Die Zeit der Vorfreude / Vor Beginn der Oberliga-Saison redet halb Ostberlin vom Derby zwischen dem 1. FC Union und dem BFC Dynamo. Derweil ist dessen Präsident mit dem Fan-Projekt Berlin aneinander geraten

Es war ein wunderbarer Mittwochnachmittag an der Alten Försterei in Köpenick. Mehr als 1.000 Fans waren gekommen, um ihrer Mannschaft, dem 1. FC Union Berlin, beim Training zuzusehen. Die Stimmung war prächtig. Nichts zu spüren von der Abstiegsdepression, die noch vor wenigen Wochen über der Anlage an der Wuhlheide lag. Keine Spur von Trauer und Wut bei den Fans war zu finden. Niemand äußerte sich kritisch zum Vorstand, zu den Exvorständen, die den Club von der 2. Bundesliga in die viertklassige Oberliga und an den Rand des finanziellen Ruins geführt haben. Stattdessen redete man über die Zukunft, über den 21. August. Das ist der Tag, an dem der BFC Dynamo an der Alten Försterei um Punkte spielen wird. Ein großes Polizeiaufgebot wird nötig sein, um einen halbwegs geregelten Ablauf des Spiels zu garantieren. Die Ostderbys, das hat die abgelaufene Zweitligasaison mit den Eskalationen in Aue und Cottbus gezeigt, haben es in sich. Das Berliner Derby gilt als besonders heikel.

Die Anhänger des Ex-Stasi-Clubs und die des Vereins mit dem Arbeiterimage konnten sich noch nie riechen. Jahrelang gingen sie getrennte Wege. Als Union in der 2. Bundesliga kicken durfte, fristete der insolvente BFC Dynamo ein kümmerliches Dasein in der fünftklassigen Verbandsliga. Nur zwei Jahre später treffen sich die Ostberliner Clubs wieder - in der Oberliga. Es herrscht Derbystimmung im Osten der Stadt. Nicht nur die Mannschaften, auch viele Fans rüsten sich für den großen Kampf um die Vorherrschaft auf dem gebiet der ehemaligen Hauptstadt der DDR. Da ist es nicht gerade ein gutes Zeichen, dass der BFC Dynamo in dieser Woche der Presse mitgeteilt hat, dass ein Freundschaftsspiel der Oberligamannschaft gegen eine Auswahl der Polizei, das für den 24. Juli angesetzt war, abgesagt werden musste. Mario Weinkauf, Präsident der Dynamos, informierte die Presse und beschuldigte "vereinsschädigende Fans und Trittbrettfahrer aus dem gesamten Bundesgebiet", sich über Internetforen abgesprochen und zu Störaktionen aufgerufen zu haben.

Hooligans, so Weinkauf, hätten gewaltsame Aktionen vorbereitet. Und dann bringt der Dynamo-Präsident noch das Berliner Fan-Projekt ins Spiel, das sich an einer Aktion gegen Polizeigewalt beteiligen wollte. All das habe dazu beigetragen, dass das Spiel habe abgesagt werden müssen. Schließlich hätte es im Rahmen eines Familienfestes stattgefunden, das nun auch ohne Polizeifußballmannschaft stattfinden werde. Weinkauf wird sicher nicht bestreiten, dass es sich bei den Fans des BFC Dynamo bisweilen um schwierige Burschen handelt, warum er aber das Fan-Projekt Berlin in Stellung bringt und im Zusammenhang mit Hooligans nennt, das ist nur schwer zu verstehen. Auch das soll nämlich, so hat es Weinkauf dargestellt, zu einer Anti-Polizei-Aktion aufgerufen haben.

Das Fan-Projekt Berlin ist der Sportjugend Berlin angegliedert. Seine Aufgabe ist es, die verschiedenen Fanszenen in der Stadt zu beobachten und zu analysieren. Der Ansatz ist sozialpädagogischer Art. Es soll versucht werden, die Fans mittels Beratungsaktivitäten zu erreichen. Man will also ins Gespräch kommen mit den Fans. Natürlich gehören auch die Anhänger des BFC Dynamo zu den vom Fan-Projekt betreuten Jugendlichen. All das müsste Weinkauf wissen als Präsident eines der vier anhängerstarken Clubs in der Hauptstadt. Eigentlich wäre eine Zusammenarbeit der Vereine mit dem Fan-Projekt wünschenswert. Doch damit wird es, zumindest was den BFC angeht, erst mal nichts. Das Fan-Projekt will gegen Weinkauf wegen Verleumdung rechtliche Schritte einleiten. Derartige Auseinandersetzungen sind keine guten Vorzeichen für die anstehende Oberliga-Saison. Und auch die Vorfreude der Union-Anhänger auf das Derb am 21. August lässt nur wenig Gutes ahnen.

Andreas Rüttenauer, taz, 04.07.2005