Polizeipräsident räumt Fehler ein / Dieter Glietsch korrigiert Darstellung nach Einsatz gegen Hooligans: Keine Angriffe auf Polizisten

Eine Razzia gegen gewaltbereite Fußball-Fans wird zum Politikum. Die Polizei bläst zum Sturm gegen Hooligans. Gefeiert wird sie dafür kaum. Vielmehr muß sich ihre Führung kritischen Fragen stellen und Fehler einräumen. Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch hat gestern in der Öffentlichkeit die Darstellung des Polizeieinsatzes gegen die Hooligan-Szene am vergangenen Wochenende korrigieren müssen. Entgegen ersten Schilderungen habe es keinen Widerstand der Gäste in der Diskothek "Jeton" gegen die eindringenden Beamten gegeben. Wie berichtet, hatten in der Nacht zu Sonntag 100 Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) sowie Bereitschaftspolizisten das Lokal an der Frankfurter Allee (Friedrichshain) gestürmt, um gegen Hooligans des BFC Dynamo vorzugehen. Sie sollen sich dort zur Planung von Straftaten am kommenden Tag getroffen haben. Es werde von Amts wegen ermittelt, ob die SEK-Männer verhältnismäßig agiert haben, sagte Glietsch.

Dies ergebe sich aus den Vorwürfen der Fußballfans. Es habe bei der Übermittlung der Informationen Fehlinterpretationen und Mißverständnisse gegeben, sagte Glietsch. Gleichzeitig verteidigte er das Vorgehen seiner Einsatzkräfte. Es habe zur Folge gehabt, daß bei dem brisanten Ost-Derby zwischen den Vereinen BFC Dynamo und 1. FC Union am Sonntag keine Ausschreitungen aufgeflammt seien: Die Hooligan-Szene sei ihrer Führungsköpfe beraubt worden, denn diese hätten sich in den Gefangensammelstellen befunden. Insgesamt waren im "Jeton" etwa 580 Personen angetroffen worden. 158 wurden festgenommen. 22 werden als gewaltbereit (Kategorie B) eingestuft, 19 gelten als gewaltsuchend (C). 28 weitere sind in der Datei "Gewalttäter Sport" erfaßt. Pikant: Ein Vertreter des SEK berichtete, seine Einheit und die SEK-Kollegen aus Brandenburg und Niedersachsen seien sehr kurzfristig alarmiert worden und hätten nicht ausreichend Zeit gehabt, Pläne des Lokals und seiner Umgebung zu prüfen.

Man habe von einem kampfsporterfahrenen und gewaltbereiten Gegenüber ausgehen müssen, deshalb seien die Räume entsprechend konsequent "befriedet" worden. Man habe nicht gewartet, bis das Bierglas zum Schlag genutzt wurde, sondern es samt dem Haltenden zu Boden gebracht. Einsatzleiter Michael Knape korrigierte die Zahl der Verletzten von fünf auf 21. Vorwürfe, wonach die Festgenommenen nicht zur Toilette durften, wurden empört zurückgewiesen. Dem anwesenden Betreiber des "Jeton", Ronny Berkahn, wurde empfohlen, seinen Schaden bei der Senatsfinanzverwaltung zur Regulierung anzumelden. Dieter Glietsch bestätigte einen Bericht dieser Zeitung, wonach die spezielle "Ermittlungsgruppe Hooligan" erst später zu dem Einsatz gerufen worden war, weil es Hinweise gab, nach denen einer der Polizeibeamten die gewaltbereiten Fans vor Razzien gewarnt haben soll.

Mehrere BFC-Fans haben inzwischen Rechtsanwalt René Lau, den Bruder des BFC-Stürmers Hendryk Lau, kontaktiert. Konkret will sich der Anwalt dazu nicht äußern. "Ich werde erst persönliche Gespräche mit den Betroffenen führen", sagte er. Er bestätigt jedoch, daß es sich wohl um Anzeigen gegen Beamte wegen Körperverletzung im Amt und Beleidigung handeln werde. Unterdessen hat die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus Innensenator Ehrhart Körting (SPD) aufgefordert, die Aktion zu überprüfen. Die Polizei habe beim Einsatz in der Disko "offensichtlich jegliches Gespür für die Verhältnismäßigkeit der Mittel vermissen lassen", sagte Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen.


Michael Behrendt / Sebastian Schlichting, Berliner Morgenpost, 24.08.2005