"... das sind alles auch nur Menschen" / War die Razzia gegen BFC-Fans zu hart? Im Parlament gab es gestern dazu ein paar Neuigkeiten

Die Angst vor den BFC-Anhängern war groß. In einem Nebenzimmer des Sitzungssaals hielt sich sicherheitshalber eine Gruppe Polizisten bereit, mit Helmen und Schlagstöcken. Es hätte ja sein können, dass die Besucher der Innenausschuss-Sitzung gestern Vormittag im Abgeordnetenhaus einen Tumult veranstalten würden. Doch die Vereinsmitglieder des Berliner Fußballclubs Dynamo, die Fans und Rechtsanwälte gaben nicht ein Störgeräusch von sich, als Polizeipräsident Dieter Glietsch vor dem Ausschuss Stellung nahm zu der Razzia am 21. August in der Diskothek Jeton. Glietsch sollte sich auf Antrag der Grünen zu Vorwürfen äußern, wonach seine Leute brutal und überzogen vorgegangen seien. Inzwischen gibt es 76 Strafanzeigen gegen Beamte, die meisten wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Erneut erklärte der Polizeipräsident: "Der Einsatz wurde professionell vorbereitet und verantwortungsbewusst durchgeführt."

Erneut betonte er auch, dass damit schwere Ausschreitungen verhindert worden seien - beim späteren Spiel des BFC gegen den 1. FC Union in Köpenick. Erstmals äußerte sich auch SPD-Innensenator Ehrhart Körting, der die Razzia "ausdrücklich unterstützt". Er könne nicht ausschließen, dass ein Beamter "auch mal falsch reagiert hat, das sind alles auch nur Menschen", sagte er. "Aber bis zu einer Verurteilung gilt für meine Mitarbeiter der Grundsatz der Unschuld." Eigentlich hatten sich die Grünen Antworten erhofft. "Doch es sind auch nach dieser Ausschusssitzung viele Fragen ungeklärt", sagt Fraktionschef Volker Ratzmann, der alles andere ist als ein Hooliganfreund. "Zum Beispiel, warum es bei dem Einsatz so ungewöhnlich viele Verletzte gab, obwohl das SEK gut ausgebildet ist und die Diskobesucher keinen Widerstand geleistet haben. Unklar ist, wie viele von den Verletzten gewalttätige Fans sind." In ihrer ersten Pressemeldung hatte die Polizei ihren Einsatz gelobt ("Polizei setzt Zeichen!").

Doch inzwischen treten immer mehr Pannen und Widersprüche zu Tage. Gestern nun räumte Glietsch ein, dass es versäumt wurde, genügend Bereitschaftsrichter zu benachrichtigen (wir berichteten). Deshalb saßen viele unbeteiligte Diskobesucher bis spätabends hinter Gittern. "Wenn Unbeteiligte betroffen waren, bedauere ich das ausdrücklich und habe auch kein Problem damit, mich bei ihnen zu entschuldigen", sagte der Polizeipräsident. Er korrigierte gestern auch eine frühere Behauptung seines SEK-Chefs einen Tag nach dem Einsatz. Auf einer Pressekonferenz hatte dieser die Frage, ob eine Blendgranate zwischen die Besucher geworfen worden sei, verneint. Jetzt sagte Glietsch: "Zur Ablenkung wurde ein Irritationskörper gezündet" - zu gut Deutsch: eine Blendgranate. Bereits einen Tag nach der umstrittenen Razzia hatte die Polizei ihre Aussage zurückziehen müssen, wonach die Beamten auf "massivsten Widerstand" gestoßen seien.

Zum Schluss bekam vor dem Ausschuss auch der Fanbeauftragte des BFC fünf Minuten Redezeit. Rainer Lüdtke verlas in den folgenden 25 Minuten eine Erklärung, in der er seine Sicht auf die Razzia darstellte. Er sagte, dass die Polizei den Einsatz mit Hooligangruppen begründet habe, die seit Jahren nicht mehr bei BFC-Spielen auftauchen würden. Er sagte, dass die Polizisten gezielt auf Kopf und Arme geschlagen hätten. Er sagte auch, dass die Festgehaltenen - anders als von der Polizei behauptet - nicht auf die Toilette gehen durften, sondern ihre Notdurft in Sektkühlern verrichten mussten. Doch für derlei offene Fragen interessierten sich bis auf die Grünen die meisten Abgeordneten nicht mehr. Sie rutschten ungeduldig auf ihren Stühlen hin und her, denn die Mittagspause stand an. "Ich hätte auch polnisch reden können, die hätten mich ebenso wenig verstanden", sagte Lüdtke. Sprach's und ging mit den anderen BFC-Leuten kopfschüttelnd aus dem Sitzungssaal. Die Tumulte wütender BFC-Fans blieben aus. Die Polizisten brauchten ihr Nebenzimmer nicht zu verlassen.


Andreas Kopietz, Berliner Zeitung, 30.08.2005