Von Machthabern und Marionetten / Der Oberligist BFC Dynamo wirtschaftet immer dubioser - der Berliner Fußballverband schaut zu

Am Morgen danach war bei Volkmar Wanski das Entsetzen immer noch nicht gewichen. Die sechsstündige Mitgliederversammlung des Berliner FC Dynamo ließ für ihn nur einen Schluss zu: "Jetzt herrscht bei uns das reinste Chaos", sagte der Bauunternehmer, derzeit noch Präsident. Allerdings wohl nur noch wenige Tage. Sein Plan und der seines Vorgängers Mario Weinkauf, den Oberligisten mit neuer Führung und einer Investorengruppe in eine bessere Zukunft zu führen, ging laut Wanski unter in "Scheiß Union!"-Rufen, die kamen, wenn der starke Mann des BFC, Peter Meyer, in seiner Rede auf den Lokalrivalen schimpfte. "Es ging nicht um Inhalte, das war nur Populismus", sagte Wanski: "Der BFC driftet in eine immer dunklere Ecke, aus der ihn bald keiner mehr herausführen kann." Jetzt haben beim DDR-Rekordmeister die Juristen das Wort.

Die eine Seite bezweifelt, dass Wanski, erst am Freitag zum Präsidenten bestellt, überhaupt rechtmäßiger Vereinschef sein darf. Wanski selbst lässt anwaltlich prüfen, was seiner Ansicht nach nicht satzungskonform ist: Bei der Versammlung wurden Präsidiumsmitglied Weinkauf und Vizepräsident Andreas Dielert per Misstrauensantrag abgewählt. "Vereinsschädigende Äußerungen" wurden Weinkauf vorgeworfen, der drei Jahre lang vergeblich versucht hat, Dynamo aus dem Dunstkreis von Rockern, Nazis und Hooligans zu befreien - und dessen letzter Schachzug, Wanski zu bestellen, auch nicht aufging. Im Vorstand sitzen aktuell neben Wanski noch Schatzmeister Sven Radicke und Wolfgang Engelmann, ein Vertreter der Investorengruppe, die beim BFC einsteigen will. Weil diese sich aber nicht darstellen wollte, blieben auch viele neutrale Mitglieder skeptisch. Nur ein Firmenname aus der Gruppe wurde bekannt, er steht in der Schweiz für Erotikhandel.

Auch Engelmanns Legitimation, im Vorstand zu sitzen, wird von Juristen überprüft. Denn Meyer möchte ein Präsidium nach seinem Gusto zusammenstellen. Am Sonnabend übernahm er den Vorsitz des Wirtschaftsrates, seine sechs Kandidaten rückten ihm nach, Weinkaufs Kandidaten fielen durch. "Eine abgekartete Sache", sagt Wanski, "in letzter Zeit sind auffallend viele neue Mitglieder eingetreten, die alle für Meyer gestimmt haben." Das passt ins Gesamtbild der dubiosen Ränkespiele in Hohenschönhausen. Unhaltbare Zustände bei einem Amateurklub, der nicht mehr viel mehr besitzt als den Namen. Der Berliner Fußballverband schaut zu, wie ein Traditionsklub unter seinem Dach nebulös wirtschaftet. Obwohl Weinkauf bis Freitag Präsident war, führte Hauptsponsor Meyer die Geschäfte in Eigenregie. Weinkauf konnte bei der Versammlung nicht einmal einen Rechenschaftsbericht abgeben - in Unkenntnis der Zahlen.

Tags darauf verbreitete der Verein eine Mitteilung, in der Meyer, der keinen Hehl aus seiner Nähe zu vielen Alt-Hooligans macht, erklärte, er wolle den "eingeschlagenen Erfolgsweg der vergangene Monate fortsetzen". Die Rede ist von der "Politik der kleinen Schritte" unter Meyers Firma als Hauptsponsor. Das Ziel sei die Regionalliga. "Mit welchem Geld?", fragt Wanski. Meyer habe zwar mit rund 110.000 Euro Etat-Löcher gestopft, "aber das war kein Sponsoring, das sind nur Darlehen. Meyer weiß noch nicht, wie er den künftigen Etat überhaupt decken soll." Wanskis Tendenz ist klar: "Wenn ich als Präsident nur eine Marionette wäre, wonach es aussieht, werde ich wieder gehen.” Noch warten die potenziellen Geldgeber die nächsten Gespräche ab. Angesichts der alten und neuen Machtverhältnisse ist eine Absage aber eine Frage der Zeit. "Viele Mitglieder ahnen nicht", sagt Wanski, "dass der BFC womöglich seine letzte Chance verspielt hat."


Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 25.06.2007