Aufsichtsrat und Sponsor Thomas Thiel wegen Kindesmissbrauchs in Haft / Zerstört dieser Mann TeBe? Oberliga-Spitzenreiter Tennis Borussia bangt um Image & Geld

Unglaublich, unfassbar und einfach widerlich! Der Berliner Fußball wird von einem Skandal um ein Aufsichtsrats-Mitglied von Oberligist Tennis Borussia erschüttert. Thomas Thiel, gleichzeitig Vertreter des Trikot-Sponsors "Treasure AG", hat in je zwei Fällen seinen eigenen, damals acht Jahre alten Sohn sexuell missbraucht sowie Schutzbefohlene misshandelt und wurde rechtskräftig zu drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Ein Jahr lang gelang es dem 40-Jährigen, sich der Justiz zu entziehen. Jetzt wurde er in Bernau verhaftet. Sepp Herberger, Hänschen Rosenthal, Jack White - große Namen verbinden sich mit dem Charlottenburger Traditionsverein. Dem Klub aus feinen West-Berliner Gesellschaftsschichten, der sich gerne mit einem Heiligenschein verziert und anders (sprich: besser) als andere sein will.

Umso katastrophaler sind die Enthüllungen. Thomas Thiel kam 2007 am Rockzipfel des neuen Präsidenten Mario Weinkauf an den Eichkamp. Als Vertreter der "Treasure AG", einer Finanzanlage-Firma, die unglaubliche Renditen verspricht und gleich mal 1,5 Millionen Euro zusagte. Eine Million ist nach KURIER-Informationen wirklich geflossen. TeBe bastelte sich damit die Oberliga-Erfolgself dieser Saison zusammen, steht mit 21 Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze. Gerüchte, dass zuletzt Zahlungen der "Treasure AG" ausblieben, dementiert TeBe energisch. Unglaublich, dass Thiel als Zuschauer vieler TeBe- und anderer Oberliga-Spiele während der ganzen Erfolgsphase sein dunkles Geheimnis mit sich herumtrug.

Im April 2008 hätte er die Haftstrafe in Hamburg antreten müssen. Weil das nicht passierte, wurde der TeBe-Funktionär bundesweit zur Fahndung ausgeschrieben. Warum es ein Jahr dauerte, ehe der Zugriff durch Zielfahnder erfolgte, ist eine der großen Fragen. Die zweite Frage ist, ob TeBe diesen Skandal überleben kann. Der Klub ging schließlich schon der betrügerischen "Göttinger Gruppe" auf den Leim. Auch jetzt könnte ein eventueller Ausfall des Sponsors schlimme Folgen haben. Und das Entsetzen darüber, für schnelle Kohle einen Kriminellen in Amt und Würden aufgenommen zu haben, wird das Vereinsgefüge in den Grundfesten erschüttern.

Das sagt der DFB
Tennis Borussia wird derzeit vom Deutschen Fußball-Bund im Rahmen des Zulassungsverfahrens für die Regionalliga durchleuchtet. Der Jahresetat von rund 1,3 Millionen Euro - für geschätzte 500.000 Euro soll die Firma "Treasure AG" geradestehen - ist dabei der Hauptprüfungspunkt. Doch auch mit den schmutzigen Enthüllungen über Aufsichtsrat Thomas Thiel muss sich der DFB beschäftigen, seit er gestern vom KURIER davon erfuhr. DFB-Sprecher Klaus Koltzenburg beschreibt das Vorgehen: "Wenn während des Zulassungsverfahrens neue, wichtige Erkenntnisse auf den Tisch kommen, müssen wir das natürlich prüfen. Das kann einige Tage dauern, dann wird dem Verein ein Fragenkatalog übermittelt, der zeitnah beantwortet werden muss." Gut möglich, dass der DFB im Rahmen der neuerlichen Prüfung der TeBe-Unterlagen auch noch einmal die Seriösität der "Treasure AG" unter die Lupe nimmt. TeBe wartet jedenfalls sorgenvoll auf Post aus Frankfurt/Main.

Das sagt der Verein
Mario Weinkauf war mal Präsident beim BFC Dynamo. Doch dann wollten die Weinroten die "Treasure AG" nicht - und Weinkauf machte rüber zu Tennis Borussia. Gestern wirkte er geschockt über die Kindesmissbrauchs-Enthüllungen im Fall Thomas Thiel und wiederholte fast stereotyp immer wieder einen Satz: "Der Spnsorenvertrag von Tennis Borussia wurde mit einer Firma geschlossen, nicht mit einer Privatperson." Doch ganz TeBe ist klar, was die Verhaftung des Aufsichtsrats und Trikotsponsor-Vertreters bedeuten kann. Am Wochenende treffen sich Präsidium und Rest-Aufsichtsrat zu einer Krisensitzung, wollen die Lage und mögliche Auswirkungen besprechen. Der KURIER erfuhr: TeBe sucht seit Wochen händeringend nach neuen Sponsoren, um einen möglichen Ausfall der Gelder der "Treasure AG" ausgleichen zu können. Hängt der sportliche Erfolg an diesem seidenen Faden?

Das sagen die Anwälte
Frankfurt/M. - Unabhängig von der Verurteilung wegen Kindes-Missbrauchs sind Wirtschaftsanwälte auf der Jagd nach Thomas Thiel wegen dessen Geschäftsgebaren bei den Firmen "Treasure AG" und "Euroventa AG Ltd". So informiert die Frankfurter Kanzlei Winheller regelmäßig auf ihrer Internetseite unter "Aktuelles" über neue Verdachtsmomente. Rechtsanwalt Andreas Warkentin: "Die versprochenen Renditen diverser Anlagemodelle sind nur mit dem Wort unseriös zu bewerten. Die Geschäfte, die von der Firma Euroventa beschrieben werden, gibt es auf dem Finanzmarkt gar nicht. Beim Landgericht Mainz ist mittlerweile ein Zivilverfahren anhängig, weitere Klagen sind in Vorbereitung. Die Staatsanwaltschaften Hamburg und Erfurt ermitteln wegen des Verdachts der Geldwäsche bzw. des Betruges." Beträge von 20.000 bis weit über 100.000 Euro wurden in der Hoffnung auf Super-Renditen angelegt. Doch die Versprechungen erfüllten sich nicht. Rechtsanwalt Warkentin rät allen Geschädigten, schnellstens ihre Ansprüche geltend zu machen.

Das sagt die Konkurrenz
Der BFC Dynamo als Tabellenzweiter der Oberliga würde von einem TeBe-Kollaps profitieren, könnte dann trotz des sportlichen Scheiterns in die Regionalliga aufsteigen. Der Klub, der Thomas Thiel und seine "Treasure AG" im Juni 2007 aus dem Sportforum jagte, nachdem die Finanzjongleure den Nachfragen diverser BFC-Mitglieder nur ausweichend antworteten, beantragte vorsorglich die Zulassung zur vierthöchsten Spielklasse. Dennoch sind auch BFC-Vertreter von den Enthüllungen bei TeBe geschockt. Wirtschaftsrats-Mitglied Daniel Hübscher appelliert an diejenigen BFCer, die sich jetzt in Häme ergehen: "Ich bitte euch Ruhe zu bewahren! Das Thema ist viel zu sensibel, als dass wir uns das Recht rausnehmen dürften darüber zu urteilen noch zu spekulieren. Fakt ist, dass TeBe sportlich alles richtig gemacht hat und nach dieser beeindruckenden Saisonleistung zu Recht als Aufstiegskandidat praktisch feststeht."


Andreas Lorenz, Berliner Kurier, 18.04.2009