Das Ziel ist die Dritte Liga / Beim Oberligaduell zwischen Tennis Borussia und BFC Dynamo geht es um mehr als den Aufstieg

Nur wenigen Menschen wird ein eigenes Lied gewidmet. Meist ist das eine Ehre. Auf seinen persönlichen Song hätte Mario Weinkauf jedoch verzichten können. Rap-Musiker namens "Grup Götting", aus der Fanszene des Oberligisten Tennis Borussia, dessen Vorsitzender Weinkauf ist, stellten ihn ins Internet. Der Titel ist unter der Gürtellinie, der Text beleidigend, in den noch harmlosesten Passagen wird der Vorstandschef als "BFC-Faschist" verunglimpft, der den Verein verlassen soll: "Wir hassen dich!" Doch, erstaunlich: Mario Weinkauf reagiert gelassen. "Eines habe ich hier gelernt", sagt er, "es gibt auch linke Hooligans. Die sehen mich als ehemaligen Anführer einer Nazikolonne." Weinkauf ist ein Wandler zwischen den Fußballwelten. Bis 2007 war er drei Jahre lang Präsident des Berliner FC Dynamo - der Klub hat sein Image weg, als früherer Stasi-Klub und heutiger Hort von Neonazis.

TeBe hat eine überwiegend bürgerliche Klientel, aber auch eine linke Szene. Für Weinkauf, der von beiden Seiten regelmäßig attackiert wird, ist somit das Spitzenspiel der Oberliga am Sonntag (14 Uhr, Mommsenstadion), des Tabellenführers gegen den Zweiten BFC, ein besonders emotionales Duell. Der Manager eines Telekommunikationsunternehmens wird oft gefragt, warum er die Fronten gewechselt hat. "Hier geht es doch nicht um Politik, sondern nur um Sport", sagt er dann, er habe Spaß daran, einen Verein zu entwickeln. Doch da ist zweifellos mehr als die Freude am Ehrenamt. Um Weinkaufs Ehrgeiz zu verstehen, lohnt ein Rückblick. Er hat versucht, den BFC wieder gesellschaftsfähig zu machen. Damit ist er gescheitert, nun könnte ihm Erfolg mit TeBe durchaus Genugtuung verschaffen. Beim BFC wollte er Sponsoren aus der rechten Ecke loswerden, Gewalttäter resozialisieren. Damit eckte er an. Im Mai 2006 schlug die Szene zurück, provozierte einen Spielabbruch gegen Union. Dynamo entging nur knapp dem Zwangsabstieg.

"Danach ist der Hauptsponsor abgesprungen, wir waren zahlungs- und handlungsunfähig", sagt Weinkauf. Er wurde entmachtet, musste den Klub in die Hände einer Wirtschaftsgruppe geben, die "eine sehr große Nähe zur Hooliganszene" habe. Die Rede ist von Peter Meyer, Chef des Wirtschaftsrates beim BFC, Hauptsponsor und größter Gläubiger des Vereins, der aus seiner Vergangenheit keinen Hehl macht. Für einen Platzsturm im Jahr 2004 stand er vor Gericht, wurde aber freigesprochen. Der Unternehmer hat durchaus Bemerkenswertes geschafft: Beim BFC gab es seit zweieinhalb Jahren keine Ausschreitungen mehr. Seine Botschaft an die Basis: Wenn ihr keine Ruhe gebt, gebe ich kein Geld mehr! Die Berliner Polizei spricht von einem "Bemühen der Vereinsführung", aber auch davon, dass "der zum Teil aggressiven Stimmung der BFC-Fans auch in jüngster Vergangenheit nur durch Bereitstellung von Kräften in ausreichender Zahl" begegnet werden könne.

Das Spiel gegen TeBe wurde von der Polizei eigens auf den Sonntag verschoben, damit mehr als 500 Beamte eingesetzt werden können. Die Partie ist auch brisant, weil der BFC bereits acht Punkte Rückstand hat. Weinkauf sagt: "Wenn wir gewinnen, ist es für uns die halbe Miete zum Aufstieg. Für Dynamo geht es um die letzte Chance." Für Weinkauf ist eines klar: "Wer von uns beiden in diesem Jahr, nach diesem Kraftakt, nicht aufsteigt, bleibt noch auf Jahre fünftklassig." Der Aufstieg in die Regionalliga wäre für Weinkauf die Chance, Kritiker zu überzeugen. Die beäugen ihn auch argwöhnisch, weil er den geheimnisvollen Hauptsponsor Treasure AG zu TeBe gebracht hat. Der Klub ist schließlich geschädigt durch die Göttinger Gruppe, die bei den Veilchen vierzig Millionen Euro verlochte - und dann nur noch eine Hülle hinterließ.

Die Treasure AG, ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, steuert auch in dieser Saison wieder eine halbe Million zum offiziellen Etat von 800.000 Euro bei. Doch nach wie vor ist die Firma eine große Unbekannte, die den Mitgliedern des BFC, wo Weinkauf den Sponsor zuerst unterbringen wollte, als zu dubios erschien. Es erschließt sich nicht, warum die von vielen Spekulationen begleitete Treasure AG Sponsoring bei TeBe betreibt. "Die wollen gar nicht, dass man groß etwas über sie weiß", sagt nun Weinkauf: "Das Unternehmen beschäftigt sich mit Warenhandel und Firmen-Beteiligungen im weitesten Sinne." Er spricht von Geschäften "auf einer anderen Ebene, von denen keiner was merkt". Der (Mit-)Inhaber der Treasure AG, Thomas Thiel, sitzt auch im Aufsichtsrat von TeBe. Die Firma hält Anteile an der TeBe-Sportmarketing GmbH, beim Gang in den großen Fußball sei auch für den Gönner eine Rendite drin, so Weinkauf: "Die dritte Liga ist das Ziel für die nächsten Jahre. Berlin hat mehr verdient als nur Union und Hertha."


Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 06.12.2008