Polizei schon in WM-Form? / Einsatz im Rahmen des Oberligaspiels zwischen 1. FC Union und BFC Dynamo schlägt Wellen

Auf einer Sportseite wird in der Regel über Tore, Tragödien oder Triumphe berichtet. Dieser chronistischen Pflicht versucht auch das ND nachzukommen. Deshalb sei diesem Text eine Meldung aus der Welt des Fußballs vorangestellt.
Jürgen Piepenburg ist nicht mehr Trainer des BFC Dynamo. Der 64-Jährige wurde am Montagabend beurlaubt. Vorläufig sollen Co-Trainer Rajko Fijalek und Torwart-Coach Bodo Rudwaleit die Mannschaft führen. Nach dem 0:8-Debakel beim 1. FC Union und der dritten Niederlage im dritten Spiel der Nordost-Oberliga, Staffel Nord, überrascht diese Nachricht nicht. Damit aber genug des Sportlichen. Denn die Schlagzeilen nach diesem "Hass-Duell" gehören inzwischen fast ausschließlich der Polizei. Zunehmend im Fokus der Öffentlichkeit steht nicht der Einsatz während des Spiels. Dort verhinderten rund 1.100 Polizisten jeglichen Kontakt zwischen den bis aufs Messer verfeindeten Fangruppen.

Sogar Hubschrauber kreisten über den 14.000 Zuschauern im Stadion an der Alten Försterei.13 Stunden vor dem Anpfiff ließen Beamte dagegen die Knüppel kreisen – demonstrierten sie wohl eine prächtige Früh-Form für die Fußball-WM 2006. In der Berliner Discothek "Jeton" wurden Geschäfts- und Nebenräume des dreistöckigen Gebäudes "durchsucht". Als Grund diente "eine Feier von Hooligans des BFC Dynamo und befreundeter Gruppen", wie es in dem ND vorliegenden Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten heißt. Die potenziellen Störer des Fußballspiels zwischen dem 1. FC Union und dem BFC Dynamo sollten bereits im konkreten Planungsstadium der Ausschreitungen dingfest gemacht werden. In der Nacht zu Sonntag, gegen 1.30 Uhr, hielten zwei Linien-Busse vor der Disco. 100 vermummte Mitglieder des Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei stürmten sofort alle drei Etagen.

Beim Versuch, mögliche Rädelsführer und gefährliche Gegenstände festzustellen, "sahen wir uns großer Brutalität ausgesetzt – auch von den Frauen der Hooligans", lautete später die vermutlich Version eines Polizeisprechers. Was sich sachlich anhört, sah in der Realität vermutlich etwas anders aus. Die Augenzeugenberichte bezichtigen vielmehr die Polizei einer ungeheuren Brutalität. Sie soll überraschte Männer und Frauen niedergeknüppelt haben, die nicht sofort der Aufforderung Folge leisteten, sich auf den Boden zu legen. Stundenlang mussten viele der 570 Gäste dort gefesselt ausharren. 158 von ihnen wurden später in Berliner Gefängnisse verbracht und dort bis zum Sonntagabend festgehalten. Während die Polizei fünf leicht verletzte Gäste angab, spricht die Feuerwehr von 21. Auf Seiten der Beamten wurde übrigens bis heute keine Verletzung bekannt. Möglicherweise haben die Polizisten blaue Flecken, die beinahe mutwillig die Einrichtung (Wände, Tische Stühle...) der Discothek beschädigten.

Im "Jeton" machte sich ND am Montag ein Bild von den Verwüstungen. Überall lagen die zum Fesseln benutzen Kabelbinder und Splitter von heruntergefallenen Gläsern herum. An mehreren Stellen trockneten Blutlachen vor sich hin. Zudem hinterließ die Polizei ihren Unrat wie leere Flaschen. "Jeton"-Besitzer Ronny Berkhan hatte die sonnabendliche private Veranstaltung der Teilnehmer des BFC-Fan-Turniers in der 3. Etage seiner öffentlichen Discothek übrigens schon vor Monaten angemeldet. Die Polizei und szenekundige Beamte wussten also Bescheid. Dass die Turnierteilnehmer aus ganz Deutschland, England und Schweden ausgerechnet an diesem Abend die Randale besprechen hätten sollen, ist unwahrscheinlich. Neben Berkahn beabsichtigen etliche andere Gäste, unter denen unter anderem auch "Hools" waren, den Staat zu verklagen.


Matthias Koch, Neues Deutschland, 24.08.2005