Ermittlungsgruppe für gebrochene Nasen / Razzia gegen BFC-Fans mit Folgen: 40 Festgenommene stellen Anzeigen gegen Polizisten

Vier Tage nach der Razzia gegen Hooligans in der Friedrichshainer Diskothek "Jeton" ermittelt das Landeskriminalamt gegen eigene Leute. Bislang seien 40 Anzeigen gegen Polizisten wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Freiheitsberaubung eingegangen, sagte Polizeisprecher Bernhard Schodrowski. Für die Untersuchungen des umstrittenen Einsatzes wurde die Ermittlungsgruppe "Jeton" gebildet. Schnelle und rückhaltlose Aufklärung sei im Interesse des Polizeipräsidenten, hieß es. Polizeichef Dieter Glietsch hatte in den vergangenen Tagen gesagt, dass der Einsatz richtig verlaufen sei. Am Montag muss er nun dem Innenausschuss des Abgeordnetenhauses erklären, warum seine Beamten so massiv vorgegangen sind. Gebrochene Nasen, Platzwunden, Blutergüsse und ein Fan, der behauptet: Ein SEK-Beamter sei ihm derart fest auf die Hand getreten, dass er seine Finger nicht mehr bewegen könne und sein Arzt eine Berufsunfähigkeit nicht ausschließe.

"Ich war erschüttert, was ich an schweren Verletzungen gesehen habe", sagte Rechtsanwalt René Lau nach dem Treffen mit rund hundert Betroffenen. Etwa 50 baten Lau, sie zu vertreten. Neben Strafanzeigen seien auch Klagen auf Schmerzensgeld unumgänglich, sagte Lau: "Ich vertrete Fans in der ganzen Republik seit Jahren - aber eine solche Brutalität von Seiten der Polizei habe ich noch nie erlebt." Lau kündigte eine zweigeteilte Strategie an: Neben zivilrechtlichen Klagen werde man auch auf dem Verwaltungsgerichtsweg vorgehen: Wenn festgestellt werde, dass die Razzia rechtswidrig gewesen sei, könne man gegen die Polizei Schadenersatzansprüche geltend machen. Das könne wirksam sein, wenn es nicht gelinge, vermummte SEK-Beamte zu identifizieren. Beim Treffen mit den Fans in einem Lokal am Mittwochabend war auch der Fanbeauftragte des Berliner FC Dynamo, Rainer L., dabei.

Meldungen, wonach Hooligans Vergeltungsschläge gegen die Polizei planten, treffen nicht zu, sagte er. "Wir haben einen Aufruf gestartet, der Polizei jetzt nicht den erhofften Anlass zu geben, wieder gegen uns vorzugehen." Indes wurden gestern neue Details des Polizeieinsatzes bekannt. Der Rechtsanwalt Bert Handschumacher vertritt auch Opfer des Einsatzes. "Fünf von ihnen haben übereinstimmend erklärt, dass ein Polizist während er zuschlug gesagt hat, dass der Einsatz die Rache für acht Kollegen ist", so der Anwalt. Nach seinen Recherchen bezog sich diese Aussage offenbar auf einen Polizei-Einsatz am 5. August während des Oberligaspiels SV Yesilyurt gegen den BFC im Jahn-Sportpark. Dabei wurden Polizisten der 13. Einsatzhundertschaft von Anhängern des BFC angegriffen und zum Teil schwer verletzt.

Mittlerweile schließen auch Polizisten hinter vorgehaltener Hand nicht aus, dass der Übergriff am Sonntag ein Akt der Vergeltung war. Der Berliner Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Hans-Christian Ströbele, forderte mit Hinweis auf die Razzia das bundespolitische Sicherheitskonzept zur Fußballweltmeisterschaft 2006 zu überprüfen. "Das Konzept muss auf seine Tragfähigkeit hin untersucht werden", sagte er der Berliner Zeitung. Es müsse geprüft werden, ob es hilft, Konfrontationen und Eskalationen zwischen Hooligans und Polizei zu vermeiden. Er habe zwar keine Sympathie für Hooligans, so Ströbele. "Aber der Rechtsstaat muss unantastbar sein und rechtsstaatliche Regeln müssen angewandt werden." Er forderte, dass Polizisten vor der WM "auf derartige Konfliktsituationen vorbereitet werden".

S. Averesch / M. Wolf / L. Schnedelbach, Berliner Zeitung, 26.08.2005