Der nette Onkel aus Belgien / Jean-Marie Pfaff stößt beim BFC Dynamo auf Skepsis

Aha, da ist er ja; leicht zu erkennen. Jean-Marie Pfaff (51) trägt immer noch die selbe blonde Strähnchenfrisur wie in den 80er Jahren, als er beim FC Bayern München spielte. Nur das Torwarttrikot hat er inzwischen durch einen maßgeschneiderten hellbraunen Nadelstreifenanzug ersetzt. So sieht er also aus, der Retter des Oberligisten BFC Dynamo. "Hier kommt ein echter BFCler", quäkt der besonders gut gelaunte Pressesprecher Yiannis Kaufmann ins Mikrofon. Pfaff hat sich am Sonnabend ins Mitgliedsbuch des Vereins eingetragen. Einen Tag später mimt er den netten Onkel aus Belgien, der angetreten ist, um einer Vereinigung von Wendeverlierern ein Stück seines eigenen Glückes zu schenken. "Ich will den armen, kleinen Kindern hier im Osten helfen", sagt Pfaff. In Stuttgart und München würden sie die schönsten Trikots tragen, hier im Berliner Sportforum hätten sie nicht einmal zehn Bälle.

So präzise wurde das Ost-West-Gefälle selten formuliert. Dabei dürfte Pfaffs Nächstenliebe tiefere Gründe haben. Der frühere belgischen Nationaltorhüter arbeitet für den potenziellen neuen Hauptsponsor des BFC, den Londoner Energielieferanten United Sol Energy. Die Firma drängt auf den Berliner Markt und will mittels Fußballsponsoring bekannt werden. Dem Vernehmen nach, kann der Serienmeister der ehemaligen DDR-Oberliga seine Kalkulation für die kommende Saison um eine sechsstellige Summe aufstocken. Seinen ersten Arbeitstag als Botschafter des Geldes im klammen Berliner Vereinsfußball dürfte sich Pfaff anders vorgestellt haben. Nach dem Testspiel zwischen dem BFC und dem 1. FC Lok Leipzig stürmten einige der 600 Gästefans auf die Berliner Anhänger zu. Die Polizei schritt mit Knüppeln ein und prügelte mehrere Personen krankenhausreif. "Was sind das denn für Idioten? Ich verstehe das nicht. Probleme gibt es hier doch schon genug von früher", sagte Pfaff.

Seine Firma will sich mit glücklichen, ballspielenden Kindern schmücken, nicht mit Prügeleien. Um so erstaunlicher ist es, dass sich Pfaff ausgerechnet den BFC ausgesucht hat. "Wir sind bestimmt keine Lämmer", das gibt sogar der Fanbeauftragte des Klubs, Rainer Lüdtke, zu. Immer wieder sind die Anhänger des BFC in Krawalle verwickelt - mit anderen Fans und mit der Polizei. Für das Familienfest am Sonntag war ursprünglich ein Benefiz-Spiel zwischen dem Oberligisten und der Berliner Polizei vorgesehen. Doch der Versöhnungs-Kick musste abgesagt werden. Das Sicherheitsrisiko war zu groß. Schon wenige Tage nach Ansetzung der Begegnung hatten sich Fangruppen aus allen Teilen der Republik angekündigt, um gegen Sicherheitsvorkehrungen der Polizei in den Fußballstadien zu demonstrieren. "Außerdem haben unsere Fans dagegen protestiert, dass ausgerechnet hier die Polizei spielen soll", sagt Lüdtke.

Das alte Feindbild besteht also noch, auch wenn Lüdtke meint, dass sich die Fanszene in seinem Verein in den letzten Jahren schwer gebessert habe. "Wir wären unser Rabauken-Image auch durch ein Spiel gegen die Polizei nicht losgeworden", sagt er. Lüdtke wehrt sich gegen Pauschalurteile und grenzt die wahren Fußballfans von wenigen gewaltbereiten Trittbrettfahrern ab, die nur ins Stadion kämen, um Aggressionen auszuleben. Doch die wahren Fans tolerieren diese Minderheit und integrieren nicht immer ohne Stolz die Rolle des Bösewichtes in ihre Identität. Das sagt Lüdtke nicht. Sorgen um ihre Identität machen sich die Fans des BFC schon eher wegen des Geldsegens von Jean-Marie Pfaff. "Hoffentlich werden wir nicht so kommerziell wie andere Vereine", sagt Lüdtke. Doch keine Sorge. Wenn der Klub nicht bald so friedlich wie andere Vereine wird, dürfte das Engagement des von Pfaff bald wieder beendet sein.


Boris Herrmann, Berliner Zeitung, 25.07.2005