Fahnders Sommerloch

Zwar ist Sommerpause im Fußball, doch die Ermittlungsgruppe Hooligan der Berliner Polizei kommt nicht zur Ruhe. Neunzehn Mitarbeiter umfasst diese Sondereinheit; da liegt es irgendwie nahe, dass es in Zeiten, da überall Stellen gestrichen werden, nicht wirklich ein Fußball-Sommerloch geben darf. Oder ist es anders zu erklären, dass die Hüter der Stadionordnung dafür gesorgt haben, ein für Sonnabend geplantes Freundschaftsspiel zwischen Wormatia Worms und dem BFC Dynamo abzusagen? Die EG Hooligan hatte per Fax gemeldet, dass angeblich 400 Berliner - darunter 200 gewaltbereite Fans der Kategorie B und C - die weite Reise antreten wollten. Der Amateurverein und die Stadtverwaltung Worms gerieten daraufhin in Panik. Rainer Lüdtke, der Fanbeauftragte des BFC, hält die Meldung für einen schlechten Scherz. In der vergangenen Saison hat es keinen Krawall beim BFC gegeben. "Wir sind mit den Fans in Worms sogar befreundet und wollten gemeinsam zum Weinfest", sagt Lüdtke. In der Landesinformationsstelle für Sporteinsätze soll man ebenfalls den Kopf geschüttelt haben.

Aber die Polizei aus Mainz und Berlin blieb bei ihrem Horrorszenario: Der harmlos anmutende Sommerkick sei in Wahrheit Treffpunkt für Radaubrüder aus der ganzen Region, angeblich auch aus Frankfurt, Kaiserslautern und Mannheim. Dieser Vorgang passt ins Bild der Hysterie unter hiesigen Fan-Polizisten. Im Hinblick auf die WM 2006 will man die Hooliganszene mit aller Macht zermürben. So werden auch in der Sommerzeit polizeiliche Ladungen an Hooligans verschickt. Sie müssen sich dann samstags auf ihrem örtlichen Polizeirevier einfinden - ungeachtet der Tatsache, dass gar keine Spiele stattfinden, wo sie Unruhe stiften könnten. Die Frage nach dem Sinngehalt solcher Maßnahmen stellen sich nicht nur Fanbeauftragte. Beim DFB-Pokalfinale im Mai wurde ein großes transparent gehisst: "Freie Bürger? Nein, Fußballfans!", stand darauf. Als hätten sie alle geahnt, dass es diesmal gar keine Sommerpause gibt.

Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 27.06.2003