Es kann nur einen geben / Teamcheffrage gelöst: Nur Jürgen Bogs kann es richten

Deutschland stirbt tatsächlich einen langsamen qualvollen Tod. Die Nation leistet sich als höchste Kultureinrichtung eine Trainerfindungskommission (TFK) des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Und die wird nach der Absage Otto Rehhagels vorerst keine Verhandlungen mit möglichen Kandidaten für den Posten des Teamchefs aufnehmen. Die Kommission besteht aus Franz Beckenbauer (Bild), Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU), Werner Hackmann und Horst R. Schmidt (Reichssportbund). In einer Telefonkonferenz einigten sich die Herren, die Personalfrage Nationatrainer nur noch von Bild entscheiden zu lassen. "Die Absage von Otto Rehhagel trifft uns noch härter als die von Hitzfeld. Weil es für ihn doch das Größte und Höchste hätte sein müssen, nach dem gerade errungenen EM-Sensationstriumph mit Griechenland jetzt die deutsche Nationalelf zur WM zu führen" (Walter M. Straten).

Feigheit vor dem Feind ist natürlich Landesverrat, und nur der weise Toni Schumacher, der einst den Einsatz von Prostituierten im Deutschen Lager empfahl, weil Spielerfrauen nerven, sagt, worum es wirklich geht: "Franz Beckenbauer wird jetzt nicht drumherumkommen, es selber zu machen. Schließlich ist es seine WM." Bundesliga, WM und Fernsehgelder sind nämlich tatsächlich eine interne Angelegenheit des FC Bayern München. Deshalb darf Christoph Daum nicht Trainer werden, und deshalb ordnet Bild die der Nation angemessenste Personage an, also die dümmste: Lothar Matthäus. Innerhalb von Stunden wird, nachdem die BamS die neue bayrische Variante befahl, der fränkische Dorfdepp zur nationalen Lichtgestalt aufgebaut. Sid vertreibt ein Interview, und Lothar darf auf’n Platz hecheln: "Ich habe ständig Kontakt zu Franz, aber nach der Absage von Rehhagel haben wir noch nicht gesprochen."

Aber der Loddar kann gut mit sich selbst sprechen und weiß, was der Franzl erwartet: "Wichtig wäre zudem, daß alle Spieler wieder mit Stolz das Nationaltrikot tragen. Zudem muß der neue Bundestrainer knapp zwei Jahre vor der WM im eigenen Land die volle Rückendeckung des DFB und der Bundesliga haben. Um eine schlagkräftige Mannschaft aufzubauen, müssen alle anderen Interessen in den Hintergrund gestellt werden." Die Interessen die zurückzustellen sind, sind die, die nichts mit dem FC Bayern München zu tun haben. "Ich traue mir diesen Job sicherlich zu. Ich merke, daß Spieler auf mich hören und ich auch bei jungen Spielern ankomme." Matthäus ist bescheiden und die Trainerfindungskommission wird auf ihn hören. Aber die Hoffnung verschläft zuletzt auf dem Rasen. Der jW-EM-Expertenstab hat anders entschieden, und zwar richtig: Es gibt nur einen Kandidaten, der die große, schwere Bürde des Bundestraineramtes schultern kann: Jürgen Bogs. Nur der erfolgreichste Vereinstrainer des deutschen Fußballs kann dem Amte als Amtsvorsteher seine Würde zurückgeben.

Als er in der Saison 77/78 Trainer des BFC Dynamo wurde, erkämpfte seine sehr junge Mannschaft sofort den dritten Platz der DDR-Oberliga. Am 26.05.1979 macht der BFC vor 22 000 Zuschauern im Jahnsportpark gegen Dynamo Dresden den ersten Meistertitel klar, und dann ging’s ab. Zehn Mal hintereinander wurde Jürgen Bogs Meister. Diese einmalige Leistung im europäischen Vereinsfußball wurde erreicht, trotzdem ein gewisser Erich Mielke zu jedem Heimspiel auf der Ehrentribüne lautstark mitspielte. Es gibt wirklich niemanden, der geschulter im Umgang mit bekloppten Funktionären ist. Der Mann, der Andreas Thom und Falko Götz ausbildete, hat auch den weniger interessierten Medien einiges zu bieten. Als der BFC in der Saison 88/89 im Europapokal gegen Werder Bremen verlor, kommentierte Bogs das Spiel mit einem fröhlichen: "Das war hier die totale Scheiße." Selbst für Bild ist Jürgen Bogs, der an einer jeden Trainer adelnden Athrose und Bandscheibenbeschwerden leidet, also unverzichtbar. Er liefert druckreife Sätze und braucht keine logopädische Spezialbetreuung wie Lothar Matthäus. Und er raucht und trinkt nicht.


Emil Pasunke, Junge Welt, 12.07.2004