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Prügelorgien, Wasserwerfer, Tränengas: Hooligan-Ausschreitungen im
In- und Ausland haben knapp vier Wochen vor der WM die Öffentlichkeit wieder für das Thema Sicherheit sensibilisiert. Eine aktuelle Einschätzung des BKA schürt darüber hinaus neue Ängste. Beim Berliner Oberliga-Klassiker
zwischen dem BFC Dynamo und dem 1. FC Union sah sich der Schiedsrichter am letzten Samstag veranlasst, die nach 77 Minuten wegen gewalttätiger Aktionen von Hooligans abgebrochene Partie der NOFV-Oberliga Nordost nicht mehr
fortzusetzen. "Das sind die Bilder, die wir im WM-Jahr nicht brauchen", kommentierte Bernd Schultz, Präsident des Berliner Fußball-Verbandes die Jagd- und Prügelszenen im Sportforum Hohenschönhausen. 6.471 Zuschauer
waren im Stadion, 600 davon sollen gewaltbereite Anhänger gewesen sein. So genannte Fans des ehemaligen DDR-Serienmeisters BFC Dynamo, in dessen Dunstkreis sich seit Jahren eine große Gruppe von Hooligans sammelt, waren beim
Spielstand von 1:1 auf das Spielfeld gestürmt und hatten die rund 800 Union-Anhänger bedroht. Die BFC-Ordner konnten die Randalierer nicht im Zaum halten. Außerhalb des Stadions postierte Polizeikräfte griffen ein. 33 Zuschauer
wurden festgenommen, fünf Personen verletzt, darunter ein Polizist und ein Ordner. Man habe die Brisanz des Spiels jedenfalls nicht unterschätzt, sagte ein Polizeisprecher.
100 verletzte Personen
BFC-Präsident Mario Weinkauf warf der Polizei "totales Versagen" vor. "Mir wird angst und bange, wenn ich an die Weltmeisterschaft denke", sagte er in der RBB-"Abendschau". Allerdings
räumte er auch das Versagen des eigenen Ordnungsdienstes ein. Die Polizei gab dem gastgebenden Verein und dem Nordostdeutschen Fußball-Verband als Verantwortlichen der Oberliga die Schuld an der schweren Sicherheits-Panne in
der WM-Endspielstadt. Sie wies darauf hin, dass für die Sicherheit im Stadion der gastgebende Verein mit seinem Ordnungsdienst zuständig sei. Die Polizei greife erst dann ein, wenn die Lage außer Kontrolle zu geraten drohe.
Nach dem Abpfiff des Meisterschaftsspiel zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich haben am vergangenen Wochenende auch in der Schweiz "Fußball-Fans" vor dem Stadion in Basel schwere Krawalle ausgelöst. Die Polizei
musste nach Basels 1:2-Niederlage, durch die sich der FC Zürich doch noch den Meistertitel vor dem punktgleichen FCB sicherte, Wasserwerfer und Tränengas einsetzen. Nach Polizeiangaben vom Sonntag wurden mehr als 100 Personen
verletzt, darunter vier Polizisten. Schwerverletzte habe es glücklicherweise keine gegeben, sagte der Polizeichef von Basel, Roberto Zalunardo.
Randalierend durch Warschau Der bei den Ausschreitungen
angerichtete Sachschaden konnte am Sonntag noch nicht beziffert werden. Er betrage jedoch mehrere 1000 Franken, hieß es. Zum Teil vermummte Basel-Fans waren nach der Niederlage ihres Vereins auf das Spielfeld gestürmt. Dort
traten einige Anhänger nach Spielern des Champions aus Zürich, zudem wurden Steine und Flaschen geworfen. Die Spieler mussten in die Kabinen flüchten, die Trophäe konnte ihnen erst später ausgehändigt werden. Knapp vier
Wochen vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft haben zudem polnische Hooligans durch schwere Krawalle in Warschau weiter Ängste geschürt, dass sie auch während des Turniers in Deutschland Ausschreitungen anzetteln könnten. Die
Polizei nahm in der Nacht zum Sonntag mehr als 200 Krawallmacher fest, die in Anschluss an eine Erstligapartie randalierend durch die Altstadt der polnischen Hauptstadt zogen. Polen ist einer der drei WM-Gruppengegner
Deutschlands. Die beiden Mannschaften treffen am 14. Juni in Dortmund aufeinander.
BKA malt bedrohliches Lagebild Die größtenteils betrunkenen Hooligans bewarfen die Polizisten mit Steinen und griffen die
Beamten mit Zaunlatten an, wie ein Polizeisprecher sagte. Die Polizei ging mit Gummiknüppeln, Tränengas und Wasserwerfern gegen die Schläger vor. Rund 30 Beamte wurden verletzt. Schon im Stadion hatten rund 500 Anhänger von
Legia Warschau für Ärger gesorgt. Die Polizisten bildeten eine Absperrkette vor den Rängen, um die Hooligans davon abzuhalten, den Rasen zu stürmen. Legia Warschau, das bereits vor der Partie als polnischer Fußballmeister
feststand, verlor das Spiel gegen den Erzrivalen und Saison-Zweiten Wisla Krakau. Aber während der WM in Deutschland droht nicht nur Gefahr aus der Ecke der gewaltbereiten Hooligans: Nach Einschätzung des Bundeskriminalamts
(BKA) sind mindestens 21 Spiele der kommenden WM hoch gefährdet - vor allem durch islamistische Terroristen. Dies geht aus einem vertraulichen Lagebild des BKA hervor, wie der stern in seiner neuen Ausgabe berichtet. Bedroht
seien wegen ihres hohen Symbolwertes vor allem das Eröffnungsspiel in München und das Finale in Berlin. Als besonders gefährdet gelten ebenfalls alle Partien der USA, einem Hauptfeind der al Qaida. Aber auch die Begegnungen
anderer Nationen wie England, Spanien, Polen und Australien, die am Irak-Krieg teilgenommen haben, könnten Ziele von Anschlägen sein.
Autor nicht bekannt, Stern, 17.05.2006
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