Vollmar vertraut junger Garde

Der BFC ist der einzige ehemalige DDR-Meister, der nunmehr in einer fünften Liga spielt. Für die Hohenschönhausener ist die Verbandsliga dennoch ein willkommener Neuanfang. Die abgedroschene Phrase "Auferstanden aus Ruinen" trifft sicherlich zu. Allerdings müssen die Trümmer - sprich das laufende Insolvenzverfahren - noch beseitigt und die Fundament für die Zukunft werden. In wirtschaftlicher Hinsicht ist das a 31. Mai diesen Jahres gewählte Präsidium mit Mike Peters an der Spitze und Insolvenzverwalter Dr. Philipp Hackländer für diese Belange verantwortlich. Kein Wunder, dass Peters als Saisonziel zuerst die "wirtschaftliche Gesundung des Vereins" nennt. Allerdings wurde das von Peters auf der Mitgliederversammlung für den 31. Juli 2002 angekündigte Ende des Insolvenzverfahrens in Absprache mit dem Insolvenzverwalter auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

Sollte dies vor dem 30. Juni 2003 gelingen, bliebe Dynamo theoretisch jedoch das Aufstiegsrecht erhalten. Für Trainer Dirk Vollmar ist dieses Ziel allerdings viel zu hoch gegriffen. Von seiner jungen Elf (Durchschnittsalter liegt unter 23 Jahre) erwartet der 30-Jährige vorerst schlicht den "Klassenerhalt". Mehr sei erst im zweiten Verbandsligajahr zu erwarten. Der B-Lizenz-Inhaber, der seit Sommer 2001 aufgrund einer Kopfverletzung Sportinvalide ist, lässt die Kirche nicht ohne Bedacht im Dorf. Denn bis auf den aus Babelsberg zurückgekehrten Thomaschewski findet man im Kader keine wirklichen "Kracher". So bringen lediglich Burckhardt, Dracke (beide 1. FC Union Amateure), Dehnert (Germania Schöneiche), Lehmann (Optik Rathenow), Söhndel (Köpenicker SC) oder Wanski (Hannover Amateure) etwas Erfahrung für diese Spielklasse mit. Insofern scheinen teile des 127.000-Euro-Etats des Vereins mit Bedacht für die Verbandsligaelf angelegt worden zu sein.

Aber die jungen Wilden, von denen etliche seit Jahren mit dem Herzen am Verein hängen, sind heiß darauf, sich ihre Sporen zu verdienen. In der Vorbereitung zogen zumindest alle kräftig mit. Schließlich hielt sich Vollmar mit Stammplatzgarantien - Ausnahme Keeper und Kapitän Thomaschewski - merklich zurück. Erst seit letzter Woche hat Vollmar, der von Co-Trainer und Torhüterlegende Bodo Rudwaleit unterstützt wird, "die ersten 13 Spieler seines Kaders fest im Kopf". Das Gerangel um einen Platz in der Startformation hat auch einen positiven Nebeneffekt: Keines der bisherigen Testspiele ging verloren. Nach einem Remis gegen Motor Eberswalde (1:1) sowie den Siegen bei Fortuna Biesdorf (4:0), TSV Lichtenberg (4:3), Concordia Wilhelmsruh (4:0) und Aufbau Rüdersdorf (3:1) erreichte man am Sonnabend beim brandenburgischen Oberliga-Aufsteiger Eintracht Oranienburg immerhin ein 2:2.

Den letzten Feinschliff für den Verbandsligaauftakt beim Aufsteiger Berliner SC am 11. August wollen sich die Weinroten in den Tests beim SV Bau Union (30. Juli) und FC Nordost (3. August) sowie im heimischen Sportforum (6. August) gegen den griechischen Vertreter Aris Saloniki holen. Bei den Heimspielen der Verbandsliga können sich die Zuschauer in naher Zukunft im vereinseigenen Clubheim (Modell Glaspavillon) treffen und zu Gunsten der Vereinskasse "laben". Im Schnitt hofft Rainer Lüdtke auf "200 Zuschauer". Der Fanbeauftragte setzt auch bei Auswärtspartien auf eine stimmgewaltige Unterstützung der Mannschaft. "Bei einem ordentlichen Start kommen auswärts sicherlich mindestens 100 Leute mit." Über die Gefahr von Ausschreitungen müssen ich die sportlichen Kontrahenten und die Polizei aus Sicht Lüdtkes keine größeren Sorgen machen: "Die 200 Mann, die uns im vorigen Jahr in der Landesliga noch die Treue gehalten haben, sind echte Fans und keine Hooligans."

In der Tat lässt sich beim langfristigen Studium der von Lüdtke betreuten Homepage bzw. den Taten manches Dynamo-Freundes in den vergangenen Monaten ein Wandel in der Fanstruktur und -kultur ableiten. Letztlich haben in erster Linie die BFC-Anhänger mit Spenden sowie der Rekrutierung von helfern und Sponsoren - auch des neuen Präsidiums - ihrem Verein wieder Leben eingehaucht. Diese positive Tendenz außerhalb des Spielfeldes gilt es nun für die Öffentlichkeit und potentielle Sponsoren zu bewahren. Erster Gradmesser ist bereits am 3. Spieltag die Partie bei den Union-Amateuren. Denn das Match gegen die Reserve des einstigen Erzrivalen zieht, wenn auch ungewollt, möglicherweise gewaltbereites Potential an.

Matze Koch, Fußballwoche, 29.07.2002