Was für ein Familienausflug / Ein Tag mit dem BFC Dynamo beim Fußballhallencup der Berliner Oberligavereine

"Wir sind durch all die Ereignisse zusammengerückt. Ja, ich möchte sagen, wir sind eine richtige Familie." Norbert Paepke hängt an seinem BFC Dynamo. Seit ein paar Wochen ist er Geschäftsstellenleiter beim ehemaligen DDR-Serienmeister und will "etwas Ruhe in den Verein bringen." Beim Hallenturnier der Berliner Oberligavereine in der Sporthalle Charlottenburg gibt er das Familienoberhaupt. Wie ein Getriebener irrwischt er ruhelos durch die Halle, steht mal bei den Fans, sitzt dann wieder auf der Bank. Dass auch sie durchaus nicht zu den ruhigeren Zeitgenossen zählen, stellen die Anhänger des BFC am ersten Turniertag wieder unter Beweis. Die Dynamos liegen in der Vorrunde mit 0:2 gegen die Reinickendorfer Füchse zurück.

Doch die etwa 150 Fans wissen, wie sie in solch schwierigen Situationen ihren Spaß haben. Sie grölen geschmacklose Verse gegen den verhassten FC Union, gegen den nur Zyklon B helfe, brüllen ihren Hass auf die Türkei aus ihren bierfeuchten Kehlen und skandieren den altbekannten Neonazispruch von der "Völkermordzentrale USA". "Ohne unsere Fans wäre hier doch nichts los", meint Paepke. Dann berichtet er von den vier A-Jugendlichen, die man in die Landesligamannschaft integriert habe, von den ehemaligen DDR-Meisterspielern Mario Maek und Bodo Rudwaleit, die sich als Trainer um den Aufbau einer neuen Mannschaft kümmern sollen.

Das Oberligateam steht, seit ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde, als Absteiger fest. Über 3 Millionen Euro Schulden haben sich angehäuft unter Hans Reker, dem inzwischen abgelösten sportlichen Leiter. In der nächsten Saison will man in der Verbandsliga einen Neuanfang wagen. Eine neue Führung hat der Club auch gewählt. "Was die Herren in ihrem Privatleben machen, interessiert mich nicht", sagt Paepke. Zwei der neuen Vereinsvorstände, Rayk Bernt und Andre Sommer, gehören den Hells Angels an. Sie betreiben das Berliner Fußball-Café, in dem schon einmal Partys unter dem Motto "Tag der Germanen" stattfinden. Zwei Rocker sollen jetzt also Ruhe bringen in den Exstasiverein mit dem Nazi- und Hool-Image.

Im letzten Vorrundenspiel treffen die Dynamos auf den FC Türkiyemspor. Die Kreuzberger führen lange mit 2:0. Aus der BFC-Kurve erklingt wieder antitürkisches Hassgegröle. In den letzten 40 Sekunden gelingt Dynamo noch der Ausgleich. Jetzt ist der Mob völlig aus dem Häuschen und stürmt das Hallenparkett. Ordner, BFC-Spieler, die Turnierleitung und die wohl gepanzerten Polizisten schaffen es aber, die wild gewordenen Anhänger vor den Kreuzbergern zurückzudrängen. Der BFC hat gerade den vorletzten Gruppenplatz erreicht. Mannschaft und Fans feiern, als hätte man die elfte DDR-Meisterschaft gewonnen. Norbert Paepke scheint Recht zu haben. Mannschaft und Fans sind eine Einheit. Und was für eine!

Andreas Rüttenauer, taz, 07.01.2002