Kein Grund zur Reue / Hendryk Lau kehrt in sein "Wohnzimmer" zurück

Der logistische Aufwand, den Hendryk Lau in Sachen Fußball betreibt, ist enorm. Mindestens dreimal wöchentlich verlässt der mittlerweile 36-Jährige gegen 16.30 Uhr seine Wohnung in Rehbrücke und fährt mit dem Regionalexpress bis zum Berliner ,Alexanderplatz. Dort steigt er in die Tram um, die ihn ins Sportforum Hohenschönhausen bringt. Erst fünf Stunden später ist er wieder daheim. Zwischenzeitlich hat er mit den Oberliga-Fußballern des BFC Dynamo trainiert, die derzeit eine tiefgreifende Krise durchleben und am Sonnabend beim SV Babelsberg 03 gastieren werden. Zuvor hat er meist schon einige Stunden im Rahmen seines an mehreren Ganztagsschulen laufenden Ballspielprojektes gegeben. Lau hat "noch keine Sekunde bereut", sich nach seinem Abschied vom SV Babelsberg 03 noch einmal für ein Engagement beim DDR-Serienmeister der achtziger Jahre entschieden zu haben. Er hat sich nach einem Familienurlaub im Juli nicht lange bitten lassen müssen, ist ihm doch der BFC Dynamo, wo er einst mit dem Fußball begann, immer Herzensangelegenheit geblieben.

Gleiches nimmt er für sich und sein Verhältnis zum SVB in Anspruch, was nach insgesamt sechs Spielzeiten nicht verwundert. Vor der schnellen Rückkehr als Aktiver übermorgen in sein zweites "Wohnzimmer" Karl-Liebknecht-Stadion gibt sich "Henne", wie er von den Nulldrei-Anhängern genannt wurde, rational. Für Sentimentalitäten ist kein Platz, denn der Tabellenletzte hat zu Saisonbeginn viermal in Folge verloren und in den Spielen beim 1. FC Union (0:8) und zuletzt gegen den Aufsteiger BFC Preussen (0:1) "ein erbärmliches Bild" (Lau) abgegeben. "Wir müssen jetzt schnellstens zusehen, dass wir irgendwie Boden unter die Füße bekommen, sonst wird es eng", ist er sich bewusst. Ein Spiel wie jedes andere wird es jedoch auch nicht. Hendryk Lau hat sich vor knapp drei Wochen das 1:0 des Spitzenreiters gegen den Berliner AK angesehen und war beeindruckt vom derzeitigen Leistungsvermögen der Babelsberger.

Privat war Hendryk Lau zuletzt dabei, sich eine Meinung zur bevorstehenden Bundestagswahl zu erarbeiten. "Ich habe mir als beruflich Betroffener und nicht zuletzt als Familienmensch ganz genau angesehen, welche Angebote und Vorstellungen die Parteien in puncto Kinderbetreuung, Erziehung und Bildung machen. Wer warum wie viel Steuern bezahlen soll, interessiert mich weniger." Wählt Lau eher links? Man könnte es vermuten. Er verrät es nicht. Wahrscheinlich wird der Torschützenkönig der Saison 1999/2000 in der Regionalliga Nord (16 Tore) übermorgen von Beginn an mitspielen. Ein Tor hat er im bisherigen Saisonverlauf in der Meisterschaft noch nicht erzielt. Gelingt es ihm übermorgen? Hendryk Lau wird alles versuchen. Wohl wissend, dass seine bisherigen Mitstreiter dies mit Vehemenz verhindern möchten.


Thomas Gantz, Tagesspiegel, 08.09.2005