| In Frankfurt am Main, bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL), waren sie am Mittwoch bemüht, die Wogen zu glätten. Das sei "absolut keine politische Diskussion", sagte DFL-Sprecher Tom Bender, "hier will auch keiner den Ost-Mannschaften etwas wegnehmen." Doch beim Berliner FC Dynamo ist es genau so angekommen. Kaum haben sie ihre Trikots mit den drei Sternen für die zehn zwischen 1979 und 1988 in der DDR-Oberliga errungenen Meistertitel beflockt, sind die Insignien des Ruhmes auch schon wieder wertlos. Der Vorstand der Deutschen Fußball-Liga hat dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) empfohlen, seinem prominenten Viertligisten für den dreisten Griff nach den Sternen freundlich, aber bestimmt auf die Finger zu hauen. "Wir sind ja eigentlich gar nicht zuständig für Vereine wie Dynamo", sagte Tom Bender süffisant, "wir haben jetzt dem DFB mal den Ball zurück gespielt."
Hans-Georg Moldenhauer, der Ostvertreter im DFB-Präsidium, erfuhr erst von dieser Zeitung von dem DFL-Votum. Jener Vizepräsident, der sich dafür stark gemacht hatte, dass die Ost-Meister "ernst genommen werden". Er, der angenommen hatte, die DFL würde es ebenso sehen, war nun überrascht - und kündigte neue Gespräche an: "Ich denke weiter, dass alle deutschen Meister zwischen 1903 und 2005 gleich behandelt werden müssen." Doch die Liga möchte nicht, dass Vereine wie der BFC ihre Markenzeichen entwerten. Der neuerliche Vorstandsbeschluss, wonach nur Titelgewinne nach Einführung der Bundesliga 1963 mit Sternen über dem Logo dekoriert werden dürfen, fiel einstimmig aus. Auch Altmeister wie der 1. FC Nürnberg (neun Titel) und Schalke 04 (sieben) hätten ihre Zustimmung erteilt.
"Alle haben eingesehen, dass die Sterne ebenso wie unser Liga-Logo und das vergoldete Wappen für den Titelträger Marketing-Instrumente sind, um die Bundesliga aufzuwerten", sagte Bender, "eine Inflation", also Sternensysteme bis hinab in die fünfte Liga zu Victoria Frankfurt/Oder (sechs DDR-Titel) hätte das konterkariert. Es dürfte die Dynamos schmerzen, dass über die für sie so bewegende Frage nur wenige Minuten verhandelt wurde. "Das war schnell erledigt", sagte Bender. Ohne Folgen bleibt das aber nicht. Der Öffentlichkeitsarbeiter schilderte, dass er sich nun jener Anrufer erwehren müsse, die den Tatbestand des Diebstahls am ostdeutschen Volk sehen: "Das ist schon Agitation. Einer hat mir gesagt, wir entreißen den DDR-Meistern das Letzte, was ihnen geblieben ist."
Frust beim BFC Vermutet werde von Kritikern auch, die DFL habe nur so entschieden, weil ausgerechnet der BFC den Antrag stellte. Dem Verein haftet eben mancher Makel an. Aus der Zeit der DDR-Oberliga, als es bei den Titelgewinnen nicht immer mit rechten Dingen zuging, wenn Stasi-Chef Erich Mielke dafür sorgte, dass sein Lieblingsspielzeug von den Schiedsrichtern zum Erfolg gepfiffen wurde. Nach der Wende beschäftigten die Hohenschönhausener den DFB mit massiver Hooligan-Problematik und einer Insolvenz im laufenden Spielbetrieb. Unschön auch, dass die Rechte am Vereinslogo, das Kennzeichen D - derzeit noch unter dem Sternenhimmel -, sich im Besitz der berüchtigten Hells Angels befinden. Das alles, so Bender, habe keine Rolle gespielt. Glauben mag man das beim BFC nicht, wo man sich zuletzt häufig darüber ärgern musste, dass nicht jeder unkritisch den Vorstoß ohne Legitimation beschrieben hat.
Es seien "wieder alle Klischees" bedient worden, beklagt sich Mario Weinkauf, der Präsident. Er wirkt schlecht gelaunt. Vielleicht auch, weil er nun den langen Arm der DFL fürchtet. In einer ersten Reaktion kündigte Dynamo noch trotzig an, man werde weiter mit den drei Sternen spielen. Inzwischen ist Weinkauf hin- und her gerissen. "Das ist ja noch keine Entscheidung, nur eine Empfehlung", sagt er, man warte den endgültigen DFB-Beschluss ab. Mit bebender Stimme fügt er hinzu: "Wir haben noch genügen Trikotsätze ohne Sterne." Einblicke in sein Gefühlsleben mag er nicht gestatten: "Wir nehmen das sachlich auf." Die Reaktion der Fans bleibt abzuwarten. Ebenso wie das Vorgehen der DFL, wenn der BFC Dynamo weiter provoziert.
Über das Vorpreschen am Karfreitag, als der Verein erstmals als Drei-Sterne-Klub auflief, war Hans-Georg Moldenhauer nicht glücklich: "Ich hatte den BFC gebeten, die DFL-Entscheidung noch abzuwarten." Bisher gab es deshalb aber für den DDR-Rekordmeister keine rechtlichen Probleme. Bei den heutigen bunten Trikots, hatte der DFB-Vizepräsident vor wenigen Tagen noch gescherzt, falle gar nicht mehr auf, "ob einer mit Punkten, Sternen oder Strichen herumläuft". Nun klingt das schon anders: "Wenn die DFL ihre Sterne doch als eindeutiges Markenzeichen sieht, muss man das womöglich anders einordnen", sagte der Magdeburger Funktionär. Tom Bender von der DFL jedenfalls betont demonstrativ, man "könne dem DFB nur empfehlen, sich uns anzuschließen".
Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 07.04.2005
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