Fliegende Fladenbrote / Sie sangen von »die BKA« und unterlagen dem SV Yesilyurt: die Fans des BFC Dynamo

Vor etwa 25 Jahren veröffentlichte die Zeitschrift neues leben einen Leserbrief zur Diskussion um problematische Fußballfans. "Entweder Fan oder fair!", hieß es darin. Entsprechende Aufregung herrscht noch heute, wenn es zu solchen Ansetzungen wie am Ostersonntag kommt: BFC Dynamo (1. der 5. Liga) gegen SV Yesilyurt (4. der 4. Liga). Es ging um den Einzug ins Finale um den Berliner Pokal. Und da die Einsatzgruppe Hooligan der Polizei sich zwar gegen die Austragung von Freundschaftsspielen des BFC in Worms und Riesa aussprechen kann, dieses Pflichtspiel jedoch schon ausgelost worden war, und zwar vor der oft gewünschten Auflösung Dynamos, mußte es eben stattfinden. Also: Augen auf und durch! Eine Kommission aus Vertretern der Polizei, beider Vereine sowie vom Berliner- und vom Nordostdeutschen Fußballverband besichtigte vorab das Sportforum des BFC und meldete Sicherheitsbedenken an.

Es ging vor allem um den nadelöhrähnlichen Spielergang zwischen der Haupttribüne und der Kurve. So könne das Stadion in Anbetracht des nahenden Aufstiegs kaum als tauglicher Austragungsort gelten. Sicher war keiner dieser Kritiker unter den 20 000 Zuschauern, die 1972 das UEFA-Pokalspiel gegen Liverpool er- und überlebt hatten. Sie sollten zumindest gewußt haben, daß der BFC hier in den 90ern seine Drittligaspiele austrug. Zwei Tage vor dem Spiel kam es zu einem spontanen Arbeitseinsatz. Einige Jugendspieler des BFC sammelten das ebenfalls kritisch angesprochene Gestein von den Tribünen. Im Internetforum wurde vom Fanbeauftragten eindringlich dazu aufgerufen, rassistische Provokationen zu unterlassen – bei eventuellen Ausschreitungen würde der BFC hart bestraft. Am Ostersonntag trennten sich vor dem Halbfinalspiel zwei Jugend-Mannschaften beider Vereine 4:2, während die letzten der rund 2.000 Zuschauer eintrudelten, darunter 350 Yesilyurt-Sympathisanten, die mit zwei Bussen gekommen waren und separat zur Gegentribüne geleitet wurden.

Ein Großaufgebot an Polizisten und Ordnern sollte Sicherheit gewährleisten. Der ursprüngliche Gedanke einiger BFC-Fans, das Kopftuchverbot zu umgehen, wurde leider verworfen, dafür winkten mit dem Anpfiff viele hinter der Yesilyurt-Bank mit einigen Dutzend Fladenbroten, die aus der Ferne wie Baseballhandschuhe ausgesehen haben müssen. Kaum waren sie als Winkelemente benutzt worden, flogen sie auch schon auf die Laufbahn! Entweder Fan oder fair … – Weniger offensiv trat die Heimmannschaft auf. Obwohl seit dem Trainerwechsel im November ungeschlagen, spielte sie erstaunlich defensiv. Yesilyurt trat mit dem eindeutigeren Zug zum Tor auf, ein Heber über den BFC-Keeper brachte das 0:1.

In der 2. Halbzeit agierte der BFC mehr, doch Yesilyurt konterte und erzielte ein abseitsverdächtiges Tor zum 0:2. Plötzlich wurde auf den Rängen verstärkt rassistisch gepöbelt, wobei diverse Parolen völlig falsch skandiert wurden ("Bomben für die BKA!"). Blixa Bargeld sang einmal: "Zwei Dinge sind unendlich, die Dummheit und das All." Immerhin hatte Bundesliga-Schiri Fröhlich nie ein Problem mit dem von beiden Mannschaften fair geführten Spiel. Der BFC verkürzte noch zum 1:2, verpaßte es aber, den Ausgleich zu machen. Letzten Endes zählen für den BFC nur der Aufstieg und der nahende Abschluß des Insolvenzverfahrens. Laut Gästetrainer hatte an diesem Nachmittag ein Fußballfest stattgefunden, er bedankte sich für die hervorragende Organisation beim BFC, dessen Trainer sich stolz auf seine Mannschaft zeigte, wobei er das 0:2 ebenfalls als Abseitstor gesehen hatte. Unterdessen wird unter den Yesilyurt-Fans gemunkelt, das man sich vor dem nächsten Aufeinandertreffen mit Kartoffeln und Schweinefleisch eindecken wolle...


Andreas Gläser, Junge Welt, 14.04.2004