Aus den Unterklassen / Auf alles eindreschen

Das runde Leder rollt erneut ins Eckige! Endlich ist die Winterpause vorbei. Auch bei Rotes Banner Trinwillershagen und Motor Fritz Heckert Karl-Marx-Stadt rennen wieder buntgewandete Narren dem Kunststoffball hinterher. In den beiden Oberligen unseres Stammesgebietes war allerlei los an diesem Wochenende. Die Südstaffel glänzte durch sieben Spielabsagen. Am Freitag schickte der wunderschöne 1. FC Carl Zeiss Jena die Holzmichel von Rotasym Pößneck mit 3:0 zurück in den Thüringer Wald. In der Halbzeitpause gab es in Jena so was wie einen offiziellen Platzsturm. Der Verein ließ die Tore öffnen und vierhundert Fans traten den aufgeweichten Rasen des Spielfeldes wieder fest. Jena zieht in der Oberliga-Süd souverän seine Kreise, doch ist das relativ zu sehen. Auch in den letzten Jahren kam Jena jeweils mit Riesenvorsprung aus der Winterpause. Der Vorsprung wurde dann regelmäßig gemütlich verspielt.

Jena blieb das Abo auf den zweiten Platz. Gegenwärtig scheint nur Motor WEMA Plauen gefährlich zu sein. Mit neun Punkten Rückstand lauern sie auf Fehler der Jenenser, der gerechte Fußballgott steckt diese Saison jedoch mit Jena unter einer Decke! Obwohl Jena noch einige schwere Auswärtsspiele bestreiten muß. Die Mannschaft wird um den Aufstieg gegen den Ersten der Nordstaffel spielen, so wahr ihnen Ritter Runkel helfe. Und sie werden aufsteigen, da sie über ein eingespieltes und erfahrenes Team verfügen. In der vierten Liga kann man allerhand erleben. Dessen wurden die Zuschauer des Spiels Tennis Borussia Berlin – BFC Dynamo am Freitag abend nachhaltig gewahr. Es war ein leidlich spannendes Oberliga-Spiel, das vor 1 500 Zuschauern im Mommsen-Stadion unter Flutlicht 0:0 endete. Doch irgendwie scheinen die Spiele zwischen TB Berlin und den beiden großen Ostberliner Vereinen, dem 1. FC Union und dem BFC Dynamo, unter einem besonderen Unstern zu stehen.

Nachdem Ende letzten Jahres böööse* Unionfans im Mommsenstadion nach einer Niederlage ihrer Mannschaft gegen TeBe randalierten, und sich Prügeleien mit Polizisten lieferten, waren es diesmal aufgebrachte Polizisten, die sich die Fans des BFC vorknöpften. Gegen die Unionfans sah die Polizei schlecht aus. Sie waren einfach in ihren Plaste&Elaste-Uniformen nicht schnell genug und bekamen nur noch ein paar Rentner und Frauen vor den Knüppel. So was wurmt natürlich den gestandenen Knüppelgardisten. Deshalb war es kein Wunder, daß die Hundertschaft Gesetzeshüter diesmal bei der erstbesten Gelegenheit den Stecken blank zog und auf alles eindrosch, was nicht rechtzeitig Beine machte.

Der Anlaß für den polizeilichen Wüstensturm war ein banaler. Ein pyrotechnischer Gegenstand war im BFC-Fan-Block gezündet worden. Das ist verboten, rechtfertigt aber nicht den folgenden Gewaltausbruch. Mit dem Schlachtruf »Wir versagen in Charlottenburg nur einmal – ihr seid auch nur Unioner aus Hohenschönhausen«, stürmten die Beamten in den Block der BFC-Fans. Das taten sie gegen jede interne Absprache und ohne Kenntnis der szenekundigen Zivilpolizisten der EG Hooligan vor Ort. Es wurde ordentlich auf die Mitbürger eingedroschen. Nun wollen Fans und Vereinsführung Atteste und Fotomaterial sammeln, um den Polizeieinsatz zu dokumentieren und dagegen vorzugehen. Man darf gespannt sein, ob die Berliner Polizeiführung die Angelegenheit unter den Tisch kehrt oder eine Untersuchung einleitet. Im Jahr 2006 findet auch in Deutschlands Hauptstadt die Fußball-Weltmeisterschaft statt. Gut Holz, Kameraden!

*böööse: interne Bezeichnung der Unionfans


Frank Willmann, Junge Welt, 15.02.2005