Arsch aufreißen für den BFC

Gespräch mit Rainer Lüdtke, Fanbeauftragter des Verbandsligisten BFC Dynamo, der um den Aufstieg in die NOFV-Oberliga spielt
 
Junge Welt: Herr Lüdtke, eigentlich wollten Sie am vergangenen Sonntag den BFC Dynamo zum Silvestercup nach Riesa begleiten. Warum sind Sie dann doch nicht hingefahren?
Lüdtke:
Der BFC wurde bereits im Sommer zu diesem Turnier eingeladen. Da die Halle in Riesa nur zirka 800 Zuschauer faßt, wurde uns mitgeteilt, daß sie bereits ausverkauft sei und der BFC demzufolge keine Karten bekommen könne. Jetzt wurden der Verein und ich tätig. Wir forderten 400 Karten für unsere Fans, sonst hätten wir die Mannschaft zurückgezogen. Daraufhin bekamen wir die Zusage für 200 Karten. Diese Anzahl war natürlich nicht ausreichend, aber ein Kompromiß. Wir entschlossen uns, diese Karten in erster Linie an unsere Sponsoren, Dauerkarteninhaber sowie Mitglieder weiterzureichen. Dies ist auch bei anderen Vereinen üblich. Und dann kam Anfang Dezember die Nachricht aus Riesa, daß der BFC vom Turnier ausgeladen wird.

Junge Welt: Sind Ihnen die Gründe für die Absage bekannt?
Lüdtke:
Die übrigen Fans, die auf Grund des beschränkten Kontingents keine Karten bekommen konnten, aber trotzdem in Riesa dabei sein wollten, wurden plötzlich für die Riesaer Polizei zum Sicherheitsrisiko. Im Vorfeld des Turniers gab es viele Gespräche, ob der Silvestercup wegen des großen Zuschauerinteresses nicht in der benachbarten größeren Halle stattfinden könnte. Nur wenige Tage nach der Absage fand dort der Super Regio Cup vor 5.200 Fans statt, ohne daß es zu größeren Zwischenfällen gekommen war. Doch die Stadt Riesa stellte sich quer und es kam zu keiner Einigung. Statt dessen lud man zuerst den BFC aus, um den Cup dann komplett abzusagen.

Junge Welt: Was ergaben Ihre Nachfragen bei den entsprechenden Stellen?
Lüdtke:
Mir wurde ein Schreiben zugespielt, welches vom Riesaer Polizeidirektor verfaßt wurde und an die Stadtverwaltung gerichtet war. Dieses Schreiben steckt voller Lügen, und mir stellt sich die Frage, woher die Herren diese Erkenntnisse haben. Da ist die Rede davon, daß die Jahreskarteninhaber beim BFC in erster Linie zu den sogenannten Problemfans gehören. Da ich die Jahreskarten selber verkaufe, weiß ich: Dem ist nicht so. Des weiteren steht da geschrieben, daß am gleichen Tag in Riesa ein Freundschaftsspiel des BFC gegen Dynamo Dresden stattfinden soll, zu dem sich 300 »Problemfans« aus Dresden angesagt hätten. Nur weiß beim BFC niemand von diesem Freundschaftsspiel. Um ein Maximum an Sicherheit zu gewährleisten, bot der Verein an, eigene Fanordner mitzubringen. Auch das ist durchaus üblich beim Fußball, denn eigene Ordner haben oft einen besseren Draht zu den Fans als Angestellte von Sicherheitsfirmen. In der Lesart der Riesaer Polizei kam heraus, daß die Stadt Riesa von ihrer eigenen Polizei bewußt hinters Licht geführt wurde. Die Leidtragenden sind die Fans aller teilnehmenden Vereine.

Junge Welt: War dies das erste Mal, daß BFC-Spiele von der Polizei bzw. von den zuständigen Behörden abgesagt wurden?
Lüdtke:
Nein, leider nicht. Im Sommer diesen Jahres sollte in Worms ein Freundschaftsspiel zwischen dem Südwest-Oberligisten Wormatia und dem BFC stattfinden. Dieses kam durch die Initiative von Fans beider Vereine zustande und sollte der Höhepunkt einer Fanparty sein. Alle Beteiligten freuten sich auf das Spiel, die Party und das am gleichen Tag stattfindende Weinfest, und mehr als 400 Berliner sagten sich dafür an. Doch auch hier hatte die Polizei etwas dagegen. Die BFC-Fans wurden als »reisender Killermob« bezeichnet, der wohl gewaltbereite Fans aus dem ganzen südwestdeutschen Raum anziehen würde. Die Wormser Verantwortlichen bekamen kalte Füße und sagten ab. In den vergangenen Jahren nahm der BFC an einem Hallenturnier im sauerländischen Meschede teil. Die BFC-Fans waren die Attraktion der Veranstaltung, feierten immer eine Riesenparty und nahmen vor zwei Jahren sogar den Fairplay-Preis mit nach Berlin. Anfang diesen Jahres kam es auf der Rückreise in einem Zug, in den die BFC-Fans gedrängt wurden, obwohl er schon überfüllt war, zu Rangeleien mit anderen Reisenden. Die Polizei nahm dies zum Anlaß, daraus ein Riesending zu machen, mit dem Ergebnis, daß wir in diesem Jahr nicht eingeladen wurden.

Junge Welt: Können Sie die Gründe, die zur jeweiligen Absage führten, nachvollziehen?
Lüdtke:
Nein, niemals. Natürlich hat der BFC auch Problemfans, wie fast jeder andere Verein auch. Aber in den letzten Jahren ist im Umfeld des BFC nichts Nennenswertes in dieser Richtung passiert. In der Verbandsliga freuen sich die Schatzmeister der gastgebenden Vereine auf uns, ohne befürchten zu müssen, daß ihr Vereinsheim auseinandergenommen wird. Mit der Politik des Dämonisierens treffen die Verantwortlichen nicht die sogenannten Problemfans, sondern die echten Fans, die sich den Arsch aufreißen für den BFC. Und sie diskreditieren den gesamten Verein mit seinen vielen Nachwuchsteams. Hier entsteht dem BFC Dynamo ein echter Schaden. Manche Fans glauben auch, daß dies alles bereits im Hinblick auf die Fußball-WM 2006 passiert. Der BFC soll mit seinen unbequemen Fans einfach in Berlin festgenagelt werden und nicht mehr überregional in Erscheinung treten. Im Stadion sollen dann nur noch Familien sitzen, die Cola trinken, Popcorn essen und den Cheerleaders zujubeln.

Junge Welt: In der Vergangenheit sorgten die Fans des BFC oft für negative Schlagzeilen. Hat sich da etwas geändert, wie hat sich die BFC-Fanszene in den letzten Jahren entwickelt?
Lüdtke:
Durchaus positiv. Die Zeit der Krawalle wie in den 90ern ist vorbei! Wer heute in der fünften Liga ins Sportforum kommt, hat kein Interesse an Randale, dem geht es um den BFC Dynamo. Die Fans waren es, die den Verein vor dem Untergang gerettet haben. Die Fans starteten viele Aktionen, um den Verein zu unterstützen. Das ging los mit »Saufen für den BFC«; Fans begaben sich auf Sponsorensuche, und im September wurde ein Fan-Turnier organisiert, dessen Erlöse zum großen Teil dem Nachwuchs des Vereins zur Verfügung gestellt wurden. Und viele Fans bringen übrigens auch ihren eigenen Nachwuchs mit zu den Spielen.

Junge Welt: Gab es in der Presse ein Echo auf diese Aktionen?
Lüdtke:
Für den BFC interessiert sich die Presse nur, wenn es irgendwo Randale gibt. Die anderen Dinge passen einfach nicht ins Bild des umherziehenden, randalierenden BFC-Fans. Als Sony beim BFC als Sponsor im Nachwuchsbereich einstieg, verschickte ich in meiner damaligen Position des Pressesprechers eine Mitteilung an mehr als 200 Empfänger. Die einzige Reaktion, die kam, war: Wie kann Sony dort nur einsteigen?

Junge Welt: Werden die Fans auch aktiv gegen diese staatliche Willkür?
Lüdtke:
Nun, eine erste Reaktion war das Fernbleiben der BFC-Fans beim Berliner Verbandsliga-Hallenturnier. Anstatt der erwarteten 500 Eintrittzahler waren es nur knapp hundert. Ich persönlich glaube zwar, es wäre besser gewesen, wir wären alle dagewesen und hätten gezeigt: Hier sind wir und wir machen eine Riesenparty. Hallo Riesa, seht mal, ihr verpaßt was. Ich verstehe aber auch die Fans, die nicht da waren. Sie sind frustriert, sie wollten dem Berliner Fußballverband (BFV) ein Zeichen geben, damit der sich mehr für seine Mitglieder einsetzt. Gleiches erwarte ich aber auch vom Vorstand des BFC, der noch manche Entscheidung klaglos hinnimmt. Vielleicht ist das Treffen der Präsidenten des BFV und des BFC ein erster Schritt in die richtige Richtung.


Frank Götze, Junge Welt, 29.12.2003