Babelsberger Fan-Boykott

Fußball-Oberligist SV Babelsberg 03 kann auch ohne den Großteil seiner Anhänger im Rücken gewinnen. "Die Polizei hat nur 25 Fans aus Babelsberg gezählt", sagte BFC-Präsident Mario Weinkauf nach der 0:3-Niederlage seiner Mannschaft vor 521 Zuschauern am Sonnabend im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. Der Hintergrund: Viele Babelsberger Fans waren der Partie aus politischen Gründen fern geblieben, weil sie das Umfeld des BFC Dynamo von Neonazis und Hooligans durchsetzt sehen. Der Boykottaufruf der dem linken Spektrum zuzuordnenden Babelsberger Fanszene fruchtete. Stattdessen drückten rund 100 Fans im Babelsberger Kino "Thalia Arthouse" ihrer Mannschaft die Daumen. Dorthin schickte ein Fotograf während der Partie rund 25 Aufnahmen vom Spiel. Die an die Leinwand geworfenen Bilder wurden von zwei Laienreportern über ein Mobiltelefon kommentiert.

Einer von ihnen war Stadtplaner Jens Lüscher, zugleich Vorstandsmitglied und Fanbeauftragter von Babelsberg 03. Er musste auch unerfreuliche Nachrichten übermitteln. Im BFC-Fanblock wurden gelegentlich Naziparolen angestimmt wie "Arbeit macht frei. Babelsberg 03". Und Dynamo-Anhänger grölten das unsägliche Lied von der U-Bahn, die von Babelsberg bis nach Ausschwitz führen soll. Zur Ehrenrettung der vernünftigen BFC-Anhänger ist anzumerken, dass diese versuchten, solche abartigen Gesänge und Sprechchöre auszupfeifen oder mit "Dynamo, Dynamo"-Sprechchören zu übertönen. "Das stimmt mich positiv", sagte Lüscher, der die Boykott-Aktion als großen Erfolg bezeichnete. "Wir haben ein Zeichen gesetzt", fügte Babelsbergs Geschäftsführer Ralf Hechel hinzu.

Matthias Koch, Neues Deutschland, 04.12.2006