Kein Ausflug in die rechte Ecke / Babelsberger Fans boykottieren die Partie beim BFC Dynamo

Auf eine stattliche Kulisse hatten sie beim BFC Dynamo gehofft. Nun bleiben die letzten vier- bis fünfhundert Fans, die dem finanziell und sportlich in Schieflage geratenen Verein noch die Treue halten, doch unter sich. Denn die Zuschauer des Oberliga-Spitzenreiters SV Babelsberg 03 wollen konsequent dem Duell am Sonnabend, 13 Uhr, im Jahnsportpark fern bleiben. Der Klub ruft auf seiner Homepage zum Boykott auf. Standbilder und einen Audio-Kommentar vom Spiel gibt es stattdessen in einem Potsdamer Kino. Das Verhalten ist nach dem Vorspiel kein Wunder. Der BFC geht massiv gegen Kritiker vor. Journalisten von Zeitungen sind darunter, aber auch die Autoren des Stadionheftes und der Internetpräsenz des SV Babelsberg erhielten Post vom Anwalt. Dynamo, das Strafanzeigen ankündigte, hofft auf diese drastische Weise weitere Berichte zu unterbinden, wonach der Verein durch Teile seiner Sponsoren- und Fanstruktur weiter in die rechte und gewalttätige Ecke driftet.

Die Babelsberger Fans, traditionell links orientiert, wollen sich auch jene Prügel ersparen, die Union-Fans im Mai bezogen haben. Gleiches gilt für rassistische Parolen, die bei einigen BFC-Fans im Standardprogramm sind. Man wolle keinen Klub unterstützen, der "in den eigenen Reihen Gewaltbereitschaft und rechtsextreme Tendenzen nicht nur duldet, sondern fördert", heißt es in der Erklärung. Der BFC schäumt - und hält juristisch dagegen. So verhält sich ein Verein, allzu oft als Plattform von Hooligans missbraucht, der nicht mehr viel zu verlieren hat. Mit Stürmer Andreas Fricke kündigte jetzt der erste Spieler, er wurde nach der Niederlage in Eberswalde von Fans attackiert. Summiert mit den Gehaltskürzungen beim BFC wolle er "erstmal Abstand gewinnen", sagt Fricke.

Andere, wie Falk Jarling und Aleksandar Marjanovic, führten Gespräche über eine Vertragsauflösung. "Ich kann es verstehen. Es gab zwar keine Handgreiflichkeiten, aber schlimme Sprüche gegenüber Spielern", sagt Trainer Ingo Rentzsch: "Der Misserfolg zerrt an den Nerven aller." Dynamo, das von der Rückkehr in die dritte Liga träumte, ist Drittletzter in der Oberliga. Rentzsch, seit fünf Spielen im Amt, hat bisher noch nicht gewinnen können: "Man muss das realistisch sehen, mehr als Abstiegskampf ist derzeit nicht möglich." Um den zu überstehen, will er mindestens drei neue Spieler holen. Willig und billig sollen sie sein. Denn der BFC steht auch finanziell mit dem Rücken zur Wand. Da ist das Etatloch von 148.000 Euro, das durch einen Sponsorenpool reduziert werden soll. 100 Firmen sollen je 100 Euro im Monat geben und VIP-Karten bekommen.

Über 50 sollen dem Kreis schon angehören - der BFC hat einen harten Kern an Sympathisanten. Und einen Trainer, der mit Kampfgeist ausgestattet ist. Rentzsch, 40, sprang aus Verbundenheit zu dem Verein, für den er schon als Kind spielte, sogar über seinen Schatten. Hatte er doch als Interimstrainer im Mai 1999 in der Halbzeitpause des Spiels bei Union gekündigt - weil ihm damals Präsident Wanski eine Auswechslung diktierte. Nun verließ Rentzsch, beruflich als Reha-Sportlehrer abgesichert, den ruhigen Trainerposten bei Schwarz-Rot Neustadt und heuerte doch wieder beim krisengeplagten BFC an. "Es ist eine Notsituation", sagt er, "da konnte ich nicht nein sagen."

Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 02./03.12.2006