Oberliga: Derby kaputt / Streit gesucht, Streit gefunden: BFC Berlin gegen Union Berlin

Bis zur 77. Minute sahen die 6.471 Zuschauer und 1.000 Ordnungshüter in und um das Sportforum zu Hohenschönhausen ein ansehnliches Berliner Fußballspiel. 1.500 Zuschauer waren dem Unionslager zuzuordnen, der Rest fühlte sich dem BFC zugehörig. Oder erschien aus Neugier, geil auf Gewalt. Etliche Lichtgestalten hingen gut abgefüllt auf den Traversen. Dumpfe Visagen. Diese Leute trifft man bei keinem durchschnittlichen BFC Spiel. Der Zuschauerschnitt des BFC liegt unter 1.000. Wenn Union oder ein türkischer Club anreisen, kriecht der Schmutz aus den Löchern. Nach gutem Gekicke hatte jedes Team einmal ins Tor des Gegners eingelocht. Dann sprang ein Flitzer (aber angezogen) zum zweiten Mal aus dem BFC-Block über den Zaun und provozierte die Unionfans. Weder die BFC-Ordner noch die Polizei schritten ein und brachten die Situation unter Kontrolle.

Als einige Union-Ordner versuchten, den stänkernden Störenfried zu entfernen, eskalierte die Angelegenheit. Hunderte sogenannte BFC-Fans überwanden die Zäune und rannten Richtung Unionblock. Die meisten Unionfans flüchteten in Panik, einige stellten sich dem Spuk. Es dauerte zehn Minuten, bis die völlig überforderte Polizeiführung reagierte und den Gewaltausbruch einigermaßen unter Kontrolle bekam. Nach Absprache mit dem NOFV wurde das Spiel eine Viertelstunde nach Beginn der Krawalle abgebrochen. Die Polizei hatte erklärt, sie könne die Sicherheit der Zuschauer nicht mehr gewährleisten. Harte Kritik am Polizeieinsatz übte BFC-Präsident Mario Weinkauf in der Abendschau: "Mir wird Angst und bange, wenn ich an die Weltmeisterschaft denke." Weinkauf ließ am zuständigen Einsatzleiter Michael Knape kein gutes Haar: "Herr Knape stand ja bereits in der Kritik. Ich will nicht hoffen, daß die schlechte Organisation vielleicht sogar ein Racheakt von ihm war."

Frank Willmann, Junge Welt, 17.05.2006