalpark offen stehen.

Das Buch wird zum Genuß, wenn der Betrachter zeitgleich die beigefügte CD mithört. Die drei deutschen Musiker Maik Madsen, Sebastian Pfausch und Stefan Werner haben das Didgeridoo erlernt und auf 9 Titeln in sphärische Meditationsklänge eingebunden. Das Didgeridoo ist vermutlich das älteste Musikinstrument der Welt. Der Bläser fühlt sich tief ein in die Geräusche der Natur und spielt die dann auf dem Didgeridoo möglichst naturgetreu nach.

Helfried Weyer sieht Australien durch die Linse und mit seinem ihm eigenen Farbempfinden. So teilt er den Kontinent neu ein: der goldene Westen, der weiße Süden, das ockerrote Zentrum, das tropische Grün des Nordens, das Türkis im Osten und endlich das einmalige tasmanische Blau. "Die Farben Australiens liegen nicht in den von Menschen gemachten Metropolen und Autobahnkreuzen, sondern im Land und an seinen Küsten, dort, wo Australien in der Traumzeit entstanden und gewachsen ist." schreibt er.

Das gesamte Buch ist zwar nicht billig, aber es ist immer noch eine vergleichsweise kostengünstige Reise durch Australien vom Wohnzimmer aus.

Helfried Weyer, Farben und Klänge Australiens, Umschau Buchverlag, Frankfurt am Main 1997, 160 Seiten, 160 Photos, Musik-CD, Festeinband mit Schutzumschlag, ISBN 3-524-67091-1, 128 DM

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