Wer war denn der Glatzkopp?” / Beim Hallenfußball trieben die Vorrundenspiele die Leute zu den Getränkeständen

Letzten Sonnabend in Berlin-Hohenschönhausen: Eine Eisdecke überzieht die Gegend rund um das Sportforum. Als ich am frühen Nachmittag zum Turnier der Traditionsmannschaften spaziere, setzen sich vor der Halle zwei Senioren auf den Arsch; aus zwei Mannschaftswagen heraus beobachtet die Polizei die Lage. Namhafte Gegner lassen den Anmarsch von buntem Fanvolk vermuten. Bremen, Aue, Karlsruher SC, Zwickau, Sparta Prag, Rostock, Jena, Union, Hertha und der BFC Dynamo. 200 Dynamo-Fans zeigen sich so lautstark wie optimistisch; ebenso viele neutrale Besucher verhalten sich abwartend. Unioner wie Herthaner interessiert dieses Turnier wenig beziehungsweise gar nicht. In zwei Fünfergruppen qualifizieren sich die Ersten und Zweiten für das Halbfinale. Gespielt wird jeweils zehn Minuten. Gegen die jungen Konterspezies aus Bremen kassiert der BFC fünf Sekunden vor der Schlußsirene das 0:1. Gegen Sparta steht Dynamo im Zugzwang. Ein beleibterer Prager reißt mich zu einem unsportlichen Ausspruch hin: "Die Jegner werden ja immer dicker!"

1:0 gewonnen, dank Rainer Troppa." Die Vielzahl der Vorrundenspiele treibt viele BFC-Fans zu den Getränkeständen. Die Rentner hinter mir werden kesser. "Wer war den der Glatzkopp, der eben beim BFC jespielt hat, etwa ’n Fan?" – "Dit war Heiko Brestrich, der spielt jetze bei Lok." Beim 3:0 gegen Aue gelingen Brese 2 Tore. Torwarttrainer Rudwaleit hält immer noch nahezu alles. Wenig später wird Burkhard Reich beim 3:0 seines KSC gegen Union zum Publikumsliebling. Daß für den BFC entscheidende Vorrundenspiel gegen Rostock wird mit 0:3 verloren. Für die verantwortungsbewußten Väter unter den Dynamo-Fans verläuft das Turnier immerhin familienfreundlich. Gegen 18.30 Uhr gibt es Abendbrot. Vielleicht verabschieden sich deshalb alle Berliner Vereine aus der Vorrunde. Im Finale siegt der KSC 1:0 gegen Jena. Die Polizei registriert nichts Besonderes. Das Glatteis ist nur noch harmloser Matsch.


Andreas Gläser, Junge Welt, 06.01.2003