Rechtmäßig hooligalisiert / Der Schutzmann übt für die WM. Vor- und Nachspiel der 0:8-Niederlage des BFC Dynamo

Um es vorwegzunehmen: Ja, Fußball wurde am Sonntag in Berlin-Köpenick auch gespielt. Union nahm den Stadtrivalen BFC Dynamo an der Alten Försterei auseinander. Mit 8:0 wurden die Hohenschönhausener nach Hause geschickt. Union war auf dem Feld in allen Belangen überlegen. In dieser Form spielt der BFC gegen den Abstieg. 14.200 Fans waren zugegen, der BFC hatte etwa 4.000 Anhänger mitgebracht. Im und ums Stadion hatten sich über tausend Sicherheitskräfte versammelt. Im Stadion herrschte anfangs herrliche Derbystimmung, die Fangruppen besangen sich mehr oder weniger schlagfertig und hielten Selbstgebasteltes nach oben. Mit 27minütiger Verspätung begann das Spiel, nachdem auf BFC-Seite lange über eine Absage diskutiert worden war. Letztlich hatte sich die Mannschaft in einer Abstimmung mehrheitlich dagegen entschieden. Es wäre ein einmaliger Protest gegen Polizeiwillkür gewesen.

Die Angst vor strenger Strafe durch den Fußballverband aber war zu groß. Der Boykott wurde in Erwägung gezogen, weil in der Nacht zum Sonntag ein überharter Polizeieinsatz in einer Ostberliner Disko gefahren worden war. Dort hatten sich etwa 200 BFC-Fans samt Frauen versammelt, um das Ende eines Fanturniers zu feiern. Diese polizeilich angemeldete Feier wurde von der Polizei gestürmt, da es laut Einsatzleiter Ltd. PD Prof. Knape Hinweise gegeben hätte, daß sich dort 180 gewaltbereite Hooligans aufhielten, um Krawalle zu planen und "Angst und Schrecken" in Köpenick zu verbreiten. Wohlgemerkt: In den letzten drei Jahren gab es keinerlei größere Zwischenfälle mit BFC-Hools. Sollte hier im großen Stil für die WM 2006 geübt werden? Einiges spricht dafür. Sicher waren unter den feiernden Fans etliche selbsternannte und wirkliche Hooligans nebst Trittbrettfahrern im entsprechenden Outfit.

Doch gibt deren martialisches Gehabe der Polizei das Recht für solches Verhalten? Knüppel raus, alle Menschen auf den Boden, wer nicht sofort runtergeht, wird zusammengeschlagen. Dann Kabelbinder als Fesseln und teilweise drei Stunden liegen bleiben – ohne Wasser, ohne Möglichkeit, die Notdurft zu verrichten. Einsatzleiter Pape war gegenüber jW am Sonntag zu keiner Stellungnahme bereit. Sein äußerst freundlicher Sprecher Steffen Dopichay sagte: "Es war eine gefahrenabwehrende Maßnahme. Es gab Widerstandshandlungen, deshalb griff das SEK sehr hart durch. Nach meinen Infos lief alles rechtmäßig ab."

Die Fans, unbeteiligte Diskobesucher und der Betreiber der Diskothek sehen das anders. Aussagen von Zeugen und die Erklärung der Polizei widersprechen sich nicht nur in Details. Am Montag bestätigte der Polizeipressesprecher Schodrowski, daß fünf der Fans einem Haftrichter vorgeführt und bis Spielende in Gewahrsam genommen, alle anderen aber vorher entlassen worden waren. Waffen wurden nicht gefunden. Montag mittag waren noch zwei Fans im Unfallkrankenhaus Marzahn untergebracht. Einer von ihnen gehört laut BFC-Pressesprecher einem Team von Fans des schwedischen Clubs Malmö FF an. Viele der Verhafteten wollen Anzeige gegen die Polizei erstatten. Der Verein sammelt Beweise und Gedächtnisprotokolle. Die Reaktionen der Medien waren teilweise haarsträubend.

Springers BZ dankte auf der Titelseite: "Bravo Polizei". Im üblichen Haudraufgeschreibsel wurden die Horden des Bösen dem Bürger vorgeführt. Ansonsten: Polizeibericht abgeschrieben und fertig. Eine Frau Buntrock kasperte im Lokalteil des Tagesspiegel ähnliches zusammen, vor Ort war sie garantiert nicht. Der Sportreporter der Zeitung ging genauer zu Werke. Die RBB-"Abendschau" hielt sich mit Wertungen zurück, die Berliner Zeitung übernahm in großen Teilen die Sicht der Polizei. Der Kurier berichtete ausgewogen, das ND ebenfalls. Einen Blick in die Bild erlaubte ich mir nicht, da mir bei Bild-Genuß regelmäßig das Essen hochkommt. BFC-Präsident Weinkauf hat am Sonntag abend in einem Schreiben an den Einsatzleiter Knape noch einmal die Position des Clubs dargelegt. Er verwies darauf, daß eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den entsprechenden Dienststellen derzeit nicht problemlos realisiert werden kann.


Frank Willmann, Junge Welt, 23.08.2005