Sondereinsatz-Kommando - Die Prügelknaben / Vor der WM greift die Berliner Polizei gegen Hooligans durch. Das Vorgehen ist dabei oftmals strittig - die Strafanzeigen gegen die Beamten häufen sich.

Die Sondereinsatz-Kommandos der Polizei operieren meist in kleinen Teams. Ihr Prinzip lautet: Überraschung, Geschwindigkeit, Zugriff. Jede Gegenwehr wird so von vornherein erstickt. Am Sonntagmorgen aber stürmten gleich 100 SEK-Beamte aus Berlin und anderen Bundesländern die Discothek Jeton im Osten der Hauptstadt, und was dann geschah, ist mild gesagt strittig. Unter den Gästen, die zu Boden geworfen und überwältigt wurden, gab es 21 Verletzte, 158 Personen wurden festgenommen. Die Disco gilt als Treff der harten Hooligan-Szene des BFC Dynamo Berlin, des einstigen Stasi-Clubs. Das SEK – so die Sicht der Polizei – sorgte bei dem robusten Einsatz gegen eine gefährliche Klientel dafür, dass erst gar kein Widerstand aufkam. Wenn jemand einen Barhocker hochnehme, sagte Kommandoführer Bernd Kossin, werde man nicht warten, bis er zuschlage. Berlins Grüne dagegen beklagen eine "Blutgrätsche gegen Fußballfans".

Eberhard Schönberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin, wundert dies sehr: "Von Fußballfans kann keine Rede sein. Die Hooligan-Szene besteht aus Neonazis, Kriminellen, Gewalttätern." Nach der Jeton-Razzia wurden 22 Beamte wegen Körperverletzung oder Freiheitsberaubung angezeigt. Der Einsatz diente auch dem Ziel, die Hooligans im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland zu warnen. Denn Vorsicht ist geboten. Die Szene besteht keineswegs nur aus betrunkenen Stadionschlägern, sondern ist eng verwoben mit der Schwerkriminalität. In den Clubs und Discotheken des Ostteils Berlins dominieren nach Angaben von Experten für organisierte Kriminalität Hooligans die Türsteherszene und damit oft die Einnahmen; im Westen ist das Türstehergeschäft in arabischer Hand. Gegen beide Gruppen, die zum Teil bewaffnet und äußerst gewalttätig auftreten, ist das SEK recht häufig im Einsatz. Streifenbeamte werden von den Tätern manchmal gar nicht mehr ernst genommen oder gar bedroht, wenn sie Zugang zu einer Discothek verlangen. Im Vorfeld der WM scheint die Szene die Polizei gezielt herauszufordern.

So griffen am 5. August fast 200 Gewalttäter aus dem Fan-Block des BFC Dynamo Berlin überfallartig Beamte einer Einsatzhundertschaft an, die das Oberligaspiel gegen den SV Yesilyurt bewachten. 13 Polizisten wurden verletzt, einige schwer. Aus einem internen Polizeibericht, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, spricht das Entsetzen: Die Angreifer "wirkten in ihrem Verhalten irre". Die Übermacht provozierte eine kleine Gruppe von Polizisten und attackierte sie "mit Fußtritten und Faustschlägen", wobei "am Boden liegende" Beamte "gezielt" ins Gesicht und in den Hals getreten wurden. Erst mehrere herbeigerufene Kollegen konnten die Lage unter Kontrolle bringen. Ein "derart systematisches Vorgehen der Hoolszene" gegen die Polizei sei neu, heißt es in dem Bericht. Offenbar wollten sich die Täter geradezu "fit für die Weltmeisterschaft 2006 machen". Typisch ist auch die Häufung von Strafanzeigen gegen Polizeibeamte, besonders gegen jene des SEK, die berufsbedingt mit der Tür ins Haus fallen. Schon in den vergangenen Jahren hatte es aus der Hooligan- und Türsteherszene Dutzende solcher Anzeigen gegeben – alle ergebnislos.


Joachim Käppner, Süddeutsche Zeitung, 24.08.2005