Vorwürfe nach Polizeieinsatz / Widersprüchliche Angaben zur Zahl der verletzten BFC Dynamo-Fans - Beamter soll Hooligans vor Razzien gewarnt haben

Ein Berliner Polizeibeamter steht im Verdacht, Hooligans vor Razzien gewarnt zu haben. Das erfuhr diese Zeitung aus Sicherheitskreisen. Deshalb war auch die speziell geschaffene "Ermittlungsgruppe (EG) Hooligan" zunächst nicht in den Einsatz in der Nacht zum Sonntag einbezogen, bei dem ein Großaufgebot eine Disko an der Frankfurter Allee in Friedrichshain gestürmt hatte. Die eingesetzten Beamten hatten sich gewundert, daß diese Kollegen erst viel später am Ort eintrafen. Die Polizei wollte sich nicht zu ihrer Taktik, also auch zu den zeitlichen Alarmierungen der einzelnen Dienststellen, äußern. Laut vorliegenden Informationen wurden aber die Beamten der EG Hooligan erst dann informiert, als das Spezialeinsatzkommando (SEK) die anwesenden BFC-Dynamo-Fans schon überwältigt hatte.

In der Polizeiführung hatte es Befürchtungen gegeben, wonach dieser Einsatz im Vorfeld hätte verraten werden können - in der Vergangenheit waren nämlich mehrere gezielte Aktionen "durchgesteckt" worden. Indes mehrt sich die Kritik an dem Einsatz. Der Betreiber der Diskothek "Jeton", Ronny Berkahn, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte: "Warum hat man die gesuchten Personen nicht bereits im Sportforum festgenommen? Oder sie zu Hause aufgesucht? Neben den Verletzungen bei meinen Gästen gingen Gläser, Tische und Stühle kaputt", sagte er. Tagsüber hatte im Sportforum Hohenschönhausen ein Fußball-Turnier der Fans stattgefunden, an dem 45 Teams teilnahmen, unter anderem auch Anhänger des FC St. Pauli, des VfL Bochum sowie aus Malmö und Aberdeen. Laut Berkahn hätten die SEK-Beamten beim Erstürmen der Disko Blendgranaten eingesetzt und teilweise wahllos auf Besucher eingeprügelt. Gewehrt habe sich niemand - "da hatten doch alle Schiß, als die Vermummten hier reingestürmt sind."

Anschließend hätten seine Gäste stundenlang auf dem Boden liegend ausharren und ihre Notdurft in Leerguttonnen oder in Sektkübel verrichten müssen. Noch gestern früh standen die Eimer in der Disko, daneben große Blutlachen. "Mitarbeiter der EG Hooligan haben mir gesagt, daß diese Aktion ihre Arbeit der letzten Jahre zunichte gemacht hat. Noch am Donnerstag und Freitag waren Ermittler zu Absprachen hier im Jeton", so Berkahn. Auch BFC-Fans erheben Vorwürfe. Ein Anhänger, der sich ehrenamtlich in der Fan-Arbeit engagiert, bestreitet vehement Widerstand gegen die Beamten: "Nach fünf oder zehn Sekunden lagen alle am Boden. Da gab es keine Gegenwehr." Zudem seien Fans bei dem Einsatz schwer verletzt worden: Einer habe einen offenen Unterarmbruch davongetragen, zwei andere Nasenbeinbrüche. Während die Polizei fünf Verletzte meldete, sprach die Feuerwehr von 15 transportierten und sechs vor Ort behandelten Verletzten.

Laut Polizei hatte sie einen Durchsuchungsbeschluß, weil "hochgradig gewaltbereite Personen" während des Treffens Straftaten verabreden wollten, um diese im Anschluß an die Feier auch zu begehen. Dieser Personenkreis sei "erfahrungsgemäß gewalttätig und besitze Erfahrungen in Kampfsportarten. Um Widerstandsgedanken im Keim zu ersticken, sei ein entschlossener und konsequenter Einsatz notwendig gewesen. Die Party im "Jeton" sei laut Fans aber als Dankeschön für die Helfer des Turniers gedacht gewesen. "Das waren Schiedsrichter oder Catering-Kräfte, also mit Sicherheit keine Hooligans." Der Fanbeauftragte räumt ein, daß solche zwar da waren, aber "das war nicht mal die Hälfte". Augenzeugen und Betroffene haben indes angekündigt, gegen die beteiligten Polizeibeamten klagen zu wollen. Die Polizei hat nach Ansicht ihres Präsidenten Dieter Glietsch die Einsätze rund um das Fußballspiel 1. FC Union gegen BFC Dynamo gut bewältigt.



M. Behrendt / A. Lier / S. Schlichting, Berliner Morgenpost, 23.08.2005