BFC Dynamo nach Krawall in der Kritik

BFC Dynamo gegen 1. FC Union: Schwere Ausschreitungen während des Oberliga-Derbys am Sonnabend haben vier Wochen vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft erneut das Thema "Hooligans" ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Die Polizei setzte im Sportforum Hohenschönhausen 1.000 Beamte ein, um etwa 600 Randalierer in den Griff zu bekommen. Während der WM werden nach Expertenschätzungen einige 1.000 als gewalttätig eingestufte Fans in der Stadt sein. Der Derby-Klassiker zwischen den alten Rivalen Dynamo und Union war in der 75. Minute beim Spielstand von 1:1 abgebrochen worden, nachdem mehrere Hundert Dynamo-Fans in den Innenraum stürmten und versuchten, zu den Blocks der Gäste-Fans zu gelangen. Obwohl die Polizisten mit Stein- und Flaschenwürfen eingedeckt wurden, hatten sie die Lage nach 15 Minuten unter Kontrolle.

33 Randalierer wurden festgenommen. Fünf Personen wurden verletzt, darunter ein Polizist und ein Ordner. Auch nach dem Spiel gab es außerhalb des Stadions mehrfach Auseinandersetzungen zwischen Fans beider Mannschaften. Die wurden allerdings von der Polizei jedesmal schnell unterbunden. Auch der Versuch von BFC-Anhängern, eine Straßenbahn zu stürmen, scheiterte am schnellen Eingreifen der Ordnungshüter. Während neutrale Beobachter den Einsatzkräften attestierten, sie hätten schnell und konsequent gehandelt, warf Dynamo-Präsident Mario Weinkauf der Polizei Versagen vor, räumte aber zugleich auch Fehler seines eigenen Ordnungsdienstes ein. Auch Union-Manager Jörg Heinrich kritisierte den Einsatz. "Bei einem Spiel dieser Brisanz muß die Polizei zur Abschreckung sichtbar zwischen den Fan-Blöcken postiert werden, das ist nicht geschehen", monierte Heinrich.

Ein Polizeisprecher verwies hingegen auf die Regelung, wonach im Innenraum zunächst der gastgebende Verein mit seinem Ordnungsdienst für die Sicherheit zuständig sei. "Unsere Kräfte standen im Hintergrund bereit, um einzugreifen, falls die Lage außer Kontrolle gerät. Und das haben wir ja auch gemacht", so der Sprecher. Einsatzleiter Michael Knape erklärte noch am Sonnabend, man habe schon frühzeitig darauf gedrängt, die Begegnung im Jahn-Sportpark auszutragen. "Dort sind ganz andere Sicherheitsmaßnahmen möglich. Aber der Verein hat auf dem Sportforum bestanden, und der zuständige Verband hat zugestimmt", sagte Knape. Bernd Wusterhausen vom Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) räumte inzwischen ein, diese Zustimmung sei eine Fehlentscheidung gewesen.

"Nach dem jetzigen Kenntnisstand hätte das Spiel nicht im Sportforum stattfinden dürfen", sagte er. Gänzlich undurchschaubar scheint offenbar die Rolle, die der Ordnungsdienst gespielt hat. "Es war zunächst nur eine kleine Gruppe, die aus dem BFC-Fanblock in den Innenraum eindrang. Die Ordner haben diese einfach gewähren lassen, und das hat dann wohl eine größere Gruppe animiert, nachzurücken, vor allem nachdem Ordner die Tore zum Innenraum öffneten", berichtete ein Polizeibeamter, der beim Einsatz dabei war. Wie der Beamte weiter erklärte, hätten Ordner, nachdem der Innenraum voller BFC-Fans war, auch die Tore zum Block der gegnerischen Fans geöffnet. "Das sah ja schon fast wie eine Einladung zum Randalieren aus" wunderte sich der Beamte. Dies habe die Arbeit der Polizei erheblich erschwert.

Noch ungeklärt sind auch Hinweise mehrerer Zuschauer und Beobachter der Vorfälle, viele der Randalierer seien schon vor längerer Zeit mit einem Stadionverbot belegt worden und hätten eigentlich gar nicht im Sportforum sein dürfen. Hier müßten der Verein und die Verantwortlichen für den Ordnungsdienst für Aufklärung sorgen, hieß es gestern bei der Polizei. Die Ausschreitungen vom Sonnabend als Vorgeschmack auf die Weltmeisterschaft zu bezeichnen, sei eindeutig überzogen, sagte ein Polizeiführer gestern: "Bei der WM haben wir ganz andere Sicherheitsstandards und ein Vielfaches an Kräften im Einsatz." Dennoch würden gewalttätige Fußballfans zweifellos ein Problem sein, räumte der Beamte ein. "Irgend etwas schön zu reden bringt nichts und ist unverantwortlich. Da wird einiges auf uns zukommen. Und unsere Berliner Hooligans werden versuchen, kräftig mitzumischen. Aber wir sind vorbereitet"


Hans H. Nibbrig, Berliner Morgenpost, 15.05.2006