Hooligan-Einsatz: Polizeipräsident unter Druck / Dieter Glietsch muß sich Montag vor Innenausschuß äußern - Verdächtigter Ermittler versetzt

Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch gerät nach dem harten Einsatz gegen die Hooligan-Szene am vergangenen Wochenende in Friedrichshain immer mehr unter Druck. Mittlerweile gingen 40 Anzeigen von 22 Betroffenen gegen Beamte wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Freiheitsberaubung ein. Inzwischen wurde im Landeskriminalamt ein spezielles Team zusammengestellt, das die Ereignisse im "Jeton" an der Frankfurter Allee in der Nacht zum Sonntag untersuchen soll. Dort waren unter anderem 100 Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) in die Räume der Diskothek eingedrungen und hatten die anwesenden Gäste überwältigt. Dieter Glietsch hatte die Aktion als richtig bezeichnet. Im Anschluß an diesen mittlerweile von vielen Seiten kritisierten Einsatz hat sich die Polizei jedoch bereits in zwei Punkten korrigieren müssen.

Zunächst hatte sie von fünf Verletzten gesprochen, die Feuerwehr hatte laut Einsatztagebuch aber 15 Personen in Krankenhäuser transportiert und sechs weitere vor Ort versorgt. Außerdem hatte es am Sonntag zunächst geheißen, die Einsatzkräfte seien entschlossen vorgegangen, weil sie mit Flaschen, Gläsern und Einrichtungsgegenständen angegriffen worden seien. Zwei Tage später wurde diese Darstellung zurückgenommen - es habe keinen Widerstand gegeben. Durch den Einsatz sollten Zusammenstöße gewaltbereiter Fans der Oberliga-Vereine 1. FC Union und BFC Dynamo verhindert werden. Tatsächlich blieben befürchtete Krawalle aus, die Polizei argumentierte so, daß die Hooligans ihrer Führungsköpfe beraubt gewesen seien. Der Sprecher des Polizeipräsidenten, Bernhard Schodrowksi, betonte gestern, daß Polizeipräsident Dieter Glietsch an einer schnellen und rückhaltlosen Aufklärung interessiert sei.

Glietsch muß am kommenden Montag im Innenausschuß erklären, warum seine Einsatzkräfte so massiv vorgegangen sind. Zudem laufen Ermittlungen gegen einen Polizeioberkommissar aus der "Ermittlungsgruppe Hooligan", der die Szene mit brisanten Informationen aus dem Dienstgebrauch versorgt und auch vor Razzien gewarnt haben soll. Der 40jährige (Name der Redaktion bekannt) soll laut Informationen dieser Zeitung während der Einnahme von Drogen fotografiert worden und mit diesen Aufnahmen zum Verrat an der Behörde erpreßt worden sein. Zudem soll er eben wegen seiner Drogenabhängigkeit Geldschwierigkeiten gehabt haben. Die Polizei wollte sich gestern nicht zu Details äußern. Fest steht, daß der Beamte nicht mehr in den Reihen der "Ermittlungsgruppe Hooligan" ist, sondern jetzt eine seinem "Dienstgrad entsprechende Tätigkeit" ausübt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Akte bald der Staatsanwaltschaft übergeben wird.


Michael Behrendt, Die Welt, 26.08.2005