Freundschaftsspiel 1959: Spandauer SV 1894 - SC Dynamo Berlin 0:0

Dynamo-Stürmer ohne die nötige Dynamik
Der SC Dynamo Berlin hat in Westberlin eine ausgezeichnete Resonanz. Am vergangenen Mittwoch kamen, ohne daß es von den Westberliner Sportzeitungen popularisiert wurde, zum Sportplatz an der Neuendorfer Straße in Spandau trotzdem über 4.000 Zuschauer, um das Spiel ihres SSV gegen den SC Dynamo mitzuerleben. Zwei starke Abwehrreihen standen verhältnismäßig schwachen Stürmern gegenüber. Enttäuscht war man von dem Dynamo-Sturm, der in dieser Begegnung seinem Namen wenig Ehre machte. Nur Nationalspieler Günter Schröter erfüllte in diesem Quintett die Erwartungen. Zwar muß man sagen, daß der SC Dynamo insgesamt gesehen die spielerisch bessere Mannschaft war und auch auf Grund einer überlegen geführten zweiten Halbzeit den Sieg verdient gehabt hätte. Mühlbächers kapitaler Querlattenschuß aus 25 Metern in der 87. Minute und Velebiels Großchance eine Minute später wären dem Gastgeber beinahe noch zum Verhängnis geworden. Der SSV kämpfte von Anfang an aufpopfernd, wollte unbedingt ein achtbares Ergebnis gegen Dynamo herausholen. Daß ihm dieses Vorhaben gelang, haben sie vor allem dem vom Eintracht Braunschweig gekommenen Güttgemanns sowie Torwart Sauer zu verdanken.

Als ich nach den 90 Minuten am Mittwochabend den Sportplatz in Spandau verließ, mußte ich wehmütig an die Dynamo-Elf zurückdenken, die vor einigen Jahren mit dem Sturm Holze, Schröter, Hänsike, Möbius und Matzen bedeutend schneller und erfolgreicher spielte. Dieser Sturm hätte auch gegen den heutigen SSV einige Tore geschossen. Günter Schröter ist der einzige, der von diesen fünf noch übriggeblieben ist. Und das ist bezeichnend: Er ist mit seinen 33 Jahren noch heute der überragende Mann im Dynamo-Sturm. Es klingt zwar hart. Die Quest, Schäffner, Basel und Hofmann besitzen eben zu wenig Fußballverstand, um die Ideen ihres Kapitäns in Tore umzumünzen. Im Gegensatz zum Sturm neige ich zu der Meinung, daß Dynamo noch nie eine so gute Hintermannschaft besaß wie gerade jetzt. Dorner, Heine und Skaba bilden im Verein mit Willy Marquardt oder Heinz Klemm einen ausgezeichneten Abwehrblock. Das Spandauer Spiel zeigte also erneut, wo zur Zeit die Schwäche des SC Dynamo liegt: nämlich im mangelhaften Sturmspiel. Hier muß, will man leistungsmäßig weiterkommen, unbedingt ein Wandel eintreten.

Spandauer SV 1894:
Sauer; Pohl, Güttgemanns, Ermler; Zernikow, Perlitt; Zühl (46. Ziegler), Knöfel, Scheer, Rösler, Block
SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Hofmann, Basel (75. Velebiel), Schäffner, Schröter, Quest

Schiedsrichter:        Slama (Berlin-West)
Zuschauer              4.000


Hans Wolfrum, Neue Fußballwoche, 01.09.1959