Ein taktischer Schachzug / Der BFC Dynamo hat einen neuen Präsidenten

Dieser Tage wurde ein Schriftverkehr zwischen Mario Weinkauf und dem Geschäftsführer des Nordostdeutschen Fußballverbandes, Holger Fuchs, öffentlich. Man darf getrost von einem Hilferuf sprechen. Weinkauf nannte die Namen einiger einflussreicher Herren beim BFC Dynamo und bat darum, der NOFV möge den Klub nicht diesen Leuten überlassen, die sich unter anderem der Volksverhetzung und der Körperverletzung schuldig gemacht hätten. "Ich fühle mich im Regen stehen gelassen", schrieb Weinkauf, er benötige "konkrete Unterstützung gegen gewaltbereite Hooligans, Nazis- und erlebnisorientierte Jugendliche". Die erhoffte Unterstützung blieb aus. Auch vom Berliner Fußballverband sei er enttäuscht, sagt Weinkauf. Am Freitag trat er als Präsident des DDR-Rekordmeisters zurück. Auf den ersten Blick schien nun, vor der Mitgliederversammlung am Sonnabend das Feld frei für Peter Meyer, der wegen eines Platzsturmes in Babelsberg schon vor Gericht stand, und seine "Freunde der dritten Halbzeit", einer Gruppe von Alt-Hooligans.

Meyer ist derzeit Hauptsponsor und hatte den Verein in dessen größter finanzieller Not quasi im Handstreich übernommen. Obwohl er, wie der Klub nun mitteilte, entgegen bisheriger Angaben nie Mitglied des Vorstandes gewesen sei. Weinkauf besaß unter Meyer zuletzt nicht einmal mehr Einblick in die Buchhaltung - der Preis für dessen Finanzspritzen. Meyer wollte nun die völlige Macht, auch offiziell. Doch Weinkauf zog überraschend noch ein Ass aus dem Ärmel: Das Präsidium um ihn hievte jetzt Volkmar Wanski (55) als neuen Klubchef ins Amt. Der Bauunternehmer war bis 2000 fünfeinhalb Jahre Präsident. Er besitzt bei Fans und Sponsoren viel Kredit. Dass er nun den BFC weiter führt, statt des von Meyer als Feindbild auserkorenen und in einer Schlammschlacht beschädigten Weinkaufs, nimmt der Opposition die Luft aus den Segeln.

Ein taktischer Schachzug, der obendrein die aufgrund der Querelen bereits vor dem Absprung stehende Sponsorengruppe, die in den nächsten Jahren bei Dynamo 1,5 Millionen Euro investieren will, bei der Stange hält. "Die Sponsoren können mit dem Kompromiss gut leben", sagt Weinkauf, der gelassen sieht, dass Kritiker sofort die Rechtsgültigkeit der Maßnahme anzweifelten: "Wir haben laut Satzung entschieden, das Präsidium ist wieder handlungsfähig." Wanski, Weinkauf und die noch im Hintergrund agierenden Gönner wollen nun ruhig die bei der Versammlung anstehende Wahl des Wirtschaftsrates betrachten. Selbst wenn Meyer dessen Vorsitz übernehmen würde - er könnte nicht mehr, wie angeblich geplant, ein Präsidium seiner Wahl installieren. Das Ende der Machtkämpfe in Hohenschönhausen?

"Es war nicht mehr mit anzusehen, wie der Verein an den Grabenkämpfen kaputt geht", sagt Wanski, der Hoffnungen in die Investorengemeinschaft setzt: "Die Leute und ihr Geld gibt es tatsächlich, das kann eine Chance sein." Ohne finanzielle Unterstützung wäre die Gefahr groß, "dass der Klub in der Verbandsliga verschwindet". Mit dem Geld könne der Oberligist nun höhere Ziele anpeilen, mittelfristig die dritte Profiliga. Hinzu kommt, dass die Sponsoren dieser Tage die Rechte am Vereinslogo von den Hell's Angels zurück gekauft haben. Auch dies eine Initiative von Weinkauf, der sagt: "Meine Mission ist erfüllt. Ich will auch privat wieder meinen Frieden finden." Zuletzt sei er von seinen Kritikern massiv bedroht worden. Meyer, den er nur flüchtig kenne, will Wanski unbelastet entgegen treten. Doch manchem dürfte nicht gefallen, dass der neue BFC-Präsident in einer Hinsicht Weinkaufs Arbeit fortsetzen will: "Natürlich muss der Verein gesellschaftsfähig werden", sagt Wanski, "bei uns haben Ausschreitungen und Rassismus nichts zu suchen."


Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 23./24.06.2007