"Wird allet imma schlimma" / Fans als krasser Heimvorteil: Ein Besuch beim BFC Dynamo Berlin, der in der Oberliga Nordost BAK-Wedding 2:0 schlug

Samstag, 14 Uhr, Berlin-Hohenschönhausen. Im Stadion des BFC Dynamo sind gut 300 Zuschauer; größtenteils Jungs, die zuhauen können, weil sie es regelmäßig üben; mit Bierbäuchen, Glatzen und Runentattoos. Opas Schriftsatz war in Ordnung. So gilt das auch für die Fahnen am Spielfeldzaun: "Euer Haß macht uns stärker", konstatiert da zum Beispiel die "Kameradschaft Weinrot Ost-Berlin". Der BFC spielt in weinrot/weiß. Das Weinrot geht auf die zeit zurück, in der Erich Mielke die Geschicke des Clubs lenkte. Auf der Tribüne wird über staatliche Überwachung abgekotzt: "Wird allet imma schlimma", schimpft ein "Hartz VI"-Kundiger, "jetz hamm die Bullen schon Zugriff auf dein Konto!" Der Gegner an diesem 29. Spieltag der Oberliga Nordost spielt in rot/weiß, was die türkischen Nationalfarben sind. Es ist der BAK 07 aus Berlin-Wedding, wo einige lieber Türken als Deutsche sind, mutmaßlich auch von den Spielern. 07 steht für das Gründungsjahr, BAK für Berliner Athletik-Klub. Kein einziger BAK-Fan ist im Stadion, obwohl Wedding fast um die Ecke ist.

Der BAK spielt durchdachter und eleganter, der BFC schnörkelloser und schmutziger. In der sechsten Minute macht Danny Kukulies das 1:0 für den BFC. Was von den Rängen gebrüllt wird, hat stellenweise abgründigen Humor. Wenn einer vom BAK sich am Boden krümmt, weil wieder mal Sense war, wird er als "Heulsuse", aber auch "Alkoholiker" beschimpft. Einer brüllt: "Linjenrichta, komm! Jehn wa Kaffetrinken!" Zur Halbzeitpause werden Rockschlager eingespielt: Nervengift. Der Stadionsprecher gratuliert einem Doktor Gabriel, "unserem Sponsor", zum 40. Wer an den Ständen nicht Bier bestellt, ist eine Schwuchtel. Für die wenigen Frauen, alle hart im Nehmen, ist das sprachlich nicht anders geregelt. "Arschloch" nennt einer seine "Olle". Sie lacht. Nach dem Wiederanpfiff ist der BAK am Drücker, spielt geschmeidig einige Hundertprozenter raus. Der angepißte BFC-Anhang schaltet nach zuletzt vier Niederlagen einen gang hoch: "Fotze" brüllt einer, und "Türke" ein anderer: "uh uh uh" - dem sind die Gegner "Neger".

Von der Körpersprache her sind die 07er auf jeden Fall eingeschüchtert. Keiner regt sich über irgendwas auf, keiner zieht durch. Keiner knipst. BFC-Torwart Nico Thomaschewski ruft einem Ordner, der den ball aus dem Aus zurück ins Feld spielen will, über zehn Meter zu: "Hey, hey, hey!" - den holt er selber. Ruhig latscht er zum Abstoßpunkt. Druck rausnehmen. In der 65. Minute zieht Ersan Parlatan dann vorm BAK-Strafraum die Notbremse, fliegt regelgemäß vom Platz. Kurz darauf macht Kukulies das 2:0. Jetzt brennt hier nichts mehr an. Der Himmel wird kurz düster. Und weil er was für Schwuchteln übrig hat, kann er sich auch ein paar Tränen nicht verkneifen. Erleichtert nehmen die Bullen zur Kenntnis, daß sich das Stelldichein der Lonsdale- und New-Balance-Fürchtigen in Wohlgefallen auflösen wird. Als Yahya Yaya vom BAK nach seiner Auswechslung an der Tribüne vorbei in die Kabine trottet, erschallen "Jajajaja"-Chöre. Er nimmt die Arme hoch und klatscht den Bierseligen zu, dann sogar: Daumen hoch.

Die Amateurfußballprofis unter den Skinheads bringen die letzten Minuten mit lockerem Plaudern rum: wer welche "Kirsche", d. h. Verletzung, "jekriecht" hat; wer wo "mal schnell eenen rinnjedrückt", d. h. "jefickt" hat. Dann ist Abpfiff. Am kommenden Sonntag spielt der BFC gegen den Weddinger SV Yesilyurt, eigentlich auswärts, aber nicht "bei den Türken". Die Verantwortlichen der zwei Vereine sind dicke miteinander, und denen von Yesilyurt ist kein zahlender Zuschauer zu blöd. Das Spiel wird im Sinne der BFC-Skins im Jahn-Sportpark ausgetragen. Noch Jahre nach dem Absturz des ewigen DDR-Meister-Clubs in die unteren Ligen trieben minutenlange Schlachtgesänge seiner Anhänger einem hier die schauerlichsten Schauer über den Nacken. BFC-Fans sahen schon damals so aus wie heute. Aber es waren mehr. Und sie hatten mehr drauf als dieses jämmerliche "Dy-na-mo, Dy-na-mo".

Alexander Reich, Junge Welt, 18.04.2005