Keine Randale im Oberliga-Heimspiel des BFC Dynamo Berlin / Klassenkeile blieben aus

BFC Dynamo Berlin gegen SV Babelsberg 03 - viele Beobachter erwarteten in der politisch brisanten Partie der Oberliga-Nordost Randale zwischen Rechts und Links. Was ausblieb. Weil die Babelsberger Fans die Partie boykottierten. Und sich bei Dynamo mittlerweile mutige Fans mit Zivilcourage positioniert haben. Janusz Berthold hat die weinrote Fußballliebe im Blut. "Da kann ich gar nichts gegen machen", sagt der 34-Jährige. "Mein Vater war schon Anhänger vom BFC Dynamo und hat es mir wohl vererbt", berichtet der Familienvater mit schlotternden Knien. Schlotternde Knie deshalb, weil es furchtbar kalt ist im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Soeben ist das Heimspiel des BFC Dynamo gegen Babelsberg 03 zu Ende gegangen, Berthold und seine Kumpels haben eine 0:3-Pleite ihres Klubs miterleben müssen.

Der Traditionsklub aus Ost-Berlin, zu DDR-Zeiten beliebtes und protegiertes Spielzeug von Stasi-Chef Erich Mielke, macht in der Oberliga-Nordost schwere Zeiten durch. Eigentlich wollte man in die Regionalliga aufsteigen, doch jetzt klebt man ganz tief im Tabellenkeller. Trotzdem hatte sich diesmal mit gut 500 Zuschauern eine - verglichen mit den sonstigen Heimspielen - ganz ansehnliche Kulisse im weiten Rund der zugigen Arena versammelt. Hoffnung auf Randale? Der ein oder andere ist sicher auch gekommen, weil er auf Randale gehofft hat. Der SV Babelsberg 03 mit seiner vorwiegend politisch links orientierten Anhängerschaft ist so etwas wie ein Klassenfeind Dynamos, wo sich nach der Wende viele Hooligans und Rechtsradikale eine Heimat gesucht haben.

Vor drei Jahren kam es beim Auswärtsspiel in Babelsberg zum Eklat, als Punks und Nazis den Platz stürmten und wild aufeinanderdroschen. Damals mit dabei: Peter Meyer, heute mit seiner Berliner Telekommunikationsfirma Hauptsponsor des Klubs. Ausgerechnet Meyer half Dynamo aus der jüngsten Finanzkrise im Oktober diesen Jahres, als der Klub wieder einmal hauchdünn vor der Insolvenz stand. Die unbestreitbare Nähe zu vorbelasteten Leuten wie Meyer ist es, die Dynamo für seriöse Sponsoren nach wie vor so gut wie unmöglich macht. Aber weil ohne Geld auch in der Vierten Liga nichts läuft, ist man aus Sponsorengeldern zweifelhafter Firmen angewiesen - ein Teufelskreis. Aber Meyer ist auch der Grund dafür, warum es diesmal nicht zur Randale kommen kann. Die Babelsberger Fans haben die Partie aus Protest gegen den Sponsor des Gegners boykottiert und sind zu Hause geblieben.

Wo sonst im Schnitt 300 Fans den aktuellen Tabellenführer der Liga zu Auswärtspartien begleiten, verlieren sich heute handverlesene 14 Anhänger in der Gästekurve. Und auf der Tribüne spielt sich unter den Anhängern Dynamos weiteres Unerwartetes ab. Als eine Handvoll rechtsgerichteter Dynamo-Fans "Babelsberg 03 - Arbeit macht frei" skandiert, setzt sogleich ein gellendes Pfeifkonzert der anderen Zuschauer ein. Ganz vorn bei diesen Protestlern dabei: Janusz Berthold. "Wir haben hier bei Dynamo mittlerweile eine aktive linksorientierte Fangemeinschaft, die keinen Bock mehr auf diesen rechtsradikalen Mist hat", erklärt Berthold, der beruflich als Krankenpfleger arbeitet. "Auch weil wir uns so deutlich gegen Rechts positionieren, sind diese Rufe schon viel weniger geworden."

Ein Trend, den auch Toni Petrina festgestellt zu haben glaubt. Der Funktionär vom Berliner Fußballverband wurde als Beobachter zu diesem als "Risikospiel" eingestuften Match geschickt und berichtet von positiver Entwicklung bei den Violetten: "Die Situation hier ist mit der vor sechs Jahren gar nicht zu vergleichen. Die Leute, die den Verein jetzt führen haben vielleicht eine etwas belastete Vergangenheit. Aber sie haben sich deutlich gegen Rechtsradikalismus positioniert und arbeiten aktiv dagegen. Und wenn hier ein paar Unverbesserliche immer noch dummes Zeug rufen, sollte man einfach darüber hinweghören." Weghören fällt Janusz Berthold nicht so leicht. Er schätzt die Gruppe der Rechtsgerichteten, die sich immer noch auf der Tribüne versammeln, auf "50 oder 60 Leute" und steht schließlich mittendrin in der Fankurve des Klubs. Ein mulmiges Gefühl, inmitten einer Horde vermeintlich Gewaltbereiter? "Klar, habe ich manchmal ein ungutes Gefühl, wenn die betrunken sind und lospöbeln. Aber Angst haben wir nicht. Wir halten auf jeden Fall dagegen." Vielleicht sind es gerade mutige Leute wie Berthold, die für den BFC Dynamo das größte Kapital darstellen. Vor allem im Kampf gegen den schlechten Ruf.

Autor nicht bekannt, sport.ard.de, 04.12.2006