| Es war eine Wortmeldung auf der Internetseite der Fans des BFC Dynamo. Ein gewisser Albert Koller aus der Schweiz fragte da am 2. Januar nach Ansprechpartnern beim mit rund 3,5 Euro verschuldeten Rekordmeister der DDR. Ende vergangener Woche weilte dieser Herr Koller aus Luzern nun in Berlin, ließ sich durchs Sportforum führen, sprach mit den ehrenamtlichen Kräften, die sich noch für den Verein engagieren, dem Rechtsanwalt Philipp Hackländer, der das Insolvenzverfahren beim BFC durchführt - und flog mit Worten wieder heim, die Hoffnung verströmten: "Ich habe ein paar Kontakte, und die werde ich versuchen zu nutzen."
Albert Koller, 40, der Mann, der beim Surfen im Internet auf den BFC stieß, könnte der Retter des Vereins werden. Denn der Geschäftsmann hat den Ruf, marode Fußballklubs sanieren zu können. Den FC Luzern, bei dem er Präsident war, und Young Boys Bern hat er vor dem Konkurs gerettet. "Beide Vereine hatten deutlich höhere Schulden als Dynamo", sagt er, ohne falsche Erwartungen wecken zu wollen: "Ich muss mir darüber klar werden, ob ein Engagement in Berlin wirtschaftlich Sinn macht." Mittlerweile liegen die konkreten Zahlen auf dem Tisch: 220.000 Euro benötigt der BFC, um das Insolvenzverfahren zu einem positiven Abschluss zu bringen, sagt Anwalt Hackländer.
200.000 Euro sind Gehaltszahlungen für ehemalige Angestellte, die auf jeden Fall beglichen werden müssen. Mit 20.000 Euro sollen die übrigen Gläubiger abgefunden werden. Der ehemaligen Sponsor Lipro AG verzichtet darauf, seine Forderungen von über 1,5 Millionen Euro geltend zu machen. Doch das hilft wenig. "Im Moment gibt es keinen, der das Geld für die Begleichung Sünden der Vergangenheit geben würde", sagt Hackländer: "Je länger das so ist, um so unwahrscheinlicher ist ein positives Ende des Verfahrens." Das aber wäre Voraussetzung für den Neuanfang in der Verbandsliga. "Wenn bis zum Sommer nichts passiert, wird der BFC aus dem Vereinsregister gestrichen", sagt der Insolvenzverwalter.
Dann müsste Dynamo wieder in der Kreisliga beginnen. Albert Koller würde das gerne verhindern. Eigenes Geld aber, so sagt er, will er nicht investieren. Das hat er nie getan bei seinen Sanierungen. "Das kann ich mir gar nicht leisten", behauptet er. Vor einem Jahr hat der Geschäftsmann laut Selbstauskunft den größten Teil seiner zahlreichen Firmen, hauptsächlich im Tourismus und Kommunikationsbereich, verkauft. Mit dem Ziel, mehr Zeit für sein Hobby Fußball zu haben und dieses zum Beruf zu machen - am besten in einer europäischen Hauptstadt. Beim BFC würde er sich gerne in der Rolle des Generalmanagers sehen - "es müsste sich nur jemand finden, der mich bezahlt". Ein Modell, ebenso ungewöhnlich wie die Gedankenspiele des Mannes mit dem Faible für klinisch tote Vereine.
Die Verbandsliga, so sagt er, sei für Investoren uninteressant, die Oberliga müsste es schon sein. Für die vierte Liga aber hat Dynamo die Lizenz verloren, weshalb Koller die Vereinigung mit einem Verein vorschwebt, der noch in Besitz der Spielerlaubnis ist. Der verschuldete Berliner AK käme in Frage, sagt er: "Auf dem Platz Berlin gibt es zu viele Klubs. Da macht ein Zusammenschluss Sinn." "Koller meint es ernst. Ich habe einen guten Eindruck von ihm gewonnen", sagt Hackländer: "Seriös" wirke er, sagt BFC-Fanbetreuer Rainer Lüdtke. Er greift wie ein Ertrinkender nach jedem Strohhalm, neulich hat er sogar den ehemaligen Werder-Manager Willi Lemke, Senator in Bremen, um Hilfe gebeten - es kam eine Absage. "Koller ist eine Chance", so Lüdtke, "vielleicht unsere letzte." Und Koller sagt: "Ich habe bereits mögliche Investoren informiert. Geben Sie mir eine Woche, dann weiß ich mehr."
Matthias Wolf, Berliner Zeitung, 18.01.2002
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