Der Polizist und der Fußballrowdy / Über einen BFC-Fan vor Gericht und die Reichweite eines Mehrzweckknüppels

Schildere uns bitte deinen Weg vom Stadion zum Ort des Geschehens.
BFC-Fan:
Die Stimmung auf dem Weg war bestens, schließlich hatten wir gegen Union gewonnen, Zwischenfälle gab es auf dem Weg eigentlich nicht. Auch die begleitenden Beamten machten einen recht entspannten Eindruck.

Junge Welt: Bist du mit erhobener Faust laut schreiend auf die Union-Fans zugerannt?
BFC-Fan:
Das ist Unsinn. Als wir den Bahnhofsvorplatz erreichten, rannten plötzlich alle los. Um nicht umgestoßen zu werden, rannte ich mit, konnte mich aber aus der Guppe lösen. Erst danach sah ich, etwa fünfzig Meter entfernt, einige Unioner wegrennen.

Junge Welt: Was passierte dann?
BFC-Fan:
Die uniformierten Beamten beschränkten sich darauf, den Bahnhofseingang zu blockieren, und die Zivilbeamten wollten die Menge aufhalten. Ein Beamter, der wie ich inzwischen weiß, der Ermittlungsgruppe Hooligan angehörte, kam aus vollem Lauf auf mich zu und schlug mit seinem Tonfa in Hüfthöhe auf mich ein. Seinen weiteren Schlägen konnte ich ausweichen, woraufhin er von mir abließ. Vor dem Bahnhof war es inzwischen zu Rangeleien mit Fans gekommen. Der Zivilbeamte versuchte, die dort abwartenden Fans unter Schlägen in Richtung Bahnhof zu treiben. Meine an ihn gerichtete Aufforderung, das zu unterlassen, und die Frage, was das überhaupt solle, schließlich sei der Zugang ja noch versperrt, wurde lediglich mit der Bemerkung, "verpiß dich in den Bahnhof", kommentiert. Meine Ankündigung, ihn wegen Körperverletzung im Amt anzuzeigen, schien ihn nicht sehr zu beeindrucken.

Junge Welt: Gab es eine Fortsetzung der Geschichte? Was geschah auf dem Bahnsteig?
BFC-Fan:
Nachdem wir endlich den Bahnhof betreten durften, kam es zu kleineren Rangeleien mit Beamten, eine Person wurde festgenommen. Als diese von zwei Uniformierten an dem Zivilbeamten vorbeigeführt wurde, stieß dieser dem Festgenommenen mit dem Tonfa in den Oberkörper. Um weitere Schläge zu verhindern, forderte ich ihn sehr lautstark auf, das zu unterlassen, und kündigte ihm für diese Aktion eine Strafanzeige an. Das Ende des Liedes: Ich wurde beim nächsten Heimspiel im Stadion festgenommen, man nahm mir die Fingerabdrücke ab und fotografierte mich. Der Verein bekam die Aufforderung, mir für Heimspiele Stadionverbot zu erteilen.

Junge Welt: Mit welcher Begründung?
BFC-Fan:
Nach Auffassung der EG Hooligan hatte ich bereits durch das Losrennen und Wiederstehenbleiben den Tatbestand des Landfriedensbruches erfüllt. In der gegen mich gerichteten Anzeige gab der Beamte weiter an, nachdem er mich nur mit Gewalt an der Verfolgung der Unioner hindern konnte, hätte ich mich auf ihn zubewegt, ihm Schläge angedroht und erklärt, ich hätte schon viele Polizeibeamte fallen sehen. Danach habe er mich in Richtung Eingang des Bahnhofs gestoßen, wobei ich weiter Drohungen geäußert haben soll. Das alles bestätigte der zweite Zivilbeamte mit beinahe den gleichen Worten.

Junge Welt: Wie hat sich der Zeuge der Anklage verhalten?
BFC-Fan:
Auf mehrfaches Nachfragen meines Verteidigers René Lau, erklärte der Beamte, die Androhung von Schlägen habe er zwar nicht gehört, sie sei aber "nonverbal" erfolgt, indem ich ihn mit "Blicken aggressiv fixiert" hätte. Auch mußte eingeräumt werden, daß der Abstand zu den von mir angeblich Verfolgten sehr groß gewesen sei und ich an späteren Auseinandersetzungen nicht teilgenommen habe. Auf die Frage des Richters, ob er vor dem Bahnhof noch andere Personen geschlagen habe, erklärte er, sich daran nicht mehr erinnern zu können, allerdings sei die Reichweite seines Mehrzweckstockes sehr groß, so daß er beim Ausholen möglicherweise weitere Personen berührt haben könnte.

Junge Welt: Wie verlief die Verhandlung weiter?
BFC-Fan:
Auch der zweite Beamte, ein Angehöriger des BGS, hatte deutlich die "nonverbale Androhung" von Schlägen vernommen. Allerdings mußte er auf Nachfrage meines Rechtsanwalts einräumen, nicht gesehen zu haben, wie ich mit erhobenen Armen schreiend herumgelaufen sei. Da sich aber viele so verhalten hätten, müsse dies wohl auch auf mich zugetreffen. Entgegen der Aussage seines Kollegen war er sich aber sicher, daß beide mich gemeinschaftlich in den Bahnhof verbracht hätten, obwohl der zu diesem Zeitpunkt noch abgeriegelt war. Auch waren die Unioner nach seiner Meinung nicht vom Platz geflüchtet, sondern hätten sich vor dem Eingang des Bahnhofes Auseinandersetzungen mit BFC-Fans geliefert. Eine Beteiligung meiner Person konnte er aber nicht bestätigen.

Wie sah das Hohe Gericht die Angelegenheit?
BFC-Fan:
Der Richter sprach mich frei. Das entsprach auch dem Antrag des Staatsanwaltes, der sich dennoch das Recht auf Berufung vorbehielt, davon aber dann keinen Gebrauch machte.

Junge Welt: Dein abschließendes Urteil zu der Angelegenheit?
BFC-Fan:
Mich hat das Ganze maßlos geärgert, nicht nur wegen des fast ein Jahr andauernden Stresses, sondern auch, weil ich den Eindruck habe, daß es Beamte gibt, die mit Fans nach dem Motto verfahren, "erst mal draufhauen, trifft eh immer die Richtigen". Droht ihnen aber eine Anzeige, ergreifen sie die Flucht nach vorn. Wer glaubt im Normalfall schon einem Fan, dem Widerstand und Landfriedensbruch vorgeworfen wird, zumal er Anhänger des BFC ist? Darüber, warum beide Beamte vor Gericht ihre schriftlichen Aussagen in wesentlichen Teilen nicht mehr bestätigten, kann man nur spekulieren.

Junge Welt: Wirst du strafrechtlich etwas gegen den Zivilbeamten unternehmen?
BFC-Fan:
Im Grunde sollte man das tun, aber die Wahrscheinlichkeit, daß einer oder beide zur Verantwortung gezogen werden, geht meiner Ansicht nach gegen Null. Schließlich habe ich keine Zeugen. Wer bei dem ganzen Durcheinander in meiner Nähe war, habe ich damals nicht beachtet.


Frank Willmann, Junge Welt, 22.09.2003