Dynamisierung / Alte Meldung, frische Erregung: der BFC Dynamo und seine Doping-Altlasten

Zu DDR-Zeiten waren komplette Fußball-Teams vor wichtigen Spielen mit Doping-Mitteln voll gepumpt. Mit dieser Nachricht überrascht Nachrichten-Magazin Spiegel in seiner neuen Ausgabe. Es ist freilich eine Meldung, die seit Jahren bekannt ist und in den Archiven bereits ein paar Millimeter Staub abgesetzt hat [vgl. auch Pressebericht der FAZ vom 05.03.1994]. Grund für die neuerliche Verbreitung ist wohl eine Buchveröffentlichung des Potsdamer Historikers Giselher Spitzer. In seinem Buch "Fußball-Leichtathletik-Triathlon" schreibt Spitzer, dass beim DDR-Serienmeister BFC Dynamo einmal 15 Spieler mit Aufputschsubstanzen schnell und aggressiv gemacht worden seien. Unter den Akteuren sei auch der frühere Profi und heutige Trainer des Bundesligisten 1860 München, Falko Götz, gewesen.

"Ich bin vor drei bis vier Jahren angesprochen worden, dass ich ohne mein Wissen Mittel bekommen habe. Es gibt zwei positive Tests, das war aber zu meinen Jugendzeiten und ist ohne mein Wissen geschehen", sagte Götz, der von 1979 bis November 1983 beim zehnmaligen DDR-Meister BFC Dynamo gespielt hatte, am Sonnabend beim Trainingsauftakt der Münchner. "Ich bin gefragt worden", verriet Götz, "ob ich mich einer gemeinschaftlichen Anzeige anschließe - und das habe ich getan." Mehr wollte er unter Hinweis auf das laufende Verfahren im Moment zu dieser Sache nicht sagen. Der BFC Dynamo soll dem Bericht zufolge in Europacup-Heimspielen Amphetamine eingesetzt und darauf hin deutlich gewonnen haben: So auch 1988 gegen Werder Bremen im ersten UEFA-Cup-Duell mit 3:0 [
es handelte sich um die erste Runde im Meistercup].

Im Rückspiel in Bremen verzichtete der Klub aus Angst vor Kontrollen auf die Psychopharmaka, verlor prompt mit 0:5 und schied noch aus. In der Bundesliga werden seit 1988 regelmäßig Wettkampfkontrollen durchgeführt. Der Assistenztrainer von Hertha BSC, Andreas Thom, wollte dagegen nicht über die Problematik sprechen. "Über diese alten Geschichten möchte ich nichts sagen", meinte er zum Trainingsauftakt der Herthaner am Sonnabend. Heftig wehrte sich der frühere DDR-Auswahltorhüter Bodo Rudwaleit gegen die Vorwürfe. "Das ist lächerlich. So etwas hat es nicht gegeben. Zudem gibt es inzwischen genügend Expertisen, dass diese Mittel im Fußball überhaupt nichts bringen", sagte der ehemalige BFC-Keeper. Der frühere BFC-Spieler Eike Küttner erklärte im ZDF-Sportstudio, er habe nie wissentlich Doping-Mittel zu sich genommen.

"Ich kann jedoch die Einnahme nicht ausschließen. Es wurde im verein nie darüber gesprochen, dass es Möglichkeiten gibt, noch etwas mehr Leistung herauszukitzeln", sagte Küttner, der sich überrascht zeigte, dass das Thema wieder hochkoche. Das hänge mit der Buchveröffentlichung zusammen, glaubt er. "Selbst der Chef des Sportmedizinischen Dienstes der DDR, Herr Höppner, erachtete es nicht für nötig, dass die Spieler von der Vergabe der Substanzen Kenntnis haben müssen", erklärte Giselher Spitzer unter Verweis auf Unterlagen der Stasi. Die Präparate sollen ohne Kenntnis der Akteure in Getränken verabreicht worden sein, behauptet der Autor im Buch.

Gustav Herrmann, Neue Fußballwoche, 22.02.1955