»Wir werden eine Stellungnahme anfordern« / PDS im Großen und Ganzen mit der Berliner Polizei zufrieden / Großeinsatz am Wochenende löst erhebliche Kritik aus

Ein Gespräch mit Steffen Zillich (Steffen Zillich ist Vertreter der Linkspartei.PDS im Innenausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses)

Junge Welt: Die Berliner Polizei kommt immer heftiger in die Kritik. Vor einigen Wochen gab es einen Einsatz gegen die Bewohner der Yorckstr. 59, bei dem sich Festgenommene vor Pressefotografen hinknien mußten. Eine Fete im Prenzlauer Berg wurde brutal aufgelöst. Und jetzt am Wochenende haben sich viele Berliner anläßlich des Fußballspiels BfC Dynamo – 1. FC Union wie im Bürgerkrieg gefühlt. Als Regierungspartner ist die Linkspartei indirekt dafür mitverantwortlich. Was sagen Sie als Mitglied des Innenausschusses dazu?
Zillich: Wir werden fragen, wie der Einsatz abgelaufen ist. Die geschilderten Vorfälle würde ich erst einmal nicht miteinander vergleichen – bei dem Einsatz am Wochenende mußte man zumindest davon ausgehen, daß eine gewisse Gewaltbereitschaft bei den Fans vorhanden ist. Das heißt natürlich nicht, daß alles zu rechtfertigen ist, falls die Klagen über den Polizeieinsatz stimmen sollten. Wir haben im Moment nicht den Eindruck, daß die Polizei die Linie komplett verläßt, die sie in den letzten Jahren eingeschlagen hat.

Junge Welt: Die Rede ist von Dutzenden Verletzten, von Leuten, die am Dienstag noch mit Knochenbrüchen im Krankenhaus lagen.
Zillich: Auch nach den Verletztenzahlen werden wir fragen. Die gehen ja sehr auseinander. Polizei und Feuerwehr haben unterschiedliche Zahlen, was uns natürlich stutzig macht.

Junge Welt: Was hat die Linkspartei – damals noch PDS – nach den Vorfällen in der Yorckstraße 59 und im Prenzlauer Berg unternommen?
Zillich: Wir werten solche Einsätze aus. Das erzwungene Hinknien der Festgenommenen in der Yorckstraße wurde ja glücklicherweise schon von Polizeiführung und SPD-Innensenator verurteilt. Wir können solche Einsätze nur im nachhinein auf ihre Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit überprüfen.

Junge Welt: Sollte man nicht von einer Linkspartei, die auch noch an der Regierung beteiligt ist, erwarten, daß sie als Anwältin der »kleinen Leute« derartige Rambo-Methoden unterbindet?
Zillich: Polizeieinsätze sind Sache der Polizei. Uns geht es darum, zu kontrollieren und zu bewerten, was geschieht.

Junge Welt: Nachträgliche Stellungnahmen ändern wenig, von einer Linkspartei erwartet man mehr. Untergraben Sie nicht die eigene Glaubwürdigkeit, wenn sich solche Vorkommnisse unter Ihrer politischen Mitverantwortung wiederholen?
Zillich: Wir würden unsere Glaubwürdigkeit verlieren, wenn uns das egal wäre und wenn wir nicht schon im Vorfeld auf die Polizei und auf das Klima innerhalb dieser Behörde Einfluß nähmen. Und dazu gehört die Auswertung von Einsätzen. Aus Sicht der meisten Berliner Bürger hat die Polizei in den letzten Jahren eine Entwicklung genommen, die ihr viele so nicht zugetraut haben. Wir werden darauf achten, daß diese Entwicklung anhält.

Junge Welt: Die Berliner Polizei steht nicht im besten Ruf. Ein westdeutscher Polizeipräsident hatte vor einigen Jahren jede weitere Anforderung Berliner Polizisten wegen ihrer robusten Einsätze abgelehnt. Wie wollen Sie diese Polizei in die Zivilgesellschaft zurückführen?
Zillich: Mir ist klar, daß die Berliner Polizei diesen Ruf hatte. Aber um so erfreulicher ist es, daß es bei ihr z.B. im Zusammenhang mit dem 1. Mai eine deutliche Veränderung gegeben hat. Und zwar schneller, als ich es erwartet hatte.

Junge Welt: Werden Sie personelle Konsequenzen fordern?
Zillich: Ich denke nicht. Wir werden aber von der Polizeiführung und vom Innensenator Stellungnahmen verlangen.

Junge Welt: Werden Sie einen Untersuchungsausschuß fordern?
Zillich: Das werden wir danach entscheiden. Aber ich glaube nicht, daß der das richtige Instrument wäre. Hier geht es ja um relativ übersichtliche Fakten.

Junge Welt: Der Polizeieinsatz vom Wochenende wurde von verschiedenen Seiten als Generalprobe für die Fußball-Weltmeisterschaft bewertet. Sehen Sie das auch so?
Zillich: Dazu kann ich mir eine Meinung bilden, wenn ich die Fakten besser kenne. Wenn es als Generalprobe gedacht gewesen wäre, dann wäre es schlicht rechtswidrig, da es nicht verhältnismäßig wäre. Wenn es Fehlverhalten gegeben hat, müßten Polizeiführung und Innensenator Konsequenzen ziehen. Wir werden das bewerten, sobald es so weit ist.


Peter Wolter, Junge Welt, 24.08.2005