Einmal Trainer... / Warum ein erfolgreicher Fußball-Coach aus dem Osten keinen Verein mehr findet 

Das Kniegelenk schmerzte jahrelang. Wie wär's mal mit einem Arzttermin gewesen? Jürgen Bogs lächelt. So einfach war das nicht. Er hatte einen Job als Fußballtrainer, da blieb keine Zeit für längere Pausen. Operation? Nicht während des Jobs. "Wer hätte sich dann um die Mannschaft gekümmert?" Jürgen Bogs arbeitet in einer schwierigen Branche. Bogs ist Fußballtrainer, ein guter Mann, ja, eigentlich sogar der erfolgreichste Trainer Deutschlands. Bogs hat den BFC Dynamo trainiert, zwölf Jahre lang, und in dieser Zeit brachte es sein Klub auf zehn Meistertitel in Serie. So etwas gelang keinem anderen Trainer. Die Geschichte hat nur einen Haken: Bogs stand in der DDR auf der Gehaltsliste der Stasi. Der BFC Dynamo war dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt, ein vom Staat bevorzugter Klub, dessen Erfolge durch merkwürdige Schiedsrichterentscheidungen und Spielertransfers getrübt wurden.

Guten Fußball konnten die Männer von Jürgen Bogs auch so spielen, sonst hätten sich die Bundesligaklubs nach dem Mauerfall nicht um das kickende Personal des Klubs gerissen. Thom, Rohde, Doll. Große Namen. Den Trainer, der diese Spieler ausgebildet und zu Nationalspielern gemacht hat, den haben sie zurückgelassen. Ein Vormittag in Berlin-Marzahn: Bogs sieht erholt aus. Was macht das Knie? "Schmerzt noch", sagt er. Der Meniskus war eingerissen, die Operation hat er hinter sich. Bis Ende des Monats ist Bogs krankgeschrieben. "Für so etwas habe ich jetzt Zeit", sagt er. Seit November bezieht der 55-Jährige Arbeitslosengeld. Ein Trainer auf dem Arbeitsamt - "komisches Gefühl", sagt Bogs. "Die Leute gucken mich schief an, die sagen: Schau, jetzt geht der Bogs sogar zum Arbeitsamt." Zumindest hat er diesen Eindruck.

Er weiß selbst, dass er dort nichts zu suchen hat. Bundesligamanager suchen nicht auf dem Arbeitsamt. Bogs hat viele Bewerbungen abgeschickt. Aber wie bewirbt sich ein Trainer? "Ich kann Englisch, würde eine andere Sprache lernen. Ich bin flexibel, nicht an Berlin gebunden. Ich habe eine Trainerlizenz. Ich kann ausbilden." Die Meisterschaften erwähnt er nicht. Das Handy bleibt stumm. Bogs ist Diplom-Sportlehrer. Doch ein Job in der Schule ist keine Alternative. "Ich bin 55 Jahre alt, da finde ich nichts mehr." In einigen Jahren gibt es Geld aus der Rentenkasse. "Ich will nicht auf dem Sofa sitzen, ich will arbeiten." Muss doch was zu finden sein; zehn Meistertitel hat nicht jeder vorzuweisen. Wahrscheinlich passt so ein Typ wie Bogs einfach nicht in das Showgeschäft. "Vielleicht habe ich zu viel Anstand", sagt er. Bogs klopft keine markigen Sprüche, Bogs macht seinen Job, weil er ihn kann. "Ich will nicht viel Geld verdienen, ich will normal leben können."

Jürgen Bogs hat einmal gesagt: "Fußball ist mein Leben." Im Westen wollten sie ihn damals nicht haben, zumindest nicht in der Ersten Liga. Kickers Emden hat Bogs kurz unter Vertrag genommen. "Das Sprungbrett in den Westen", dachte Bogs. "Norddeutschland: da spielen der HSV, Werder Bremen, bekannte Vereine." Der damalige Werder-Manager Will Lemke habe mal angerufen, erzählt Bogs, "doch dann hat der Lemke den Hans-Jürgen Dörner geholt." Jürgen Bogs kehrte Ende der Neunzigerjahre zum BFC Dynamo zurück. Im November haben sie ihn, ihren Meistercoach, dort entlassen. Dynamo steht unter Insolvenzverwaltung, Bogs wartet noch auf fünf Monatsgehälter. Am Montag wurde er plötzlich als neuer Jugendkoordinator des Klubs präsentiert. Doch freuen konnte sich Bogs nicht lange. "Ach, einen Tag später habe ich einen Anruf bekommen, da haben die gesagt: Das wird nichts." Zu DDR-Zeiten war sein Gehalt sehr hoch: 3.000 Ost-Mark monatlich.

Jetzt sieht die Sache anders aus. In den vergangenen Monaten bekam er kein Geld. Das Haus am Stadtrand muss abbezahlt werden. "Aber mir geht es nicht schlecht. Notfalls müssen die Kinder einspringen", sagt Bogs. Neulich war er beim Regionalligisten Dresdner SC im Gespräch. Dann beim Zweitligisten Babelsberg 03. Geht es den Klubs schlecht, sitzen viele arbeitslose Trainer wie Geier auf der Tribüne. Bogs mag so etwas nicht. "Ich will mich nicht aufdrängen." Aber so ist eben das Geschäft. Bei Hertha BSC ist der Posten des Amateurkoordinators frei geworden. Diesen Job übte bislang Falko Götz aus, doch der trainiert jetzt die Profis. Bogs hat Götz beim BFC trainiert, könnte der nicht ein Wort für seinen alten Coach einlegen? Bogs hat sich vor zwei Jahren bei Herthas Manager Dieter Hoeneß als Talentspäher beworben. Und? "Ich habe nicht mal eine Antwort bekommen.

André Görke, Tagesspiegel, 06.03.2002