Zeit der Beschuldigungen / Streit beim BFC Dynamo vor der Mitgliederversammlung

So genau weiß Christian Backs auch nicht, wo er da hinein geraten ist. Nur eines stellt er klar: "Ich werde mich raushalten." Backs, 41, ist der neue Trainer beim Berliner FC Dynamo und sollte sich eigentlich freuen können: Sein Vorgänger Sven Orbanke übergibt ihm eine Elf, die ohne Verlustpunkt in der Rückrunde in die Oberliga aufgestiegen ist. Das Insolvenzverfahren kommt trotz eines zuvor schier unüberwindlichen Schuldenbergs von einst 3,6 Millionen Euro zu einem positiven Abschluss. Und weit über tausend Zuschauer wollten die letzten Verbandsligaspiele des BFC sehen, obwohl diese bereits sportlich unbedeutend waren. Dennoch liegt ein Schatten über dem Sportforum in Hohenschönhausen. "Ich hoffe, dass der Machtkampf hier bald zu Ende ist", sagt Backs. Am 18. Juni findet eine Mitgliederversammlung der besonderen Art beim BFC statt.

Der Streit der Worte tobt bereits im Vorfeld. Mike Peters, 32, der Präsident, der in den vergangenen beiden Jahren den Klub mit dem Radau-Image durchaus salonfähig machte, wird von einer Opposition heftig attackiert, die einen eigenen Kandidaten nominiert hat. "Der BFC steht vor einer Zerreißprobe", sagt der Unternehmer. Sein Gegner Dieter Burghause, 53, selbstständiger Versicherungsvertreter, werde, so behauptet Peters, "gelenkt von Hintermännern aus der Hooligan-Szene". Diese würden "um ihre Daseinsberechtigung kämpfen" in dem Verein, den er zu einem Familienklub machen wolle. Mit Infoständen auf Festen und einem Kitaprogramm, bei dem über 300 Kinder beim BFC Bewegungs- und Ballspiele üben, haben Peters und sein Gefolge Sympathie gesammelt. Ausschreitungen gab es lange nicht mehr.

Vielleicht aber auch nur, so argwöhnen einige im Klub, weil die fünfte Liga den Hooligans keine Gegner bietet. Nun, eine Etage höher, befürchtet Peters Unruhestifter. Vor seinem Amtsantritt im Jahr 2002 hatten beim BFC bereits kurzzeitig Rocker der Hell's Angels das Sagen. Sein Gegenspieler Burghause wehrt sich gegen die Anschuldigungen. Auch er will nicht, dass der Verein "wieder mit Krawallen in Verbindung gebracht wird". Der Ton gegenüber dem Herausforderer Peters aber ist rau: "Ich wollte mit ihm zusammenarbeiten, was er abgelehnt hat", sagt Burghause. "Er lügt, macht Fehler und hat kein Vertrauen bei den Massen." Peters hält sich fern vom harten Kern, gilt als unnahbar. "Er hat seine Verdienste, aber viel halten ihn für arrogant", sagt Rainer Lüdtke, der Fanbetreuer, der besorgt ist: "Ausgerechnet jetzt, wo wir wieder auf dem Weg sind, eine feste Größe im Fußball zu werden, herrscht Uneinigkeit."

Die 750 Mitglieder seien unsicher, wem sie ihre Stimme geben sollen. Burghause, Vorsitzender des BFC-Wirtschaftsrates, verweist auf seine guten Drähte zu Sponsoren und hat der Basis ein Budget von 356.000 Euro (anfangs sogar 410.000 Euro) für die neue Saison versprochen. Viele Geldgeber ständen hinter ihm. Das nährt Hoffnungen auf den Durchmarsch in die dritte Liga, Minimalziel für viele Dynamos. Peters dagegen sagt: "Wenn ich das höre, befürchte ich, dass die Arbeit der vergangenen zwei Jahre umsonst war und sich der Verein wieder übernimmt." Er geht von einem Etat von lediglich 130.000 Euro aus, will Dynamo weiter konsolidieren und in der übernächsten Saison die eingleisige NOFV-Oberliga erreichen. Erst dann werde er über die Regionalliga sprechen. Selbstbewusst betont er: "Wenn der BFC nicht wieder ein Skandalimage bekommen will, gibt es derzeit keine Alternative zu mir."

Burghause ärgern solche Aussagen. Er habe seinen Anwalt eingeschaltet. Mittendrin steht Backs. "Ich will nur meine Arbeit machen", sagt er, "aber die Probleme derzeit erschweren die Gespräche mit neuen Spielern." Fans wie Lüdtke setzten große Hoffnungen in "die Integrationsfigur" Backs, der nach sieben Jahren als Talenteförderer bei den Reinickendorfer Füchsen zurück ist in dem Verein, bei dem er fast zwanzig Jahre spielte: "Der BFC ist für mich eine Herzensangelegenheit." Als Mittelfeldspieler schaffte er es bis ins Nationalteam und hat nun den Traum, "langfristig mit dem BFC in den Profifußball zu kommen". Vorerst lautet die Realität vierte Liga. Saisonstart ist am 7. August. "Bis dahin", hofft der Trainer, "herrscht hier hoffentlich wieder Ruhe."

Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 05.06.2004