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Manchmal schreibt Jürgen Piepenburg nur drei Buchstaben, fein
säuberlich getrennt durch Punkte, an die Tafel: k.e.F. Das steht dann auf schwarzem Schiefer wie eine Warnung. Seine Spieler vom BFC Dynamo wissen dann schon Bescheid. Das Kürzel k.e.F. steht für: keine einfachen Fehler. Und
weil der Trainer Piepenburg seiner Mannschaft diese Verhaltensform für die Spiele in der Fußball-Oberliga immer wieder einbläuen muss, schreibt er nun nur noch die Anfangsbuchstaben seiner Anweisung an die Tafel. Allein:
Geholfen hat es bisher nicht. Der BFC Dynamo hat die ersten beiden Saisonspiele verloren, knapp zwar, aber "durch individuelle Fehler und Disziplinlosigkeiten", wie Dynamo-Präsident Mario Weinkauf feststellt. Es kommt
für das Team aus Hohenschönhausen möglicherweise noch schlimmer. Die Chance, heute (14 Uhr, Alte Försterei) im Spiel beim Meisterschaftsfavoriten 1. FC Union die Bilanz aufzubessern, ist nicht allzu gut.
Das wiederum lässt den Dynamo-Anhang nicht ruhen. Es gibt im Umfeld des Klubs bereits Forderungen, den erst für diese Saison und vorerst nur für ein Jahr verpflichteten Piepenburg schnellstens zu entlassen. "Ich
verstehe das nicht. Ich bin jetzt sechs, sieben Wochen hier. Was soll ich denn da groß bewegen?", sagt Piepenburg. Mario Weinkauf reagiert in der Trainerfrage noch ganz unaufgeregt. "Ich hole doch keinen
Trainer, um ihn nach zwei Spieltagen wieder rauszuschmeißen", sagt der Präsident. Und der Druck von der Basis? Weinkauf nimmt das schwierige Umfeld bei Dynamo eher mit Humor: "Wir haben rund 700 Mitglieder,
davon fühlen sich 350 als Präsident, die anderen 350 sind alle Trainer." Nachdem Jürgen Piepenburg, 64 Jahre alt, von Germania Schöneiche nach Hohenschönhausen gewechselt war, löste die Nachricht bei den meisten
Dynamo-Spielern erst einmal Freude aus. Endlich ein erfahrener Mann, einer, zu dem die Spieler respektvoll aufschauen.
Piepenburg war bis Mitte der siebziger Jahre Stürmer beim Armeeklub FC Vorwärts Berlin (später
Vorwärts Frankfurt/Oder) gewesen. Als solcher hält er einen Rekord für die Ewigkeit: Er hat im Europapokal der Landesmeister in 22 Spielen elf Tore erzielt, so viel wie kein anderer DDR-Fußballer, auch nicht aus der
nachfolgenden Generation mit Spielern wie Thom und Doll. Bei der Trainingsarbeit legt Piepenburg großen Wert auf Kooperation. "Ich versuche mit den Spielern gemeinsam, eine Linie zu finden. Das harmonische Miteinander
ist mir wichtig", sagt er. Gegen den 1. FC Union will er in erster Linie die routinierten Kräfte aufbieten. Schließlich steckt in dem Duell hohe Brisanz. Hier der BFC Dynamo, früher in der DDR der Klub der
Staatssicherheit, dort der 1. FC Union, der Klub des Volkes, der nicht so Staatskonformen.
In der DDR zählte Dynamo stets zu den Begünstigten, Union fühlte sich als Unterdrückter. Aus diesem Ungleichgewicht resultiert
zwischen den Fans beider Klubs eine innige Abneigung. Die Polizei ist jedenfalls gewarnt. Im Stadion an der Alten Försterei und in dessen Umfeld sind heute rund eintausend Beamte im Einsatz. Sportlich haben sich die
Verhältnisse längst umgekehrt. "Früher war der BFC in den Spielen gegen Union immer haushoher Favorit, heute ist das genau andersrum. Jetzt kommen wir als Underdog und spielen gegen einen Privilegierten", sagt Weinkauf. Und doch glauben sie beim BFC Dynamo auch daran, Union ärgern zu können. "Wir
dürfen nur nicht wieder so dumme Tore fressen wie in den ersten beiden Spielen", sagt Piepenburg. Dafür müssten die Spieler nur einmal das umsetzen, was bei den Mannschaftsbesprechungen an der Tafel steht: k.e.F. Keine einfachen Fehler.
Karsten Doneck, Tagesspiegel, 21.08.2005

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